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# taz.de -- Doku über Neonazi-Terror im SWR: Beklemmende Bilanz
> Das Wort „Terror“ wurde für rechte Gewalt lange vermieden – bis der NSU
> aufflog. Der SWR beleuchtet, was Behörden daraus gelernt haben.
Bild: In Baden-Württemberg brennt im August 2015 ein leerstehendes Haus, das a…
„Knapp die Hälfte der Deutschen hat Angst vor Flüchtlingen. Wie viele
Flüchtlinge Angst vor Deutschen haben, hat bisher niemand gefragt“ – so
lautet eine prägnante Passage der vom SWR produzierten Webdoku „Terror von
rechts“. Das [1][Online-Angebot] dient als Ergänzung zu Thomas Reutters
gleichnamiger TV-Dokumentation.
Auch Flüchtlinge, die bisher keine Angst hatten, werden wohl welche
bekommen, wenn sie den Film gesehen haben, der am Montagabend in einer
45-minütigen Fassung im Ersten Programm der ARD lief und den das SWR
Fernsehen heute in einer einstündigen XL-Version zeigt.
Autor Reutter geht in seinem Film (Untertitel: „Die neue Bedrohung“) der
Frage nach, was die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte aus der
Aufdeckung der Mordtaten des NSU gelernt haben. Die beklemmende Bilanz
lautet: Sie haben zumindest nicht genug gelernt. Oder nicht lernen wollen.
Reutter greift verschiedene Gerichtsverfahren auf, die illustrieren, dass
der Rechtsextremismus immer noch verharmlost wird. Die Nachsicht, die
Gerichte bei vermeintlichen „Waffennarren“ und „Suffköppen“ aus dem
Neonazi-Milieu walten lassen, ist jedenfalls nicht gering. Eines der
eindrücklichsten Beispiele, die Reutter liefert, ist der Fall des
Rechtsextremisten Silvio W., verhandelt 2013 vor dem Amtsgericht
Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) – kurz nachdem er im Verfassungsschutzbericht
2012 als „bekannter Rechtsextremist“ bezeichnet worden war.
## 1,5 Kilogramm TNT
In dem Verfahren geht es um Bombenmaterial, das man bei W. gefunden hatte:
jeweils 1,5 Kilogramm TNT und Schwarzpulver, außerdem Sprengkapseln. Das
Horten der Bombenbestandteile brachte ihm eine Strafe von gerade mal 1.500
Euro ein. Auch Emily Haber, eine von Reutter interviewte Staatssekretärin
aus dem Innenministerium, kann das nicht verstehen.
Wie leicht es ist, Sprengstoff zu bekommen, zeigt der Film anhand von
verdeckten Recherchen in Polen. Ein SWR-Informant wird dort bei einem
Gardinenhändler fündig. Gefahr für die öffentliche Sicherheit geht aber
nicht nur von Rechtsextremisten aus, die Sprengstoff gehortet haben.
Schließlich sind 400 Rechtsextremisten hierzulande ganz legal im Besitz
einer Waffe, wie Reutter weiß.
Der Autor war in den letzten Monaten zudem unterwegs, um aufzuzeigen, dass
einige Rechtsterroristen nach der Entlassung aus der Haft mittlerweile bei
Demonstrationen gegen Flüchtlinge mitmischen. „Mögen Sie wieder Terrorist
werden?“, fragt Reutter den Neonazi Karl-Heinz Statzberger am Rande einer
Demonstration in Wunsiedel.
Und von dessen Gesinnungsgenossen Tony Gentsch will Reutter wissen: „Herr
Gentsch, wie viele Asylbewerberheime werden 2016 brennen?“ Die Befragten
sagen darauf gar nichts, sie sparen sich sogar die üblichen Beschimpfungen
gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Dass die Extremisten geantwortet
hätten, wenn die Fragen ausgefeilter formuliert gewesen wären, kann man
allerdings bezweifeln.
Trotz Reutters großer Rechercheleistung: Die filmische Umsetzung lässt
teilweise zu wünschen übrig. In inszenierten Schwarz-Weiß-Sequenzen lässt
der Autor Taten und Tatplanungen rekonstruieren. Der Anteil dieser Passagen
ist zu hoch.
Ob sich in der von Reutter kritisierten Rechtsprechung etwas tut, kann man
in der kommenden Woche überprüfen. Für den 17. März ist das Urteil zu einem
auch von Reutter aufgegriffenen Molotowcocktailanschlag auf eine
Asylbewerberunterkunft im niedersächsischen Salzhemmendorf angekündigt. Die
Angeklagten haben zwar gestanden, aber ihre Argumentation klingt allzu
vertraut: Sie hätten nicht aus Fremdenhass gehandelt. Der Grund für die Tat
sei übermäßiger Alkoholkonsum gewesen.
9 Mar 2016
## LINKS
[1] http://www.terror-von-rechts.de
## AUTOREN
René Martens
## TAGS
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rechter Terror
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NPD
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Baden-Württemberg
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