# taz.de -- Andreas Fux über Aktfotografie: „Ein bisschen Berlin-Style in Mo… | |
> Der Künstler Andreas Fux stellt Aktfotos in der Berliner Galerie | |
> „cubus-m“ aus. Aalglatte Menschen, sagt er, fotografiert er nicht. | |
Bild: Nackt gern, Models lieber nicht. | |
taz: Herr Fux, wie ist es, nackte Menschen zu fotografieren? | |
Andreas Fux: Was kann es Schöneres geben als jemanden, der sich dir und | |
deiner Kamera ausliefert? In meinem privaten, intimen Studio im Prenzlauer | |
Berg ist es meine Kunst, die den Ort mit den Models zum Leben erweckt. | |
[1][Menschen, die ich fotografiere], gehören mir. Ich muss aber damit | |
leben, wenn jemand sagt: „Die Bilder habe ich zwar freiwillig gemacht, aber | |
vor dem Ergebnis habe ich Angst.“ Das ist auch schon passiert. | |
In der Galerie [2][cubus-m] kann man derzeit eine interessante Mischung | |
Ihrer Fotografien sehen: Aufnahmen vom Meer, Porträts und Aktfotos. Wie | |
kommt man zur Aktfotografie? | |
1988 wollte die in der DDR beliebte und für ihre erotische Fotografie | |
bekannte Zeitschrift Das Magazin unbedingt ein Aktfoto von einem nackten | |
Mann haben, weil es damals nur Aktfotos von Frauen gab. Um den Männerakt zu | |
produzieren, habe ich damals drei Rollfilme aus der Westproduktion | |
bekommen, damit ich ein Farbfoto machen kann. Das erste Foto war so | |
erfolgreich, dass ich noch einen Auftrag für zwei weitere Aktfotos mit | |
Männern bekam. | |
Die Fotos, die jetzt in Tiergarten zu sehen sind, wurden bereits einen | |
Monat lang in Moskau ausgestellt. Sie konnten nur über einen Umweg dort | |
hingebracht werden. Warum? | |
Weil ich mich als Künstler hätte bewerben müssen und die Fotoarbeiten | |
einreichen. Der russische Zoll hätte auch was mitzureden gehabt. Das wäre | |
ein sehr großer Aufwand gewesen – dafür war das Zeitfenster zu klein. Die | |
Bilder sind über einen Umweg via Zürich nach Moskau gekommen. In einem | |
Koffer, der nicht kontrolliert wurde, ich selbst bin als Tourist | |
eingereist. | |
Den Koffer haben Sie per Post geschickt? | |
Der Koffer ist über einen Boten von Berlin nach Konstanz geschickt worden. | |
In Konstanz wurde er von einem Züricher Galeristen abgeholt. Dieser hat die | |
Fotorolle und den Koffer mit in Zürich an einen russischen Galeristen | |
übergeben, der damit nach Moskau flog. | |
Wie sind Sie zu dem russischen Ausstellungsnamen – „Scham und Schönheit“ | |
gekommen? | |
Der Titel ist für die Ausstellung in Moskau entstanden. Ich hätte den viel | |
provokativeren Titel „Liebesgrüße aus Berlin“ genommen, aber der Galerist | |
in Moskau war zurückhaltend und meinte, wir müssten die Hunde nicht noch | |
rufen, wenn sie kommen wollen. Das hat mich an die DDR-Zeit erinnert, als | |
man zwischen den Zeilen las. | |
Warum Moskau? | |
Bei einer Fotovernissage 2013 in Paris habe ich einen Moskauer Künstler | |
kennengelernt. So planten wir die Ausstellung 2015 in Moskau. Ich habe mir | |
die Galerie wie die Underground-Galerien in Ostberlin zur Wendezeit | |
vorgestellt. | |
War es wie eine Underground-Galerie in Ostberlin? | |
Die Galerie lag auf einem Hinterhof, mit gesicherten Zugängen. Vergilbte | |
Raufasertapete war an den Wänden. Als Berliner will man natürlich nicht so | |
ausstellen. Ich habe den Galeristen überredet, dass wir die ganzen Tapeten | |
runterholen und umarbeiten. Das haben wir an einem Abend gemacht: auch die | |
Galerie mit anderen Lampen bestückt, damit das Licht spannender wird – ein | |
bisschen Berlin Style. | |
In der Zwischenzeit bahnte sich jedoch ein anderes Drama an. Die Bilder | |
wurden nicht ganz unbeschädigt aufgehängt. | |
Leider gab es in der Galerie einen kleinen Jack-Russell-Terrier namens | |
Martin. Der hat auf die eingepackten Fotos gepinkelt. Ich war sprachlos. | |
Was passierte dann? | |
Die 19 Bilder waren alle mit Seidenpapier abgedeckt und jedes Foto mit | |
diesem bepinkelten Seidenpapier vollgesaugt. Das passierte einen Tag vor | |
der Eröffnung. Meine zwei Galeristen haben sich hingesetzt und das | |
Seidenpapier abgezogen. So hingen die Bilder in Moskau und so hängen sie | |
jetzt in Berlin. Es gibt in der Galerie cubus-m auch einen kleinen | |
Fernseher, der den ersten Aufbautag zeigt, als das Drama erkannt wurde. | |
Zwischen den Porträtfotos und den Aktfotos finden sich auch Meeresfotos, | |
wie passt das zusammen? | |
Ich habe 2001 eine Schifffahrt mit einem Segelschiff aus der Ukraine | |
gemacht. Ich sollte eigentlich eine Reportage fotografieren. Als | |
Stadtmensch fand ich die Horizonte der Nordsee so beeindruckend, dass ich | |
jeden Morgen und Abend eine Aufnahme gemacht habe. | |
Sie haben selber auch Tattoos, haben Sie deshalb so großes Interesse an | |
tätowierten Menschen? | |
Das Thema Tattoo hat sich irgendwie über mich gelegt. Der Tattoo-Laden | |
„Blut und Eisen“ war fünf Jahre lang ein Katalysator für meine Fotoarbeit. | |
1988 hat ein Freund angefangen, mich zu tätowieren – ein kläglicher | |
Versuch. Ich war trotzdem stolz darauf. Mein letztes Tattoo habe ich 2001 | |
gemacht. Für mich ist das Thema durch. | |
Mit der Fotografie sind Sie aber noch nicht durch? | |
Keinesfalls, ich habe im vergangenen Jahr die Serie „Im letzten Viertel der | |
Nacht“ angefangen. Sie hängt in cubus-m in einem dunklen Raum. Das ist eine | |
Antwort auf digitale Fotografie, bei der alles glatt gebügelt wird. Ich | |
will nur noch analoge Fotografie machen, bei der ich Fehler in Kauf nehme. | |
Auch Ihre Fotomodelle sind keine perfekten Models. Wie suchen Sie sich Ihre | |
Models aus? | |
Mich interessieren keine aalglatten Menschen, sondern solche, an denen mein | |
Auge hängen bleibt. Das kann jeder sein: Hauptsache man ist auf der Suche | |
nach Identität, Körper und Zugehörigkeit. | |
Was heißt das – Identität? | |
Das war nach der Wende die Triebfeder in meinem Leben. Ich habe mich neu | |
erfunden und bin froh, dass ich durch mein Schwulsein keine Frau und kein | |
Kind habe, die mir zeigen, an welchem Meilenstein meines Lebens ich | |
mittlerweile bin. | |
Sie sollen auch Fotos für die Stasi gemacht haben: Was ist da dran? | |
Auf einer Reise nach Prag haben sie mich gestoppt und fragten: „Was machen | |
die Schwulen in Ostberlin? Wer aus Westberlin steuert sie?“ Sie hatten mich | |
in der Mangel, weil ich keine Wohnung und keinen Job hatte, und drohten | |
damit, mich einzusperren. Also habe ich drei, vier Mal Fotos bei | |
Schwulentreffen gemacht, aber dann habe ich gesagt: „Ich kann keine Fotos | |
mehr machen, weil ich meine Freunde verrate.“ Ich habe mir meine Stasi-Akte | |
angeguckt. Darin ging es nur um die Schwulengruppen in Ostberlin. | |
Dann haben Sie doch Ihre Freunde verraten, oder? | |
Ich habe keine Freunde verraten. Ich habe die Treffen fotografiert und dann | |
hatte ich ein schlechtes Gefühl. | |
Apropos Gefühl: Wie war das, sich in der DDR zu Homosexualität zu bekennen? | |
Damals war es natürlich noch schwieriger als heute, weil man keine | |
Außenseiter wollte. Ostberlin hatte seine Nischen. Wir wollten damals | |
anders sein und das haben wir auch geschafft. Outen ist immer schwer – egal | |
wo. | |
Wie haben Sie das gemacht? | |
Als ich das meiner Mutter gesagt habe, hat sie einen Heulkrampf bekommen | |
und meinte aber: „In den Urlaub fahren wir trotzdem noch gemeinsam.“ | |
Dennoch waren meine Eltern nicht bereit genug. Nach einem Jahr bin ich | |
ausgezogen – nach Prenzlauer Berg. Dort lebe und arbeite ich seit 27 | |
Jahren. In meinem Studio in der Marienburger Straße sind fast alle | |
Aufnahmen entstanden, die meine Identität ausmachen. | |
In Ihrem Studio wurde auch das [3][Bild mit der nackten, tätowierten Frau] | |
aufgenommen, die vor der Kamera pullert. Wie kam es dazu? | |
Während eines Shoots musste sie auf die Toilette und hat mich gefragt, ob | |
sie schnell gehen könnte. Dann habe ich gesagt: „Wieso? Lass doch einfach | |
laufen.“ Ich mag das Bild, weil die Frau so befreit aussieht. | |
19 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.andreas-fux.de/ | |
[2] http://www.cubus-m.com/ | |
[3] http://www.andreas-fux.de/ | |
## AUTOREN | |
Ann-Christin Korsing | |
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