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# taz.de -- Neue Late-Night-Show „Studio Amani“: Marx, Make-up und Migration
> Vor drei Jahren kannte sie kaum einer, heute zählt Enissa Amani zu den
> spannendsten deutschen Comedians – und startet ihre eigene Show.
Bild: Hat aktuell gut lachen: Enissa Amani.
Ein bisschen verdutzt wirkt Enissa Amani immer noch, dass nun ihre eigene
Show „Studio Amani“ wöchentlich auf den Bildschirmen laufen wird: „Das
Allerwichtigste ist, dass mir jeden Montag einer eine Schelle gibt, dass
ich mir so richtig bewusst werde, was da gerade passiert.“
Tatsächlich dürfte die bisherige Karriere der 32-jährigen Comedian für
alle, die auf Cinderella-Storys stehen, zur neuen Lieblingserzählung
werden. Im Sommer 2013 tritt sie erstmals in einem Café auf. Sie schickt
eine Aufnahme ans Fernsehen und ist nur kurze Zeit später in der Comedyshow
„Nightwash“ zu Gast. Amani arbeitet gerade auf dem Weihnachtsmarkt, als sie
zu „TV Total“ eingeladen wird. Ihrem ersten Auftritt bei Stefan Raab folgen
weitere, die Sendung wird zu ihrem Sprungbrett.
Man kann es Ironie des Schicksals nennen oder folgerichtig, dass Amani nun
einen der verwaisten Raab-Sendeplätze übernimmt – montags um 23.15 Uhr.
„Studio Amani“ soll eine Mischung aus tagesaktuellem Kommentar,
Stand-up-Comedy und Talkshow für die Altersgruppe zwischen 20 und 49
werden. Das klingt im ersten Moment nach einer Fortsetzung des Bewährten
mit neuem Personal.
Doch Amani ist clever genug, sich nicht als Nachfolgerin des einstigen
ProSieben-Aushängeschildes zu sehen. „Studio Amani“ sei bereits länger
geplant gewesen, als der Abgang von Raab bekannt war, sagt sie. Zudem habe
die Sendung eine ganz andere Farbe als Stefan Raab und „TV Total“: „Ich b…
eine Frau mit Migrationshintergrund. Mich bewegen andere Themen.“
## Linkes Elternhaus und QVC-Moderationen
Es sind vor allem die vermeintlichen Widersprüche, die den Menschen Enissa
Amani und ihr Bühnenimage ausmachen: Sie ist mit Nietzsche und Marx
aufgewachsen und hat Kleidung beim Shoppingsender QVC präsentiert. Sie
spricht über Frauenrechte im Iran und macht sich im nächsten Moment über
Hasskommentare bei Facebook lustig.
Amani stammt aus einem linken Elternhaus, das Politische wird ihr quasi in
die Wiege gelegt. Ihr Vorname ist an Inessa Armand angelehnt, eine
russisch-französische Kommunistin, die die Geliebte Lenins war. Amanis
Mutter ist Ärztin, ihr Vater Professor für Literatur und Philosophie. Wegen
seiner kommunistischen Überzeugung sitzt er im Iran vier Jahre in einem
Gefängnis. Anschließend flieht die Familie mit der gerade einjährigen
Enissa nach Frankfurt am Main.
Enissa Amani wächst mit den Büchern ihres Vaters auf. Sie entwickelt selbst
eine Begeisterung für Texte und will nach abgeschlossener
Jura-Zwischenprüfung eigentlich Literatur studieren. Dann kommt der
Comedy-Erfolg. Ihre Kindheit und die Erziehung ihrer Eltern sind heute
fester Bestandteil ihrer Programme, natürlich leicht überdreht. Ihr Vater,
erzählt sie auf der Bühne, habe ihr nicht aus „Benjamin Blümchen“, sonde…
höchstens aus dem „Kommunistischen Manifest“ vorgelesen. Und gegen ihre
feministische Mutter wirke Alice Schwarzer wie das It-Girl Gina-Lisa
Lohfink.
Ihre Anekdoten erzählt Amani mit extrem quäkiger Stimme. Das Organ von
Heidi Klum klinge dagegen wie ein Nebelhorn, sagt sie selbst. Auch
bemerkenswert ist ihr Erscheinungsbild: Die langen braunen Haare fallen ihr
lockig geföhnt über die Schultern. Sie trägt oft bunte, figurbetonte
Kleider, dazu High-Heels oder Overknee-Stiefel. All das könnte egal sein,
aber Amani thematisiert es selbst offensiv, bezeichnet sich ironisch als
„Vollblut-Tussi“. Sie hat Miss-Wahlen gewonnen und spricht offen über ihre
Nasen-OP.
Enissa Amani liebt es, mit den Klischees zu spielen. Auf der Bühne nimmt
sie die Vorliebe von Perserinnen für Make-up und Schönheitsoperationen auf
die Schippe und lobt gleichzeitig deren offenen Umgang damit. Hierzulande
seien die Menschen da verklemmter. „Ich glaube, dass wir in Deutschland
einfach eher natürlicher, praktischer und sportlicher unterwegs sind.
Dadurch fällt hier eine Frau, die sich stärker schminkt und hohe Schuhe
trägt, sofort aus dem Rahmen.“
Dass sie dann auch noch die Flüchtlingsfrage kommentiert und sich über die
Reime auf Wahlplakaten rechtsextremer Parteien lustig macht, verschafft
Amani einen Überraschungseffekt. Als clevere und gleichzeitig gut
aussehende Frau hat sie eine Nische in der Unterhaltungsbranche gefunden,
die bislang äußerst spärlich besetzt war. Das hilft dem Karrierestart
natürlich enorm.
## Zwischen Comedy und Kabarett
Es freue sie schon, sagt Amani, wenn jemand sagt, sie sei wunderschön, aber
auch klug. „Andererseits überlese ich da auch nicht diesen leichten
Chauvinismus zu sagen, dass das überhaupt ein Widerspruch sein muss.“ Bei
Männern wäre das nicht so ein großes Thema, vermutet sie.
Amanis Vielseitigkeit lässt sie im Universum der Comedy zwischen zwei
Welten wandeln, die oft nur schwer vereinbar scheinen. Sie tritt sowohl in
Kabarettsendungen wie „Mitternachtsspitzen“ auf als auch in der Sendung von
Comedian Bülent Ceylan. Sie war für den renommierten Kabarettpreis Prix
Pantheon nominiert und hat 2015 den Deutschen Comedypreis als Beste
Newcomerin gewonnen.
Geht es nach Amani, dann soll es diesen Spagat zwischen politischem
Kommentar und leicht bekömmlicher Komik auch in den vorerst acht Folgen von
„Studio Amani“ zu sehen geben. „Mein Traum ist, wenn ich da einen Richard
David Precht sitzen habe und daneben den Rapper Haftbefehl und wir zu dritt
diskutieren.“ In jedem Fall wolle sie Haltung beziehen und kein
diplomatisches Süppchen kochen.
7 Mar 2016
## AUTOREN
Ronny Müller
## TAGS
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