# taz.de -- Street Art von „Barbara.“ in Dresden: Den Rechten einfach eine … | |
> „Barbara.“ hängt ihre Sprüche-Poster da auf, wo es Aufklärungsbedarf g… | |
> und zu wenig Humor. In Dresden findet sie ideale Voraussetzungen. | |
Bild: „Barbara.“ trifft es auf den Punkt | |
Nein, schreibt sie über Facebook. Nein, wir können uns nicht zum Interview | |
treffen. Also spielen wir das Frage-Antwort-Spiel über das kleine | |
Nachrichtenfenster. Irgendwie passt das. Denn schließlich sehen auch ihre | |
Fans [1][„Barbara.“ nur über Facebook dabei zu], wie sie ihre Poster in die | |
Welt klebt. | |
„Barbara.“ – mit Punkt am Ende – ist ein deutschlandweites | |
Streetart-Phänomen. In vielen deutschen Städten tauchen seit zwei Jahren | |
ihre schwarz-weißen Pappschilder auf. Rund 2.000 könnten es insgesamt sein, | |
schätzt sie. Politischen Aussagen oder Hinweisschildern gibt sie über Nacht | |
durch ihre Kommentare einen neuen Sinn. Dank ihr gibt es irgendwo in | |
Deutschland die Led-Zeppelin-Straße und einen besorgten Burger bei | |
McDonald’s. | |
Besonders Botschaften mit rassistischem oder diskriminierendem Inhalt setzt | |
sie gern etwas entgegen. So hat sie aus einem Anleinplatz für Hunde einen | |
für Nazis gemacht. Unter ein verkehrt herum gemaltes Hakenkreuz in Hamburg | |
schrieb sie: „Arme Wurst aus Altona, maltest diesen Blödsinn da, voller | |
Hass, dazu noch dumm. Hakenkreuz geht andersrum.“ Auf einen | |
AfD-Wahlaufkleber, auf dem „Die AfD wirkt ... und wirkt … und wirkt …“ | |
steht, antwortete sie mit „…bei mir wie Brechmittel.“ | |
Ihre ehrlichen Kommentare auf fragwürdige öffentliche Aussagen kommen gut | |
an. Gut 403.000 Menschen mögen ihre Facebook-Seite, gerade werden es | |
täglich einige Hundert mehr. Neue Bilder, die sie dort veröffentlicht, | |
werden von ihren Fans tausendfach geteilt, geliked und kommentiert. | |
## Wer ist „Barbara.“? | |
Doch niemand von ihnen hat „Barbara.“ je kennengelernt. Niemand weiß, wie | |
sie aussieht, ob sie männlich, weiblich oder mehr als nur eine ist. Sie | |
antwortet auf die Frage, wer sie ist: „Ich bin ein Mensch mit dem Namen | |
Barbara.“ Und warum will sie anonym bleiben? „Ich möchte, dass meine Arbeit | |
unabhängig von meiner Person betrachtet wird. Und mein Privatleben | |
schützen. Außerdem führe ich gern Gespräche mit unterschiedlichsten | |
Menschen, um viele Meinungen und Sichtweisen zu erforschen. Da hat die | |
Anonymität den entscheidenden Vorteil, dass mir die Leute absolut | |
unvoreingenommen begegnen.“ | |
Klar, für die Wirkung ihrer Arbeiten spielt es keine Rolle, wer | |
dahintersteckt. Trotzdem möchte man mehr über sie wissen. Also noch mal | |
nachgefragt: | |
taz: Was kannst du über dich verraten? | |
Barbara.: Also, ich bin jünger als Angela Merkel, aber älter als Justin | |
Bieber. Ich versuche, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen und offen für | |
neue Erfahrungen und Denkweisen zu sein. Ich reflektiere sehr viel, | |
vielleicht zu viel, aber Selbstkritik und Reflexion haben mich bisher immer | |
weitergebracht, auch wenn es manchmal wehtut. | |
Warum hast du dich für Humor als Waffe entschieden? | |
Gewalt und Aggression haben mich schon immer abgeschreckt, ich mochte | |
Gewalt nicht mal in Spielfilmen. Für Humor war ich hingegen immer zu haben. | |
Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass in den hitzigsten Diskussionen | |
oder in gefährlich aggressiven Situationen manchmal ganz einfach die Luft | |
rausgelassen werden kann, wenn man eine kleine Prise Humor hinzufügt. | |
Niemand will jemanden schlagen, über dessen Witz er eben noch schmunzeln | |
musste. Vielleicht sollten sich die Staatsoberhäupter dieser Welt in | |
Zukunft vor jedem Treffen erst mal einen kleinen Witz erzählen, um die | |
Stimmung aufzulockern. | |
Du hast aus einem Verbotsschild „Verbieten verboten!“ gemacht. Findest du, | |
Deutschland ist zu streng? | |
Ich wünsche mir mehr Lockerheit. Viele andere Länder kommen auch ohne diese | |
Flut von Verbotsschildern aus. Auch die omnipräsente Drohung „Eltern haften | |
für ihre Kinder“ ist aus meiner Sicht total daneben und außerdem | |
überflüssig. Eltern wissen auch ohne diese blöde Floskel, dass sie für ihre | |
Kinder haften müssen. Wer potenziellen Eltern an jeder Straßenecke droht, | |
braucht sich nicht zu wundern, dass die Geburtenrate so niedrig ist. | |
Kleben geht „Barbara.“ zu verschiedenen Tageszeiten, am liebsten aber | |
morgens gegen halb zehn. Unter den Werktätigen ist sie unsichtbar. Sie muss | |
sich nicht verkleiden, um unerkannt zu bleiben. | |
So hat sie das auch in Dresden gemacht. Auf der Suche nach ihren Werken, | |
nur ein paar Tage nachdem sie sich durch die Stadt klebte, ist nichts mehr | |
von ihr zu lesen. Nicht mehr am mittlerweile berühmt-berüchtigten | |
Theaterplatz, wo sie an einem Montag ein Schild befestigte, auf dem sie die | |
Freundschaft zu einer Muslimin pries, nicht am Hauptbahnhof und auch nicht | |
in der Neustadt, wo das Schild mit dem Brechmittel hing. | |
## Die Polizei fährt drauf ab | |
Ihre Kunst ist äußerst flüchtig, und „Barbara.“ findet das gut so. „F�… | |
mich ist eine Aktion abgeschlossen, sobald ich meinen Spruch angebracht und | |
mein Erinnerungsfoto davon geschossen hab. Wenn meine Zettel dann nur | |
wenige Tage oder Stunden hängen, dann ist das absolut okay für mich. Ich | |
möchte nicht, dass Städte, in denen ich häufig bin, mit meinen Plakaten | |
zugepflastert sind. Deshalb bringe ich alles so an, dass es rückstandsfrei | |
mit einem Fingerschnippen entfernt werden kann.“ | |
So viel Bescheidenheit kommt bei der Polizei gut an. In Dresden | |
fotografierte ein schwer bewaffneter Einsatzleiter am Hauptbahnhof eines | |
ihrer Poster. Für sein privates Fotoalbum, wie er ihr später über Facebook | |
schrieb. | |
## Nicht so viel Hass | |
„Barbara.“ nutzte die ungewöhnliche Anekdote für eine größere Botschaft. | |
Sie veröffentlichte das Beweisfoto und schrieb dazu, das sei „ein | |
klitzekleines Beispiel dafür, dass es falsch ist, immer alle über einen | |
Kamm zu scheren, und dass eben doch in jeder Uniform ein Mensch steckt. | |
Bestimmt nicht alle Polizisten und Polizistinnen sind richtig dufte Typen, | |
aber das Gegenteil zu behaupten ist eben auch falsch.“ | |
Ein paar Wochen zuvor hatte sie schon unter ein Plakat geschrieben, auf dem | |
„Die ganze Welt hasst die Polizei“ stand: „Die ganze Welt hasst | |
Verallgemeinerungen.“ In letzter Zeit wird „Barbara.“ öfter angeschriebe… | |
sie möge in diese oder jene Stadt kommen und dort ein paar Schilder | |
aufhängen, um auf Missstände hinzuweisen. Über diese Anerkennung ihrer | |
Arbeit freut sie sich sehr. Und sie kommt viel herum. Doch Dresden hat | |
etwas in ihr ausgelöst, das sie nicht mehr loslässt und was, wie sie sagt, | |
dazu führen dürfte, dass sie 2016 öfter nach Ostdeutschland reist. | |
Ich habe das Gefühl, dass im Zuge der Wiedervereinigung vieles falsch | |
gelaufen ist und im Großen und Ganzen auf die Befindlichkeiten der Menschen | |
aus der Ex-DDR viel zu wenig Rücksicht genommen wurde. In weiten Teilen | |
wurde das westliche System einfach über das alte drübergestülpt. Ohne zu | |
untersuchen, ob der Westen vielleicht auch das eine oder andere vom Osten | |
hätte lernen und übernehmen können, nicht nur den grünen Pfeil an der Ampel | |
oder das Sandmännchen. Da waren wohl leider sehr viel Ignoranz und Arroganz | |
mit im Spiel. | |
Was hilft diese Analyse? | |
Ich glaube, dass in der daraus resultierenden Unzufriedenheit auch ein | |
Schlüssel zum Aufbegehren der „besorgten Bürger“ in Dresden liegt. Neben | |
der zu verurteilenden Fremdenfeindlichkeit, die dann doch der Hauptmotor | |
der Bewegung ist. | |
Ich wünsche mir, dass ich diese Gemengelage, von der hauptsächlich rechte | |
Hetzer wie Lutz Bachmann profitieren, differenzierter betrachten kann. Ich | |
will nicht auf eventuell berechtigte Sorgen der Bürger draufhauen und sie | |
damit in eine Ecke drängen, in die manche von denen tatsächlich nicht | |
gehören. Sondern gegen die Fremdenfeindlichkeit und den Rassismus antreten, | |
den ich entschieden ablehne. | |
„Barbara.“ hat in Dresden das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. An einem | |
Ort, an dem die für sie aktuellsten Fragen täglich verhandelt werden. In | |
Heidelberg und Mannheim, wo sie viel Zeit verbringt, habe sie innerhalb von | |
zwei Jahren nicht so viele Menschen gesehen, die sich offen als Rechte zu | |
erkennen gaben, wie in Dresden in dieser einen Woche. Und deshalb bleibt | |
sie im Moment viel lieber in Dresden, als von Heidelberg aus das Geschehen | |
zu kommentieren. | |
19 Mar 2016 | |
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## AUTOREN | |
Juliane Hanka | |
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