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# taz.de -- Aufstieg in Schwedens 1. Fußballliga: Die Kurden kommen
> Dalkurd wurde vor 13 Jahren als soziales Projekt gegründet. Nun ist der
> kurdische Verein in die höchste schwedische Spielklasse aufgestiegen.
Bild: Freude über den Aufstieg in die Allsvenskan im Oktober bei Dalkurd
Stockholm taz | Trainer Andreas Brännström hatte allzu große Erwartungen
vorsichtshalber gedämpft. Mit dem Training sei es diese Woche „na ja, so la
la“ gewesen. Denn natürlich habe man letztes Wochenende gefeiert und dann
werde man ja noch eine 700 Kilometer lange Reise zu einem Auswärtsspiel in
den Knochen haben. Das letzte Punktspiel beim Drittplatzierten Trelleborgs
FF endete am Samstag tatsächlich „nur“ 2:2. Mehr als ein kleiner
Schönheitsfehler war das aber nicht: Dalkurd hatte ja schon eine Woche
zuvor die Sensation klar gemacht und stand als Aufsteiger in die höchste
Spielklasse im schwedischen Männerfußball, die Allsvenskan fest.
„Ich habe da vor Freude geschrien“, gesteht der aus Kurdistan stammende
schwedische Journalist Kurdo Baksi. Für ihn ist der Aufstieg des Vereins
„mit dem stolzen, schönen, magischen Namen Dalkurd“ nicht weniger als „d…
größte, was dem kurdischen Sport seit 4.000 Jahren passiert ist“. Das
Stockholmer Aftonbladet schrieb: „Nun haben 37 Millionen Kurden einen
gemeinsamen Klub in der Allsvenskan.“ Und die Sportschau des schwedischen
Fernsehens schwärmte von „Dalkurds unglaublicher Reise“.
Begonnen hatte der Trip vor 13 Jahren mit einem Hinauswurf. Aus
disziplinären Gründen setzte IK Brage, der Traditionsklub der
40.000-Einwohnerstadt Borlänge, eine Gruppe jugendlicher Fußballspieler vor
die Tür. Die meisten hätten ausländische Wurzeln gehabt, sagt Ramazan
Kizil: „Wir haben uns da entschlossen, dass wir uns um sie kümmern müssen.
Als Kurden, Menschen und Eltern.“ Der Fußballverein Dalkurd, den Kizil,
sein Vater Adil und sieben weitere kurdische Migranten kurzerhand
gründeteten, sei also „mehr als soziales Projekt gedacht gewesen, denn als
Fußballklub“. Aber weil es eben die Spieler gab, die der IK Brage
hinausgeworfen hatte, habe man mit denen 2005 in der untersten, der achten
Serie, die in Schweden 6. Division heißt, zu spielen begonnen.
## Kurdische Flagge mit Pferdchen
Dort blieb man nur eine Saison. „Wir haben nicht wie andere Klubs ein- oder
zweimal die Woche trainiert, sondern jeden Tag mindestens zwei Stunden“,
berichtet Ramazan Kizil, der von Beginn an Vereinsvorsitzender ist. In fünf
Jahren stieg Dalkurd fünfmal auf. 2010 war man in der 3. Liga, der Division
1 Nord gelandet, aus der man sechs Jahre später den Aufstieg in die
Superettan und von dort nach zwei weiteren Jahren nunmehr den in die
höchste Liga schaffte.
Einen „nationalen Leerraum“ habe man gefüllt, nicht nur wichtig für den
Zusammenhalt der in Schweden lebende KurdInnen, sagt Sportchef Adil Kizil,
sondern man sei so etwas wie die Fußballnationalelf der Kurden. Das
symbolisiere nicht nur der Vereinsname – zusammengesetzt aus der
schwedischen Provinz Dalarna und Kurdistan – sondern auch die Vereinsfahne:
die kurdische Flagge mit zwei Dalarna-Pferdchen.
„Du musst nur in die kurdischen Regionen in der Türkei, in Syrien, dem Iran
und Irak reisen, dort kennen alle Dalkurd“, erzählt Kizil. Mehr als 1,5
Millionen Fans hat die Facebook-Community „Dalkurd Supporters“.
„Dass es da Menschen gibt, für die wir ‚ihr‘ Verein sind, gibt mir
zusätzliche Energie“, sagt Peshraw „Pasha“ Azizi. Der 29-jährige Sohn e…
Peschmerga-Soldaten, der als 12-Jähriger nach Schweden kam, ist in der
diesjährigen Truppe einer von drei Spielern mit kurdischen Wurzeln gewesen.
Spieler mit 14 verschiedenen Nationalitäten, von Sierra Leone bis Japan,
haben im Lauf der letzten Saisons für Dalkurd gespielt. Aber was in
Kurdistan zähle, sei allein „die kurdische Flagge auf unserer Brust“, meint
Azizi.
## Traum: Champions League
Und der „Sechser“ von Dalkurd erzählte einem Reporter der Göteborgs-Posten
dieser Tage von einem Erlebnis, das er bei einer seiner regelmäßigen Reisen
in die Heimat im irakischen Kurdistan, wo er sich um eine Fußballschule für
Jugendliche kümmert, gehabt habe. In der Nähe von Mossul habe ihn plötzlich
ein Soldat erkannt und angesprochen: „Was machst du hier, Pasha? Du spielst
doch in unserer Mannschaft. Du solltest nicht hier sein. Fahr nach Hause
und mach uns mit deinem Fußball Freude.“
Ganz im Gegensatz zu seiner internationalen Popularität hat Dalkurd in
Borlänge zu kämpfen: Er steht noch immer im Schatten des IK Brage, obwohl
der zwei Klassen tiefer spielt.
Dalkurd braucht dringend mehr ZuschauerInnen und bekniet seit Jahren die
Stadt Borlänge, endlich Geld für ein modernes Stadion mit größerer
Kapazität, als das jetzige „Domnarsvallen“ mit seinen 6.500 Plätzen, lock…
zu machen. Seit 2013 sei das versprochen, schimpft Ramazan Kizil, aber
nichts geschehe. Andeutungen, man könne auch anders, nämlich in eine andere
Stadt umziehen, nimmt Mannschaftskapitän Rawez Lawan, der Dalkurd am
vorletzten Spieltag mit seinem Tor in die Allsvenskan geschossen hatte,
allerdings nicht allzu ernst: „Wir heißen doch nicht umsonst, wie wir
heißen.“
Vorsitzender Kizil hat nach dem Sprung in die höchste Liga noch einen
weiteren Traum: dass Dalkurd es irgendwann in die Play-offs zur Champions
League schafft und dann gegen Fenerbahçe oder Galatasaray gelost wird:
„Dann laufen wir mit unserem Namen und unserer Fahne in Istanbul auf.“
Dalkurd als politische Botschaft.
5 Nov 2017
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schweden
Kurden
Fußball
Deniz Naki
EMtaz Meinung
Rojava
Deniz Naki
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