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# taz.de -- Schweine sterben qualvoll: Ohne Narkose unters Messer
> Ein Betrieb im Emsland soll Schweine ohne ausreichende Betäubung
> geschlachtet haben. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt.
Bild: Manche werden bei Bewusstsein aufgehängt: Frisch geschlachtete Schweine
OLDENBURG taz | Ein großer Schlachthof in Lengerich im Kreis Emsland soll
Sauen ohne ausreichende Betäubung geschlachtet haben. Diesem Vorwurf geht
jetzt die Staatsanwaltschaft Oldenburg nach. Eine Mitarbeiterin des
Landkreises habe in dem Betrieb einen möglichen Verstoß gegen das
Tierschutzgesetz beobachtet. „Jetzt ermitteln wir gegen einen
Verantwortlichen des Betriebs“, sagt Staatsanwältin Ute Siebert.
Die Sauen werden in dem Schlachthof mit Strom betäubt. Es könne sein, dass
zu wenig Strom eingesetzt wurde, sagt Siebert. Ein tierschutzrechtliches
Gutachten soll nun Klarheit bringen. Der Geschäftsführer des Betriebs,
wollte sich zu den Ermittlungen nicht äußern. Auf der Internetseite des
Unternehmens heißt es: „Das Wohl der Tiere hat bei uns übergeordneten
Stellenwert.“
Der 1981 gegründete Familienbetrieb bezeichnet sich selbst als bundesweit
zweitgrößter Betrieb im Bereich der Sauenschlachtung. Laut Neue Osnabrücker
Zeitung arbeiteten hier im Sommer 2015 insgesamt 34 Festangestellte und 40
Leiharbeiter aus Rumänien. Das Unternehmen habe die Schlachtkapazitäten auf
2.000 Tiere aufstocken wollen.
„Wenig Mitarbeiter für so viele Sauen“, sagt Angela Dinter, die Referentin
für Schlachtung und Tiertransporte der Tierschutzorganisation „Pro Vieh“.
Der Verein setzt sich seit 1973 für eine artgemäße Nutztierhaltung ein. Die
größte Schwachstelle bei der Elektrobetäubung sei der Betäuber, sagt
Dinter: Bei der Betäubung wird der Kopf der Sau in eine Metallzange
geklemmt. Dann fließt Strom, bis das Tier umfällt. Danach wird in der Regel
ein weiterer Stromstoß auf das Herz abgegeben. Dafür müsse sich der
Mitarbeiter jedoch jedes Mal bücken. „Das ist ein Knochenjob“, so Dinter.
„Nach dem dreißigsten Schwein arbeitet der Betäuber vielleicht weniger
genau.“
Für die Schweine seien die Folgen qualvoll, sagt die Tierschutzexpertin.
„Die sind gar nicht richtig weggetreten.“ Bei Bewusstsein würden sie am
Hinterbein an einer Kette hochgezogen und über ein Förderband zur nächsten
Station gebracht. Dort bekämen sie vom nächsten Mitarbeiter einen Stich in
die Halsschlagader. Anschließend höre das Herz auf, zu schlagen. Hier sieht
Dinter die nächste Schwachstelle.
Wenn die Tiere nicht ausreichend ausbluten, landen sie bei vollem
Bewusstsein in der Brühanlage. Darin sollen die Borsten entfernt werden.
Jedes Jahr passiert das bis zu einem Prozent der Schweine, die in
Deutschland geschlachtet werden – insgesamt sind das bei 60 Millionen
Schlachtungen 600.000 Schweine. Davon jedenfalls geht der Deutsche
Tierschutzbund aus und beruft sich auf eine Studie des
Max-Rubner-Instituts. Seitdem diese Daten bekannt sind, habe sich in der
Branche etwas getan. „Die Gesellschaft nimmt so etwas nicht mehr so leicht
hin“, sagt Tierschutzbund-Sprecher Marius Tünte.
Tönnies, der größte Schlachtbetrieb Deutschlands, hat Personal eingestellt,
um zu überprüfen, ob die Betäubung tatsächlich gewirkt hat. „Bei der
Augenreflexkontrolle greift ein Mitarbeiter dem Tier mit dem Finger ins
Auge“, sagt Unternehmenssprecher André Vielstädte. Zeigt das Tier keinen
Reflex, gilt es als betäubt. Das Gleiche passiert auch nach dem Stich in
die Aorta. Zudem werde das Blut gewogen. Ist es zu wenig, „stoppt
automatisch das Förderband“, sagt Vielstädte.
Tünte hält dieses Vorgehen für richtig, betont aber, dass es auch hier zu
Fehlern kommen kann. Der Grund für die missglückten Betäubungen liege im
System: „Es herrscht großer Preis- und Zeitdruck“, sagt der
Tierschutzbund-Sprecher. Die Mitarbeiter hätten oft nicht die Zeit, um sich
die Tiere einzeln anzuschauen – und weil an Fortbildungen gespart werde,
fehle manchen auch die erforderliche Sachkenntnis, um zu beurteilen, ob die
Dosis bei der Betäubung reiche, so Tünte. In den Schlachtbetrieben gehe es
vor allem um möglichst viel Masse.
21 Mar 2016
## AUTOREN
Andrea Scharpen
## TAGS
Schweinemast
Tierschutz
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Landwirtschaft
Massentierhaltung
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Artgerechte Tierhaltung
Landwirtschaft
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