# taz.de -- Ermordete Umweltschützerin in Honduras: Die Mörder waren gut info… | |
> Die Aktivistin Berta Cáceres kämpfte in Honduras gegen einen Staudamm und | |
> wurde ermordet. Dass die Täter gefasst werden, ist unwahrscheinlich. | |
Bild: Wer tötete Berta Cáceres? Protest in Tegucigalpa. | |
Die Beerdigung von Berta Cáceres war wie eine Demonstration. Tausende | |
folgten vergangene Woche im honduranischen Städtchen La Esperanza ihrem | |
weißen Sarg. Es war Mittag und drückend heiß unter den Wolken. Angehörige | |
der Volksgruppe Garífuna tanzten zu Rasseln und Trommeln. Immer wieder rief | |
die Menge im Chor: „Gerechtigkeit!“ Während die USA ihren Botschafter und | |
die Europäische Union einen Repräsentanten schickte, blieben honduranische | |
Regierungsvertreter dem Ereignis fern. | |
Berta Cáceres war eine Ikone der Umweltbewegung in Honduras, sie hat | |
Proteste gegen ein Staudammprojekt organisiert. Vergangene Woche wurde sie | |
ermordet. Ihre Tochter macht nun die zuständige Baufirma für den Mord | |
verantwortlich. Sie glaubt, der Konzern habe Auftragskiller losgeschickt, | |
um ihre Mutter zu töten. | |
Wer auch immer es war – es ist unwahrscheinlich,Cáceres’ Mörder finden | |
wird. Die MenschenrechtsorganisationGlobal Witness hat in einer Studie | |
erhoben, wie viele Umweltaktivisten zwischen 2002 und 2014 weltweit | |
ermordet wurden. Allein zwischen 2010 und 2014 zählen sie in Honduras 101 | |
getötete Aktivisten. Inzwischen sind noch einige dazugekommen. Gemessen an | |
der Einwohnerzahl ist das die höchste Rate weltweit. Keiner dieser Morde | |
wurde bisher aufgeklärt. | |
Inzwischen wurde mehr über die Hintergründe der Tat bekannt: Die Mörder | |
waren offenbar gut informiert. Kurz bevor sie in den frühen Morgenstunden | |
des 3. März in das Haus von Berta Cáceres eindrangen, waren deren Kinder | |
abgereist. Olivia, Bertha, Laura und Salvador Cáceres studieren in Mexiko | |
und Argentinien. Sie hatten die Semesterferien bei ihrer Mutter verbracht. | |
Die Mörder wussten offenbar auch, dass die Polizisten, die der Staat auf | |
Anordnung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission zum Schutz der | |
Aktivistin abstellen musste, nicht vor Ort waren. Sie seien nicht über den | |
Aufenthalt ihrer Schutzbefohlenen informiert worden, gab der Innenminister | |
am nächsten Tag bekannt. | |
Was die Täter vermutlich nicht wussten, war, dass Berta Cáceres in der | |
Nacht nicht allein war. Der mexikanische Umweltaktivist Gustavo Castro Soto | |
hatte an einem Forum gegen Kraftwerksbauten teilgenommen. Die beiden hatten | |
beiCáceres’ Mutter zu Abend gegessen und sich anschließend inCáceres’ Ha… | |
schlafen gelegt. Über ihn, den Gast, seien die beiden Täter überrascht | |
gewesen, erzählte Gustavo Castro Soto später. Ein Schuss verletzte ihn am | |
Kopf. Da die Wunde stark blutete, vermutet er, dass die Männer ihn für tot | |
gehalten haben. | |
## Bewaffnetes Sicherheitspersonal | |
Die Polizei handelte rasch: Binnen weniger Stunden nahm sie Aureliano | |
Molina Villanueva fest, ein Führungsmitglied der indigenen Organisation | |
Copinh. Die Organisation gibt an, dass sich Villanueva zur Tatzeit in San | |
Francisco de Lempira befunden habe, einem Ort, der zwei Stunden entfernt | |
liegt. | |
Die Behörden glauben, dass der Mord an der Aktivistin eine interne | |
Abrechnung war. Die Organisation Copinh vermutet dagegen, dass der | |
honduranische Energiekonzern Desa die Aktivistin aus dem Weg schaffen | |
wollte. | |
Am Morgen vor dem Mord haben Anwohner in La Esperanza ein Fahrzeug mit | |
bewaffnetem Sicherheitspersonal des Energiekonzerns beobachtet. Diese | |
Männer haben Berta Cáceres immer wieder bedroht. Die Polizei soll gesagt | |
haben, dass sie nicht für ihre Sicherheit garantieren könne. So steht es in | |
einer Pressemitteilung der Organisation Copinh. | |
Der mexikanische Aktivist Gustavo Castro Soto, der in der Mordnacht bei | |
Berta Cáceres war, berichtet, dass ihm die Polizisten während der | |
stundenlangen Befragung immer wieder Fotos gezeigt haben, auf denen | |
Demonstranten von Copinh zu sehen waren. Er sollte die Mörder | |
identifizieren. Er sei wie ein Verdächtiger und nicht wie ein Zeuge | |
behandelt worden, sagte Castro Soto. | |
Berta Cáceres war trotz der auf ihr lastenden Drohungen immer fröhlich. Man | |
sah ihr die 43 Jahre und die vier erwachsenen Kinder nicht an. Sie wirkte | |
zart, fast wie ein Mädchen. | |
Die Aktivistin vom indigenen Volk der Lenca war 1993 an der Gründung von | |
Copinh beteiligt. In diesem Dachverband sind die wichtigsten | |
Indigenenvertretungen organisiert. International bekannt wurde Berta | |
Cáceres durch ihr Engagement für die Umwelt. | |
## Die Hüter der Flüsse | |
Projekte großer Konzerne zerstören den Lebensraum der Indigenen oft. Der | |
Staudamm Agua Zarca, der am Río Gualcarque entstehen soll, bedroht die | |
Lenca-Gemeinde La Tejera, die in unmittelbarer Nähe zur Baustelle liegt. | |
Die Felder, auf denen Bananen, Maniok und Gemüse angebaut werden, liegen am | |
Flussufer. Der Fluss dient zur Bewässerung, zum Fischfang und zum Baden. | |
Außerdem hat er für die Lenca spirituelle Bedeutung. | |
Für den Staudamm des Energiekonzerns Desa wurde der Río Gualcarque und | |
seine Nebenflüsse für die Dauer von zwanzig Jahren privatisiert. | |
„In unseren Weltanschauungen sind wir Wesen, die aus der Erde, dem Wasser | |
und dem Mais entstanden sind“, sagte Berta Cáceres, als sie am 20. April | |
2015 in San Francisco den renommierten Goldman-Preis für ihr Engagement | |
gegen Umweltzerstörung entgegennahm. „Als Lenca sind wir seit Generationen | |
Hüter der Flüsse.“ | |
Die indianische Kultur, das ist die Maya-Ruinenstadt Copán. So lernte es | |
Berta Cáceres noch in der Schule. „Es hieß, die Indigenen heute hätten | |
keine Kultur, keine Spiritualität. Einem Indio darf man nicht über den Weg | |
trauen“, sagte sie bei einem Treffen vor vier Jahren, als sie Wien | |
besuchte. Die traditionelle Medizin und die Bepflanzung der Felder, die die | |
Lenca über Generationen gepflegt hatten, seien verdrängt worden, erzählt | |
sie. Zeremonien und der Gebrauch der Sprache waren lange Zeit verboten. | |
Deshalb hat sie sich dafür eingesetzt, dass die Indigenen sich | |
organisieren. „Die Spiritualität ist wieder da“, sagte Berta Cáceres | |
damals. | |
## Staat und Wirtschaft eng verflochten | |
Der Kampf für die Rechte der Indigenen hat Berta Cáceres immer wieder Ärger | |
mit der honduranischen Regierung eingebracht. 2013 blockierte die | |
Organisation Copinh die Zufahrtsstraße zur Baustelle von Agua Zarca. Berta | |
Cáceres und zwei weitere Aktivisten, Tomás García und Aureliano Molina | |
Villanueva, wurden festgenommen und des illegalen Waffenbesitzes | |
beschuldigt. | |
Der Konzern Desa wollte die drei außerdem für Schäden in Höhe von 2,4 | |
Millionen Euro verantwortlich machen, die durch die Blockade entstanden | |
sein sollen. Schließlich musste die Staatsanwaltschaft mangels Beweisen das | |
Verfahren einstellen. Tomás García wurde wenig später vom Militär aus | |
nächster Nähe erschossen, als er eine Demonstration gegen den Staudamm | |
anführte. Die Justiz hakte das Verbrechen schnell als Fall von Notwehr ab. | |
Seit dem Putsch von 2009 steht die Umweltbewegung in Honduras unter | |
verstärktem Druck. Der linksliberale Präsident Manuel Zelaya war damals von | |
Militärs nach Costa Rica verfrachtet worden. Die Macht übernahm die | |
alteingesessene Oligarchie. Zu den ersten Taten der Putschisten zählte die | |
Genehmigung von 47 Projekten, die auf Eis lagen, darunter der Staudamm Agua | |
Zarca. Formal ist Honduras inzwischen zur Demokratie zurückgekehrt. Doch | |
der 2013 gewählte Präsident Juan Orlando Hernández setzt die Politik der | |
Putschisten fort. | |
Staat und Privatwirtschaft sind in Honduras eng verflochten. Der Chef des | |
Energiekonzerns Desa, David Castillo, war drei Jahre lang Assistent des | |
honduranischen Militärgeheimdienstes, bevor er zum technischen Direktor der | |
staatlichen Energieagentur Enee ernannt wurde. 2010 wechselte er zu Desa. | |
Nachdem der Aktivist Tomás García erschossen worden war, zog sich der | |
chinesische Investor Sinohydro aus dem Staudammprojekt zurück. Der Konzern | |
Desa musste den Bau auch wegen der anhaltenden Straßenblockade | |
unterbrechen. Im Oktober 2015 wurden die Arbeiten einige Kilometer entfernt | |
wiederaufgenommen. Ein Großgrundbesitzer ermöglicht dort den Zugang zum | |
Fluss. | |
Der Staudamm soll nicht mehr auf dem Gebiet der indigenen Gemeinde | |
entstehen, aber die Umleitung des Flusses würde das Leben dort genauso | |
unmöglich machen. Copinh appelliert deshalb an mehrere transnationale | |
Konzerne – darunter Siemens –, ihre Beteiligung am Projekt einzustellen. | |
Auch Berta Cáceres hatte sich das immer wieder gewünscht. | |
14 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
Honduras | |
Staudamm | |
Indigene | |
Umweltschutz | |
Umweltschutz | |
Honduras | |
Honduras | |
Honduras | |
Bergbau | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bericht zur Tötung von Umweltschützern: Einsatz mit dem Tod bezahlt | |
Wer das Recht auf eine intakte Umwelt verteidigt, lebt mitunter gefährlich. | |
2016 kamen weltweit mindestens 200 Öko-AktivistInnen gewaltsam ums Leben. | |
Ermordete Umweltschützerin in Honduras: Lieferungen vorerst eingestellt | |
Im Mordfall Cáceres hat eine erste Firma Konsequenzen gezogen. Zuvor | |
forderten Oxfam und die Initiative Gegenströmung die Unternehmen zum | |
Handeln auf. | |
Mord an Umweltaktivistin in Honduras: Festnahmen bei „Operation Jaguar“ | |
Im Mordfall Berta Cáceres hat die Polizei vier Männer verhaftet. Die | |
Aktivistin war vor Kurzem in ihrem Haus erschossen worden. | |
Mord an honduranischer Aktivistin: „Ihre Waffe war die Stimme“ | |
Berta Cáceres engagierte sich gegen ein Staudammprojekt in Honduras. Ihr | |
Engagement musste sie nun mit dem Leben bezahlen. | |
Bericht über getötete Naturschützer: Ein gefährliches Engagement | |
Traurige Spitzenreiter sind süd- und zentralamerikanische Staaten: 116 | |
getötete Aktivisten zählt die Organisation Global Witness im Jahr 2013. |