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# taz.de -- Zugunglück in Bayern: Zusammenstoß bei voller Fahrt
> Mindestens neun Menschen sterben, als zwei Züge zusammenstoßen. Die
> eingleisige Strecke war gegen das Überfahren von Signalen gesichert.
Bild: Rettungskräfte an der Unfallstelle des Zugunglücks in der Nähe von Bad…
BERLIN taz | Bei einem der schwersten Zugunglücke der letzten Jahren sind
in Oberbayern mindestens neun Menschen ums Leben gekommen. Acht weitere
Reisende wurden schwer und 63 leicht verletzt, als zwei
„Meridian“-Triebwagen auf der eingleisigen Strecke zwischen Rosenheim und
Holzkirchen in voller Fahrt frontal zusammenstießen. Unter den Toten
befinden sich auch die beiden Lokführer. Eine Person wurde am späten
Nachmittag noch vermisst.
Der von der privaten Bayerischen Oberlandbahn (BOB) betriebene Regionalzug
79505 war um 6.10 Uhr in Holzkirchen abgefahren, der Gegenzug der gleichen
Gesellschaft mit der Nummer 79506 startete um 6.43 Uhr in Rosenheim. In
beiden Zügen zusammen saßen etwa 150 Passagiere, darunter viele Pendler auf
dem Weg nach München.
Nach Plan hätten sich die beiden Triebwagen an der Station Kolbermoor
begegnen sollen, wo ein Ausweichgleis existiert, sagte der bayerische
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf einer Pressekonferenz in
Rosenheim. Stattdessen trafen sie gegen 6.50 Uhr in einer unübersichtlichen
Kurve nahe Bad Aibling in der Nähe eines Klärwerks aufeinander.
Beide Züge fuhren nach Angaben von Verkehrsminister Alexander Dobrindt
(CSU) zu diesem Zeitpunkt etwa 100 Kilometer in der Stunde schnell. Die
Lokführer hatten wohl kaum eine Chance, das Tempo zu verringern.
## Ursache zunächst unklar
Durch den Zusammenstoß verkeilten sich die Züge ineinander. Die
Unfallstelle ist nur schwer zugänglich und liegt in einem Waldstück an
einer Hangkante neben dem Fluss Mangfall. Die ersten Retter seilten sich
zum Teil aus Hubschraubern auf das Gelände ab. Zahlreiche Hubschrauber und
Rettungswagen waren im Einsatz.
Die Wasserwacht brachte Verletzte über den Fluss an das gegenüberliegende
Ufer. Insgesamt waren etwa 700 Einsatzkräfte vor Ort. Die 37 Kilometer
lange Bahnstrecke ist bis auf Weiteres komplett gesperrt.
Die Ursache des Unglücks blieb zunächst unklar. Bislang habe es auf der
Strecke keine Störungen gegeben, sagte Herrmann. Er sprach aber von einer
„Abweichung vom Fahrplan“ – offenbar fuhr ein Zug mit einer geringfügigen
Verspätung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, sie vertraue darauf,
„dass die zuständigen Behörden alles daransetzen werden, aufzuklären, wie
es zu diesem Unglück kommen konnte“.
## Sicherheitssystem gilt als betriebssicher
Die Strecke Rosenheim–Holzkirchen ist mit dem in Deutschland üblichen
Sicherheitssystem der „punktförmigen Zugbeeinflussung“ (PZB) ausgestattet
und war nach Angaben der Bahn AG erst vor rund einer Woche ohne
Beanstandungen technisch überprüft worden.
ICE-Schnellfahrstecken verfügen darüber hinaus über ein System, bei dem der
Zug jederzeit unter Kontrolle steht. Langfristig sollen internationale
Linien mit dem europäischen Zugsicherungssystem ETCS ausgerüstet werden,
bei dem die Signale direkt ins Cockpit des Lokführers geleitet werden. In
der Bundesrepublik ist einzig die im Dezember 2015 eröffnete Neubaulinie
Halle/Leipzig-Erfurt damit ausgerüstet.
Die PZB arbeitet mittels Magneten am Gleisbett und am Zug. Sie verhindert
das versehentliche Überfahren rot anzeigender Signale an der Strecke. Wenn
ein Vorsignal auf Stopp steht, muss der Lokführer dies mit einer Taste
bestätigen. Unterlässt er dies, bremst der Zug automatisch. Überfährt der
das Hauptsignal, erhält der Zug ebenfalls eine automatische Zwangsbremsung.
Das System ist schon seit den 1930er Jahren im Einsatz und gilt als sehr
betriebssicher. Allerdings ist es damit nicht möglich, einen Zug jenseits
von Signalanlagen von außen anzuhalten.
## Ähnlicher Vorfall 2003
Seit Kurzem sind alle Strecken der Deutschen Bahn AG mindestens mit PZB
gesichert. Das war auch eine Folge des Eisenbahnunglücks bei Hordorf in
Sachsen-Anhalt im Jahre 2011, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen.
Dort war ein Personenzug mit einem entgegenkommenden Güterzug
zusammengestoßen. Zuvor hatte der Lokführer des Güterzugs ein Signal
überfahren. Der Zug war nicht abgebremst worden, weil auf der Strecke
damals nicht überall die „punktförmige Zugbeeinflussung“ installiert war.
Das Unglück von Bad Aibling erinnert an einen ähnlichen Vorfall vom Juni
2003 in der Nähe von Schrozberg in Baden-Württemberg, bei dem sechs
Menschen ums Leben kamen. Auch dort waren zwei Reisezüge auf einer
eingleisigen Strecke zusammengestoßen. Damals stellte sich heraus, dass die
Fahrdienstleiter in den Stellwerken von Schrozberg und Niederstetten für
den Zusammenstoß verantwortlich waren.
Sie hatten in der Annahme einer gar nicht vorhandenen Störung telefonisch
ein Fahren mit nicht automatisch gesichertem Ersatzsignal verabredet. Der
Schrozberger Bahnmitarbeiter vergaß anschließend, einen der Züge im
dortigen Bahnhof auf die Zugbegegnung warten zu lassen, und schickte diesen
stattdessen auf die freie Strecke, wo beide Züge aufeinandertrafen. Beide
Fahrdienstleiter wurden 2005 vom Landgericht Ellwangen zu einer Bewährungs-
bzw. Geldstrafe verurteilt.
9 Feb 2016
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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Zugunglück
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