# taz.de -- Streik in Argentinien: Proteste gegen Entlassungswelle | |
> In Argentinien wird landesweit gegen Entlassungen demonstriert. Viele | |
> Beschäftige im öffentlichen Dienst legten ihre Arbeit nieder. | |
Bild: Demo gegen die Massenentlassungen in Buenos Aires. | |
BUENOS AIRES taz | Rund 50.000 Menschen demonstrierten nach Polizeiangaben | |
vor dem Präsidentenpalast in Buenos Aires auf der Plaza de Mayo. Die | |
Arbeitsniederlegungen in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben | |
hingegen fiel durchwachsen aus. Die staatliche Angestelltengewerkschaft | |
Asociación Trabajadores del Estado (ATE) hatte für Mittwoch zu einem | |
Streiktag gegen die Entlassungswelle im öffentlichen Dienst aufgerufen. | |
Tausende von Beschäftigten haben bereits ihre Entlassungsschreiben | |
erhalten. „Es ist beklemmend, wenn wir es nicht schaffen, die Entlassung | |
einen Kollegen zu verhindern“, sagte ATE-Generalsekretär Hugo Godoy. Nach | |
Angaben der Gewerkschaft wurden bisher 21.000 Beschäftigte entlassen, davon | |
8.000 beim Staat und 13.000 in den Provinzen und Kommunen. Bisher konnte | |
lediglich erreicht werden, dass die Entlassungen von rund 5.000 | |
Beschäftigten in den Provinzen und Kommunen rückgängig wurden. | |
Lange hatte die ATE mit ihrem Aufruf allein dagestanden. Schließlich | |
schlossen sich einige LehrerInnengewerkschaften und kleinere Gewerkschaften | |
dem Aufruf an, darunter die alternative Central de Trabajadores de la | |
Argentina (CTA). Die mächtigen Industrie- und Transportgewerkschaften | |
ignorierten den Aufruf. Bisher hat die Regierung 6.200 Entlassungen aus den | |
Staatsdienst bestätigt und noch am Tag vor dem Protesttag nachgelegt: Zu | |
den bereits Entlassenen könnten in den kommenden Wochen noch bis zu 25.000 | |
hinzukommen, verkündete Modernisierungsminister Andrés Ibarra. | |
„Wir dürfen uns jetzt nicht einschüchtern lassen“, sagte Gustavo Romero am | |
Mittwochmorgen auf dem Weg zu einem Treffen mit seinen KollegInnen aus dem | |
Justizministerium. Knapp 500 Ministeriumsmitarbeitern wurden bisher die | |
Entlassungsschreiben zugeschickt, berichtete der 48-Jährige. Zumindest bei | |
einem Teil konnte der Rausschmiss bisher verhindert werden. | |
„Die Angst geht um, viele Kollegen sind auf Weg zur Arbeit, statt zur | |
Kundgebung zu kommen“, sagte Romero. So auch Alejandra Navarro, eine | |
40-jährige Angestellte des Erziehungsministeriums. Auch wenn in ihren | |
Ministerium noch niemand entlassen wurde, sei es schlicht die Angst vor dem | |
Rauswurf, die sie vom Marsch zur Plaza de Mayo abhalte, sagte sie. „Seit | |
2009 wird mein Vertrag jährlich verlängert, zuletzt im November.“ Aber | |
jetzt stehe ihre Anstellung auf dem Prüfstand, da sei es besser, heute | |
nicht zu fehlen. | |
## Die Angst geht um | |
Der rechtskonservative Präsident Mauricio Macri hatte Ende Dezember die | |
Überprüfung aller Staatsangestellten per Dekret angeordnet, egal ob zur | |
Kernbelegschaft gehörend oder mit Zeitverträgen ausgestattet. Bei der | |
Kernbelegschaft geht es dabei angeblich um die Suche nach | |
Unregelmäßigkeiten bei den Einstellungsverfahren und Scheineinstellungen | |
der Vorgängerregierung. Seither geht in Argentiniens öffentlichem Dienst | |
die Angst um. | |
Die vor 2013 abgeschlossen Zeitverträge hingegen wurden wie bisher üblich | |
um ein Jahr verlängert. Eine abermalige Verlängerung ist offen. | |
Zeitverträge, die ab 2013 geschlossen wurden, wurden bereits jetzt schon um | |
nur drei Monate, bis zum 31. März verlängert. Wer fliegt oder bleibt, | |
bestimmt der zuständige Abteilungsleiter. Ende März könnte es zu einer | |
weiteren Entlassungswelle kommen. Macris Politik zielt auf einen | |
schlankeren Staat ab. | |
Wie viele Beschäftigte landesweit bisher tatsächlich entlassen wurden, ist | |
nicht bekannt. „Wir gehen von 50.000 Entlassungen und drohenden | |
Entlassungen im öffentlichen und privaten Sektor aus“, sagte Luis Campos, | |
Koordinator des Observatoriums der sozialen Rechte der CTA. Die | |
Stoßrichtung sei eindeutig: „Man entlässt einige Tausend und schürt so die | |
Angst vor weiteren Entlassungen.“ Der Widerstand der Arbeitnehmer gegen die | |
ökonomische Anpassungs- und Einsparpolitik der Regierung solle geschwächt | |
werden, dem öffentlichen Dienst komme dabei die Vorreiterrolle zu. | |
## Entlassungsschock ausgelöst | |
Zwar habe es die prekären Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst schon | |
seit Langem auch unter der Vorgängerregierung gegeben, aber Macri habe in | |
seinen ersten vier Regierungswochen einen regelrechten Entlassungsschock | |
ausgelöst. „Das ist der qualitative Unterschied zwischen der Regierung von | |
Cristina Kirchner und Macri“, sagte Campos. | |
Während so Argentiniens ArbeitnehmerInnen bei den anstehenden | |
Tarifverhandlungen auf mäßige Lohnforderungen getrimmt werden, wurde der | |
Agroindustrie zügig die Senkung und Streichung der Exportsteuern auf | |
Fleisch, Getreide- und Ölsaatenausfuhren bewilligt. Außerdem wurde vor | |
wenigen Tagen die komplette Ausfuhrsteuer für Erze und Metalle aus den | |
Megaminen gestrichen. | |
Rechtzeitig vor dem Streiktag hatte die Regierung die Polizei um Umgang mit | |
Sozialprotesten neu in Stellung gebracht. Zukünftig werden Straßenblockaden | |
als Protestform nicht mehr geduldet. „Wer nach fünf Minuten die Straße | |
nicht freimacht, wird geräumt“, kommentierte Sicherheitsministerin Patricia | |
Bullrich die neue Sicherheitsverordnung. Der Mittwoch verlief jedoch | |
friedlich, die Polizei hielt sich im Hintergrund. | |
25 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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