# taz.de -- Profispieler Naki über Politik und Fußball: „Niemand soll mehr … | |
> Deniz Naki, Profi beim türkisch-kurdischen Verein Amedspor, über den | |
> Zwist mit dem türkischen Verband und ein wichtiges Pokalspiel gegen | |
> Fenerbahçe Istanbul. | |
Bild: Deniz Naki, hier noch beim FC St. Pauli, für den er lange spielte. Archi… | |
Am Donnerstag spielt der türkische Drittligaverein Amedspor im | |
Viertelfinale des türkischen Pokalwettbewerbs gegen den Istanbuler | |
Spitzenverein Fenerbahçe. Deniz Naki, Stürmer von Amedspor, dem Verein der | |
kurdischen Stadt Diyarbakır, ist ein Kind kurdischer Migranten in | |
Deutschland. Er spielte in Jugendnationalmannschaften des DFB. Deniz Naki | |
darf gegen Fenerbahçe nicht antreten, weil er wegen politischer Äußerungen | |
vom türkischen Fußballverband für zwölf Partien gesperrt wurde. | |
Amedspor versteht sich nicht nur als Fußballverein, sondern auch als | |
Repräsentant der kurdischen Minderheit in der Türkei. Im Herbst 2014 | |
erklärte sich Naki solidarisch mit den Menschen der syrisch-kurdischen | |
Stadt Kobanî im Kampf gegen den IS. Seit Ende Januar 2016 steht der | |
26-Jährige noch mehr im Zentrum der Öffentlichkeit, weil er sich kritisch | |
zu den systematischen Menschenrechtsverletzungen der türkischen Regierung | |
in Diyarbakır äußerte. Deshalb wurde er nach dem Sieg gegen Bursaspor Ende | |
Januar gesperrt, und sein Verein Amedspor musste das Hinspiel gegen | |
Fenerbahce im Pokalviertelfinale zu Hause ohne Zuschauer austragen. Es | |
endete 3:3. | |
taz: Herr Naki, Sie sind in Deutschland aufgewachsen, normalerweise | |
wechseln Fußballprofis aus Deutschland zu Erstligavereinen in der Türkei. | |
Deniz Naki: Seit ich hier bin, wurde ich vom Verein und der Bevölkerung | |
super aufgenommen. Ich fühle mich sehr wohl. Es ist so, als ob ich seit 10 | |
oder 20 Jahren hier lebe. | |
Sie spielten bis Ende 2014 beim Ankaraer Erstligaverein Gençlerbirliği. | |
Warum sind Sie zu Amedspor gewechselt? | |
Trotz anderer Angebote wollte ich Diyarbakır und Amedspor so viel wie | |
möglich unterstützen. Deshalb bin ich gewechselt. Erfolge im Fußball können | |
der Bevölkerung von Amed und der Region, der es zurzeit nicht gut geht, ein | |
Gefühl des Erfolgs und Glücks geben. | |
Warum glauben Sie, dass die vom türkischen Fußballverband gegen Sie und | |
Amedspor verhängten Strafen politisch motiviert sind? | |
Zu dieser Aussage stehe ich nach wie vor. Ich postete auf Facebook nach dem | |
erfolgreichen Spiel gegen Bursaspor, dass ich den Sieg denjenigen Menschen | |
widme, die durch die Ausgangssperren in Sur (der Altstadt von Diyarbakır; | |
d. Red.), Silopi und Cizre im Kriegsgebiet leben, verletzt und gestorben | |
sind. Das habe ich gemacht, weil ich einige dieser betroffenen Familien | |
persönlich kenne. Damit habe ich auch zum Frieden in unserer Region | |
aufgerufen, denn ich möchte, dass niemand mehr sterben muss, egal um wen es | |
sich handelt. Daraufhin wurde eine Lynchkampagne gegen mich gestartet und | |
mir Propaganda für nichtstaatliche bewaffnete Kräfte vorgeworfen. Die gegen | |
mich verhängte Sperre von zwölf Spielen ist besorgniserregend für den | |
Fußball in der Türkei und ein Armutszeugnis für den Fußballverband. Diese | |
Strafe wird auch von vielen Leuten in Deutschland als völlig lächerlich | |
angesehen. Sie steht in keinem Verhältnis zu anderen sogenannten | |
politischen Vergehen. | |
Was meinen Sie? | |
Emre Belözoğlu von Fenerbahçe hat durch entsprechende Zeichen bei einem | |
Spiel Propaganda für die regierende AKP gemacht, was ungesühnt blieb. Ein | |
Spieler von Trabzonspor hat zuletzt im Spiel gegen Galatasaray dem | |
Schiedsrichter damit gedroht, ihm in die Beine zu schießen – und erhielt | |
nur drei Spiele Sperre. Ich kenne keinen Spieler, der jemals eine Sperre | |
von zwölf Spielen erhalten hat. | |
Stehen Sie auch zu dem Transparent, das Ihr Verein zu Beginn des Hinspiels | |
gegen Fenerbahçe am 9. Februar aufgehängt hat? Auf dem stand geschrieben: | |
„Kinder sollen nicht sterben, sondern zu Fußballspielen kommen.“ | |
Ja, ich stehe zu 100 Prozent dazu! Es gibt nichts Schöneres, denn es ist | |
ein Aufruf zum Frieden und zur Teilhabe. Darauf bin ich stolz. Leider haben | |
wir auch dafür eine Strafe erhalten. Ich glaube aber nicht, dass sich beim | |
Rückspiel so etwas wiederholen wird, denn unser Verein hat in letzter Zeit | |
ausreichend öffentliche Botschaften ausgesendet. | |
Wofür steht Amedspor Ihrer Meinung nach? Hat es eine politische Mission? | |
Kann es mit Vereinen wie Athletic Bilbao verglichen werden? | |
Alle Spieler und Mitarbeiter von Amedspor sind sich darüber im Klaren, dass | |
sie noch viel mehr als andere regionale Sportvereine die für ihre | |
grundlegenden Rechte kämpfende kurdische Bevölkerung auf der sportlichen | |
Ebene repräsentieren. Allein die Änderung des Vereinsnamens von Diyarbakır | |
Spor zum kurdischen Namen der Stadt „Amed“ ist Ausdruck dieses politischen | |
Bewusstseins. Auch viele Kurden außerhalb von Amed, aus der gesamten | |
kurdischen Region, betrachten unseren Verein in diesem Sinne. Überall, wo | |
wir hinkommen, werden wir von vielen Menschen herzlich begrüßt. | |
Überall? | |
Diese Rolle verstehen wir jedoch nicht als etwas Nationalistisches und | |
Ausgrenzendes, wie wir es bei Bursaspor erlebt haben. Dort traten die | |
gegnerischen Fans so beleidigend gegen uns auf, als ob die Türkei gegen | |
Kurdistan gespielt hätte. Selbst der Kommentator im Stadium hat uns als | |
„die Anderen“ bezeichnet, und nie Amedspor in den Mund genommen. | |
Wie sehen Sie die Zukunft von Amedspor? | |
Unser Verein hat das Potenzial, so groß wie die drei großen Istanbuler | |
Vereine zu werden. Allein die Zahl der Fans außerhalb der Stadt reicht | |
meiner Meinung nach dafür aus. Wenn das neue Stadion fertiggebaut ist, | |
können regelmäßig um die 30.000 Zuschauer kommen. Der Verein muss | |
allerdings mehr für die Jugend tun. Die Repräsentation in der | |
Öffentlichkeit könnte auch besser laufen. Fanshops sind auch wichtig für | |
mehr Umsatz. Ein Shop in Deutschland würde bestimmt viel Geld einbringen. | |
Ich bin sicher, dass wir mit einem professionelleren Management bald zu den | |
größten Vereinen in der Türkei gehören können. | |
3 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Ercan Ayboga | |
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