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# taz.de -- Aktivistin über Nürnbergs Quelle-Gebäude: „Es gibt Alternative…
> Flüchtlingsheim oder Mall? Was wird aus Deutschlands größtem
> leerstehenden Gebäude? Eine Künstlergruppe hat noch eine weitere Idee.
Bild: Groß statt schön: das Quelle-Gebäude in Nürnberg.
Die ehemalige Zentrale von Quelle in Nürnberg ist das größte leerstehende
Gebäude in Deutschland. Bis Dezember letzten Jahres arbeiteten dort 200
Kunstschaffende, HandwerkerInnen, AktivistInnen und WissenschaftlerInnen,
das Quellkollektiv. Im Dezember mussten sie aber das Gebäude räumen. Jetzt
soll eine Shoppingmall, ein „Foodcourt“, Büros und Eigentumswohnungen
entstehen. Ein Kollektiv von KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und
ArchitektInnen hat andere Pläne.
taz. am wochenende: Frau Geyermann, was planen Sie für das Quelle-Gebäude?
Wally Geyermann: Das Gelände ist ja riesig, 250.000 Quadratmeter auf einem
Areal von 6,8 Hektar. Wir planen eine Stadt in der Stadt, mit Wohnungen und
Ateliers, außerdem Stadtgärten, ein Kultur- und Stadtteilzentrum, ein
Bildungscampus und Spielplätze. In einem Museum soll an die Geschichte des
Gebäudes erinnert werden.
Aber der Verkauf des Gebäudes ist doch besiegelt.
Ja, das Gebäude wurde im letzten Sommer verkauft. Ein portugiesischer
Investor will dort eine Shoppingmall einrichten.
Warum machen Sie sich dann trotzdem die Mühe, [1][einen anderen Plan] zu
entwerfen?
Es geht darum, zu zeigen, dass es Alternativen gibt. Wir wollen die Frage
stellen, wem die Stadt gehört, wer plant, wer entscheidet. Und wir wollen,
dass über sinnvolle Zweitnutzung von Leerstand nachgedacht wird. Immer nur
neu bauen, das geht nicht mehr.
Aber es sollen doch auch Eigentumswohnungen entstehen. Und was ist so
schlimm an einer Shoppingmall?
Shoppingmalls sind total 90er! Nürnberg braucht nicht noch eine, die
nächste steht schon 400 Meter weiter. Und hermetisch abgeschlossenen
Wohnraum zu hohen Quadratmeterpreisen gibt es auch schon zur Genüge.
Klingt schön, aber ich sehe in Ihrem Bauplan [2][gar keine Unterkunft für
Flüchtlinge.] Für die wird doch aktuell am dringendsten nach Wohnraum
gesucht.
Natürlich sollen auch Unterkünfte für Flüchtlinge und Sozialwohnungen
entstehen. Wir haben uns aber entschieden, keinen gesonderten Bereich für
Geflüchtete auszuweisen, weil wir keine Ghettos schaffen wollen. Auf dem
Parkplatz direkt neben dem Quelle-Gebäude sind aktuell Hunderte Flüchtlinge
in Zelten untergebracht. Wir finden das absurd: Da steht ein riesiges
Gebäude leer, und die Stadt bezahlt lieber für Zelte, als den Leerstand zu
nutzen.
Ist Ihr Konzept denn realistisch? Wie wollen Sie den Umbau finanzieren?
Der Ausbau soll weitgehend in Eigenarbeit entstehen und demokratisch
geplant werden. Aber öffentliche Gelder von Kommune, Land und EU können uns
unterstützen, genauso wie private Investitionen.
Im März soll der Umbau des Investors losgehen. Wollen Sie weiter für Ihren
Alternativvorschlag kämpfen?
Vor allem wollen wir einen Diskurs anstoßen: Was ist zeitgemäße
Stadtplanung, wie reagieren wir auf die Privatisierung des öffentlichen
Raums? Dafür planen wir eine Ausstellung und wollen unsere Konzept bekannt
machen, wir sind damit nach Breslau eingeladen im Rahmen der
Veranstaltungen zur Kulturhauptstadt 2016.
Ausstellung klingt nicht gerade kämpferisch. Warum haben Sie das Gebäude
nicht besetzt?
Wir glauben, das wäre eher kontraproduktiv gewesen. Wir wollen auch die Oma
ums Eck erreichen und neugierig machen für Wohnformen, die Integration
ermöglichen und für mehrere Generationen ausgelegt sind. Und wir wollten
die Zukunft der Menschen aus dem Quellkollektiv nicht gefährden, die das
Quelle-Gebäude bis Dezember genutzt hatten. Die sind noch in Verhandlungen
mit dem neuen Eigentümer.
Was hat der neue Eigentümer denn anzubieten?
Beim Verkauf des Gebäudes versprach der Investor, dass im ehemaligen
Heizkraftwerk des Gebäudes Ateliers und Räume für das Quellkollektiv
entstehen. Aber das ist noch wacklig, es gibt keine Verträge. Und die
Fläche ist viel kleiner. Einige Menschen, die wegen des Quellkollektivs in
Nürnberg geblieben sind, sind weitergezogen, nach Berlin oder nach
Barcelona – und Nürnberg bleibt Provinz.
Der Investor zahlte 16,8 Millionen Euro, aber der Verkehrswert des Areals
ist doppelt so hoch. Gibt es noch eine Chance, dass die Stadt den Verkauf
rückgängig macht?
Das Institut für angewandte Heterotopie durchkreuzt die Realität. Wir haben
eine Zeitleiste erstellt, was in den nächsten Jahren alles passieren wird:
Erst ein internationaler Kongress im Gebäude, im Jahr 2026 wird Nürnberg
dann Europäische Kulturhauptstadt, und im Jahr 2054 feiern wir den 100.
Geburtstag des Gebäudes.
21 Feb 2016
## LINKS
[1] http://www.i-fah.com/
[2] /Debatte-Wohnungsnot/!5276783/
## AUTOREN
Kersten Augustin
## TAGS
Wohnraum
Nürnberg
Flüchtlinge
Wohnungen
Volksentscheid
Schwerpunkt Flucht
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