# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Niger: Die Gesichter des Hama Amadou | |
> Am Sonntag wählen die Nigrer einen neuen Präsidenten: Wie ein Kandidat | |
> aus dem Gefängnis heraus mit Erfolg Wahlkampf macht. | |
Bild: Sein Konterfei ist überall präsent: Wahlkampfveranstaltung für den Kan… | |
Niamey taz | Die kleine Parteizentrale sieht geschlossen aus. Nur ein paar | |
junge Männer dösen vor dem Eingang von Moden-Da Lumana Africa (Mouvement | |
Démocratique Nigérien pour une Fédération Africaine) in der | |
Nachmittagssonne. Als Besuch naht, schreckt einer von ihnen hoch und zückt | |
ein paar Aufkleber und Anstecker. | |
Das Motiv zeigt stets das runde Gesicht von Hama Amadou, im Hintergrund | |
leuchten die Parteifarben Orange und Blau. Ein Bild, wie man es tausendfach | |
an den Straßen von Niamey, der Hauptstadt Nigers, plakatiert sieht. Hama | |
Amadou ist der bekannteste Oppositionspolitiker, er kandidiert am Sonntag | |
für das Präsidentenamt. Seine Chancen für den ersten Wahlgang stehen gar | |
nicht so schlecht. | |
Nur der amtierende Präsident Mahamadou Issoufou ist noch häufiger auf | |
Plakaten in der Stadt zu sehen – stets umgeben von einem kräftigen Rosa. | |
Issoufous größter Auftritt war der im General-Seyni-Kountché-Stadion mitten | |
in Niamey. Hama Amadou hat hingegen niemand live erlebt. Er macht seinen | |
Wahlkampf aus dem Gefängnis. Eine bizarre Situation mit einer | |
Vorgeschichte. | |
Hama Amadou wurde am 14. November 2015 am Flughafen verhaftet, als er aus | |
Frankreich einreiste. Er ist des Babyhandels beschuldigt. Seitdem sitzt der | |
Präsidentschaftskandidat im Gefängnis, wurde aber vom nigrischen | |
Verfassungsgericht als Kandidat zugelassen. | |
## Der Repräsentant | |
In den düsteren Räumen von Amadous Parteizentrale in der Avenue de | |
l’Entente wartet man wenige Tage vor der Wahl auf einen anderen Mann. „Er | |
kommt in einer Stunde“, verspricht Wahlkampfmanager Souleymane Lompo, der | |
mit fünf Helfern in einem kleinen Büro hockt. Lompo koordiniert auch die | |
Termine von Maman Sani Malam Maman: dem Mann, auf den hier alle warten, dem | |
Mann, der wie ein echter Kandidat von einem Termin zum nächsten eilt – auch | |
wenn er auf keinem einzigen Wahlplakat zu sehen ist. | |
Eine Stunde später trifft Maman tatsächlich ein. Viel Zeit habe er nicht, | |
das macht der Mann im weißen Boubou gleich deutlich. Im Konferenzzimmer | |
lässt er sich in einen tiefen, schwarzen Sessel sinken. Vom Flur her | |
dringen Stimmen in den Raum. Plötzlich kommt Leben in die Parteizentrale. | |
Es hat sich herumgesprochen, dass Maman da ist. | |
Ohne ein Lächeln schiebt er seine Visitenkarte rüber. „Persönlicher | |
Repräsentant, Sprecher des Kandidaten Hama Amadou“ steht darauf. Das Foto | |
zeigt Amadou und nicht denjenigen, der die Karte überreicht. „Wir verstehen | |
alle noch immer nicht richtig, was da passiert ist“, sagt er und kneift die | |
Augen zusammen. An der Decke surrt ein Ventilator. | |
Dabei, sagt sein Sprecher, säße Hama Amadou längst nicht als Einziger im | |
Gefängnis. Eine ganze Reihe von Parteileuten seien inhaftiert worden, sogar | |
die Sängerin Hamsou Garban, eine Amadou-Anhängerin. Die Stimme des | |
Repräsentanten wird lauter und lebendiger. „Wir müssen das Beste daraus | |
machen“, sagt er. | |
## Des Babyhandels beschuldigt | |
Die Vorwürfe gegen Amadou sind nicht neu. Bereits im Juni 2014 wurden | |
seiner zweiten Frau und 16 weiteren Personen vorgeworfen, Babys aus Nigeria | |
gekauft zu haben, um mit ihnen Handel zu treiben. Zwei Monate später floh | |
Amadou, damals noch Parlamentspräsident, über die Elfenbeinküste nach | |
Frankreich. Als er im November 2015 zurückkehrte, wurde er verhaftet und | |
wartet nun auf seinen Prozess. | |
Sogenannte Babyfabriken gibt es tatsächlich im Südosten des großen | |
Nachbarlandes Nigeria. Dort werden die oft minderjährigen Mädchen | |
geschwängert und wie Sklavinnen gehalten. Nach der Entbindung verkaufen die | |
Betreiber die Säuglinge für große Summen an wohlhabende, kinderlose Paare. | |
Ob Amadou und seine Frau damit wirklich etwas zu tun haben, weiß man nicht. | |
Auffällig ist jedenfalls der Zeitpunkt seiner Verhaftung: wenige Monate vor | |
den Wahlen. | |
Einige Kilometer vom Büro der Moden-Da Lumana Africa entfernt schüttelt | |
Mossi Boubacar unwirsch mit dem Kopf. Der Rechtsanwalt sitzt auf dem großen | |
Ledersofa in seinem Arbeitszimmer. Hinter seinem Schreibtisch hängt ein | |
großes Poster mit Martin Luther Kings berühmter Rede „I have a dream“. | |
Mossi Boubacar hat eine hohe Stimme und muss aufpassen, dass diese vor | |
lauter Empörung nicht noch piepsiger wird. | |
„Es gibt keinen einzigen Beweis für die Anschuldigungen“, sagt der Jurist, | |
„außerdem gilt die Unschuldsvermutung.“ Boubacar gehört zu den wenigen | |
Menschen, die Amadou regelmäßig besuchen dürfen. Er war erst am Morgen | |
wieder im Zivilgefängnis von Filingué, das rund 180 Kilometer von Niamey | |
entfernt liegt. | |
## Das Lager gewechselt | |
Boubacar lässt sich ein wenig tiefer in das Ledersofa sinken. Details über | |
seinen Mandanten verrät er nicht, wohl auch, weil er nicht viel von der | |
Haftanstalt sieht. „Ich treffe ihn dort als sein Rechtsanwalt, darf aber | |
natürlich nicht mit in die Zelle.“ Eins betont er aber gern und muss | |
aufpassen, dass sich seine Stimme nicht überschlägt: „Amadou hat eine sehr | |
starke Moral. Das liegt daran, dass er ein politischer Gefangener ist.“ | |
Der Jurist versucht das mit Beispielen zu untermauern. Andere Inhaftierte | |
würden zügig gegen Kaution freigelassen, nicht jedoch der | |
Präsidentschaftskandidat. Tatsächlich wurden die Vorwürfe gegen ihn erst | |
laut, als Amadou in das Lager der Opposition wechselte und darüber | |
spekuliert wurde, ob er 2016 gegen Issoufou antreten wird. | |
Auf den Fluren des Parteibüros ist es inzwischen voll geworden, da für den | |
frühen Abend ein Treffen mit anderen Oppositionsparteien angesetzt ist. Im | |
Falle einer Stichwahl – so heißt es – wolle man als Copa-2016 gemeinsam den | |
Oppositionskandidaten unterstützen. Maman Sani Malam Maman muss immer | |
lauter gegen den Lärm von außen ansprechen. Bei seinem Lieblingsthema fällt | |
es ihm nicht schwer: „Unser Ziel ist klar. Wir wollen den Wahlsieg, und | |
unser Kandidat wird auch gewinnen. Er ist der Beste, sogar unter diesen | |
Bedingungen.“ | |
Das muss Maman Sani Malam Maman nun schon seit Wochen den Anhängern und | |
potenziellen Wählern verkaufen und so tun, als ob er Amadou wäre. Ist das | |
Rollenspiel auf Dauer nicht etwas anstrengend? „Ich entspanne mich, so gut | |
es geht“, sagt Maman. Er scheint von der Frage überrascht zu sein. „Wenn | |
Hama selbst hier wäre, würde er das vielleicht besser machen.“ Sein | |
Repräsentant wirkt trotzdem einigermaßen entspannt. Schließlich übt er | |
schon seit knapp zwei Jahren. „Ich tue alles, um diese Rolle zu spielen.“ | |
## Ein Mann des Systems | |
Details über die Person Hama Amadou will er jedoch nicht verraten. Maman | |
Sani Malam Maman verweist lieber auf die vielen Ämter des | |
Spitzenkandidaten: Direktor des staatlichen Radiosenders, zweimal | |
Premierminister, zuletzt Parlamentspräsident. Hama Amadou ist kein neuer | |
Stern der nigrischen Zivilgesellschaft, sondern ein Mann des Systems. Als | |
Präsident Mamadou Tandja zwischen 1999 und 2010 Niger zunehmend | |
autokratisch regierte, war Amadou Premierminister, Issoufou führte die | |
Opposition. 2009 kam Amadou wegen einer mutmaßlichen Korruptionsaffäre vor | |
Gericht, was ihn der Opposition nahebrachte. Bei den freien Wahlen von 2011 | |
unterstützte er den Sieger Issoufou. Jetzt sind die beiden wieder | |
verfeindet. Es ist eine Rivalität zweier altgedienter Politiker. | |
Emotionen beim Wahlvolk regen sich darüber kaum. Die Nigrer haben andere | |
Sorgen: große Armut, wenig Schulbildung und immer geringere Chancen, nach | |
Europa auszuwandern. Auf Fragen nach Hama Amadou reagieren sie ausweichend | |
– auch von Entschlossenheit, wählen zu gehen, ist in Niamey wenig zu | |
spüren. | |
Bei einem Thema wird der Repräsentant wieder laut. Warum habe die | |
internationale Gemeinschaft zur Verhaftung Amadous geschwiegen und nichts | |
unternommen? Doch Maman Sani Malam Manan kann den Punkt nicht weiter | |
ausführen. Es klopft, die Copa-2016-Leute warten auf ihn. Das Treffen kann | |
nicht verschoben werden, morgen geht es zum Wahlkampf in Richtung Süden. | |
Die Abfahrt ist für 6 Uhr morgens geplant. | |
Am Abend des übernächsten Tages ruft Souleymane Lompo an. „Wir sind gerade | |
auf dem Weg nach Zinder. Neben mir steht der Repräsentant“, erklärt der | |
Wahlkampforganisator. „Wir bedauern, dass wir dich nicht eingeladen haben, | |
mitzukommen. Dann könntest du selbst sehen, wie gut es funktioniert.“ Ohne | |
Kandidaten. | |
20 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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