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# taz.de -- Kritik an Mediziner-Promotionen: Diss zweiter Klasse
> Verteidigungsministerin von der Leyen darf ihren Doktortitel behalten.
> Aber wie sinnvoll sind medizinische Doktorarbeiten generell?
Bild: Der Herr Doktor. Aber braucht man wirklich einen Titel, um eine guter Arz…
Berlin taz | Für die Verteidigungsministerin ist das Thema abgehakt. Die
Medizinische Hochschule Hannover hat entschieden, dass sie ihren
Doktortitel trotz Plagiaten behalten darf. Selbst die Plagiatsforscherin
Debora Weber-Wulff, deren Recherchen unter anderem dazu beitrugen, dass
Exverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) oder
Exwissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU) als enttarnte Plagiatoren
zurücktreten mussten, zweifelt die Entscheidung der Medizinischen
Hochschule nicht an. „Ob Doktorgrade aberkannt werden oder nicht,
entscheidet die jeweilige Hochschule. Da kann es keine einheitlichen
Standards geben“, sagte sie der taz.
Zweifel hegt Weber-Wulff jedoch daran, wie zeitgemäß medizinische
Doktortitel generell sind. In der Medizin werde schnell promoviert, oft
begleitend zum Studium, und die Betreuung sei häufig nicht sehr gut. „ Ich
bin dafür, den Dr. med. einfach abzuschaffen“, meint Weber-Wulff.
Stattdessen sollte es wie in den USA ein Berufsdoktorat geben. „Wer
forschen will, sollte nach dem Studium ein PhD, ein Doktorandenstudium,
absolvieren.“ Auf VroniPlag Wiki, wo die Plagiatssucher alle sezierten
Doktorarbeiten veröffentlichen, sind 100 der 166 dokumentierten Fälle
Dissertationen im medizinischen Bereich.
Tatsächlich gilt die medizinische Promotion als Sonderfall. Von 25.000
abgeschlossenen Promotionen entfielen im Jahr 2009 allein 30 Prozent auf
den Humanmedizinischen Bereich. Der Wissenschaftsrat, der die Regierungen
von Bund und Ländern berät, hatte die Promotionspraxis in der Medizin
wiederholt kritisiert und bereits 2011 angekündigt, Vorschläge zur Qualität
medizinischer Promotionen und zu einem berufsbefähigenden Titel zu
unterbreiten. Das Thema stehe nach wie vor auf der Agenda, sei aber nicht
abgearbeitet, teilte die Geschäftsstelle auf Anfrage mit.
Auch die Hochschulrektorenkonferenz, HRK, grübelt darüber nach, „wie man
flächendeckend sicherstellt, dass in der Medizin wissenschaftlich
anspruchsvolle Promotionen erstellt werden“. Das teilte die Vizepräsidentin
der HRK für Hochschulmedizin, Eleonore Weber, der dpa mit. „Dies könnte
unter anderem dadurch erreicht werden, dass die medizinische Promotion
strukturierter abläuft. Auch sollte die Auswahl der Promovendinnen und
Promovenden gezielter erfolgen und ihre Einbeziehung in Forschungsprojekte
sichergestellt sein.“ Derzeit befasse sich eine Arbeitsgruppe der HRK mit
diesen Fragen, sei aber noch zu keinem Ergebnis gekommen.
## Zu viele Doktorarbeiten?
Wie viele Menschen derzeit an ihrer Doktorarbeit werkeln, ist nicht
bekannt. Schätzungen gehen von 200.000 Promovierenden aus. „Mein Eindruck
ist, dass in Deutschland ein bisschen zuviel promoviert wird“, meint
darüber hinaus Emanuel Towfigh, der der Jungen Akademie des
wissenschaftlichen Nachwuchses angehört und Sprecher der AG
Wissenschaftpolitik ist. „Es wäre sicher gut, wenn an den Universitäten
weniger promoviert würde, aber die Doktoranden dafür besser betreut
würden.“
Ein Doktortitel ist in Deutschland eben nicht nur Ausweis von
wissenschaftlichem Interesse, sondern eine Art postmonarchischer
Adelstitel. Die Grünen hatten 2011 vorgeschlagen, den Doktortitel, egal in
welchem Fach erworben, gänzlich aus den Personalausweisen zu streichen. Der
Antrag war an der parlamentarischen Mehrheit von Union und FDP gescheitert.
Weber-Wulff hält das Anliegen für richtig. „Der Doktortitel gehört in die
Hochschule und nicht ans Türschild.“
11 Mar 2016
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Plagiat
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Medizin
Doktortitel
Promotion
Medizin
Ursula von der Leyen
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