# taz.de -- „Hürriyet“ macht in Deutschland dicht: Güle güle, Almanya! | |
> Die „Hürriyet“ schließt ihre deutsche Zentralredaktion in Frankfurt. Do… | |
> andere Medien rüsten sich bereits, die Lücke zu schließen. | |
Bild: Angela Merkel mit „Hürriyet“-Redakteur Ahmet Külahci und ihrer Lieb… | |
Noch gehen die Frankfurter Redakteure der Hürriyet jeden Tag zur Arbeit ins | |
Büro. Aber zu tun gibt es dort für sie nur noch wenig. Denn seit dem 1. | |
März wird die Europa-Ausgabe der türkischen Tageszeitung nicht mehr hier, | |
sondern im Hause des Mutterkonzerns in Istanbul produziert. Damit geht eine | |
Ära zu Ende. | |
Denn die deutsche Hürriyet-Ausgabe war über Jahrzehnte das wichtigste | |
Sprachrohr, wenn es um die Belange der türkischstämmigen Minderheit in | |
Deutschland ging. In Frankfurt wurde Meinung – und oft genug Politik – | |
gemacht. Doch damit ist seit März nun Schluss. | |
Kurz zuvor, am 22. Februar, hatte die Frankfurter Hürriyet-Geschäftsführung | |
ihren Mitarbeitern überraschend mitgeteilt, dass die deutsche | |
Zentralredaktion in Frankfurt geschlossen werde. Nur die | |
Korrespondentenbüros in Berlin, Köln, München und Hamburg sollen erhalten | |
bleiben – und ihre Nachrichten jetzt nach Istanbul liefern. | |
## Keine Stellungnahme | |
„Vor den Kopf gestoßen und schockiert“ sei er darüber, klagt der | |
Frankfurter Betriebsrat Naki Colak. Jahrelang habe Hürriyet die Türken in | |
Deutschland begleitet, jetzt kehre man ihnen den Rücken, klagt er. Colak | |
verhandelt derzeit mit der Geschäftsführung über einen Sozialplan und einen | |
Interessenausgleich. Gekündigt werden kann den oft langjährigen | |
Mitarbeitern noch nicht. Doch mindestens der Hälfte der 56 | |
Hürriyet-Mitarbeiter in Frankfurt dürfte Arbeitslosigkeit drohen. | |
Geschäftsführerin Sevda Boduroglu war für eine Stellungnahme nicht zu | |
erreichen. Begründet wird der Schritt des Verlags aber mit dem Sinkflug der | |
Hürriyet-Auflage, die nur noch bei 30.000 verkauften Exemplaren pro Tag | |
liegen soll – einem Bruchteil der früheren Auflage –, und dem Fehlen von | |
Anzeigen. | |
Colak fragt: „Wie kann man seine Chancen auf dem europäischen Markt mit so | |
einem dünnen Nachrichtenteil wahren?“ Denn die Zahl der „Europa“-Seiten, | |
mit denen die Hürriyet-Ausgabe aus der Türkei in Deutschland täglich | |
ergänzt wird, ist auf 2 geschrumpft. | |
Schon vor zwei Jahren hatte der Dogan-Konzern die Deutschlandausgaben von | |
Milliyet und dem Sportblatt Fanatik eingestellt. Dass immer weniger Leser | |
in Deutschland zu türkischen Tageszeitungen greifen, liegt auch an | |
Generationenwechsel und fortschreitender Integration. Der Umbruch in der | |
deutsch-türkischen Medienlandschaft spiegelt aber ebenso Entwicklungen in | |
der Türkei wieder. | |
Denn seit der Dogan-Konzern, dem die Hürriyet gehört, im Frühjahr 2009 zu | |
einer horrenden Steuernachzahlung verurteilt wurde, musste er zwei seiner | |
Zeitungen verkaufen. Mit den Fernsehsendern Kanal D, Star TV und CNN-Türk | |
ist Dogan Yayin zwar noch immer der dominierende Medienkonzern der Türkei, | |
seinen regierungskritischen Kurs hat er seitdem aber deutlich gemildert. | |
Gewinner dieser Entwicklung ist, auch in Deutschland, die politische und | |
publizistische Konkurrenz. Denn während die Hürriyet in Deutschland vor dem | |
Absturz in die Bedeutungslosigkeit steht, stehen die Zeichen bei der | |
religiösliberalen Tageszeitung Zaman sogar auf Expansion. | |
Erst im Januar verlegte sie ihren Hauptsitz von Offenbach nach Berlin, um | |
näher an der Bundespolitik zu sein. 20 Mitarbeiter arbeiten jetzt in den | |
lichten Altbaubüros nahe dem Haus der Bundespressekonferenz. | |
## Plakative Schlagzeilen | |
Die Zaman gehört zur World Media Group, und gilt als intellektuelles | |
Sprachrohr der Bewegung des türkischamerikanischen Predigers Fetullah | |
Gülen. Statt wie andere türkische Zeitungen mit plakativen Schlagzeilen am | |
Kiosk um Käufer zu buhlen, setzt Zaman auf ein seriöses Erscheinungsbild | |
und treue Abonnenten, von denen das Blatt nach eigenen Angaben in | |
Deutschland rund 30.000 besitzt. | |
Neben zwei TV-Programmen, die Ableger von Sendern aus der Türkei sind, | |
betreibt die World Media Group auch zwei Onlineportale: Zaman-Online.de auf | |
Türkisch und das Deutsch-Türkische Journal, „dtj-online.de“, auf Deutsch. | |
Damit werden auch jüngere, gebildetere und deutschsprachige Leser | |
angesprochen. | |
Um das Feld in Deutschland nicht ganz jenen Medien zu überlassen, die in | |
der Türkei als regierungsnah gelten, rüstet nun der Jungverleger Burak | |
Akbay aus der Türkei zum Sprung auf den deutsch-türkischen Markt. Bekannt | |
wurde Burak Akbay hierzulande als Bieter für die insolvente Frankfurter | |
Rundschau. Seiner linksnationalistischen und regierungskritischen | |
Tageszeitung Sözcü, mit der ihm in der Türkei ein Überraschungserfolg | |
gelang, will er nun eine deutsche Regionalausgabe verpassen. | |
Zur Seite steht ihm dabei der Journalist Ali Gülen, der früher mal | |
Chefredakteur der Hürriyet in Frankfurt war und jetzt für Sözcü ein | |
deutsches Team zusammenstellt. Noch steht nicht fest, wann das Blatt an den | |
Start gehen soll. Gewiss ist nur das bewährte Rezept: Der Mantel wird aus | |
der Türkei übernommen und durch ein oder zwei Seiten aus Deutschland | |
ergänzt. | |
Der Niedergang seiner alten Zeitung mache ihn „traurig“, sagt Ali Gülen. | |
Früher habe sich die Hürriyet mehr für die Türken in Deutschland | |
starkgemacht, das sei ihr Markenzeichen gewesen. Diese Aufgabe soll, so | |
hofft er, bald auch Sözcü übernehmen. | |
11 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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