# taz.de -- Wikileaks-Gründer Julian Assange: Aufmerksamkeit als Schutzschild | |
> Julian Assange will von der Entscheidung eines UN-Gremiums abhängig | |
> machen, ob er in Ecuadors Botschaft in London bleibt. | |
Bild: Bald frei? | |
„Was macht eigentlich Julian Assange?“ Seit über drei Jahren ist die | |
Antwort auf diese Frage immer dieselbe. Der Gründer der | |
Whistleblowing-Plattform Wikileaks sitzt in einem 20-Quadratmeter-Zimmer in | |
der ecuadorianischen Botschaft in London. | |
Am Donnerstag verkündete er plötzlich etwas, das eine mögliche Veränderung | |
andeutete: „Sollten die Vereinten Nationen bekannt geben, dass ich meinen | |
Fall gegen das Vereinigte Königreich und Schweden verloren habe, werde ich | |
die Botschaft Freitagnachmittag verlassen und mich festnehmen lassen, da es | |
keine realistische Möglichkeit der Berufung gibt“, [1][twitterte Assange | |
über den Wikileaks-Kanal], der immerhin noch 2,9 Millionen Follower zählt. | |
Hintergrund dieser Botschaft: Eine UN-Arbeitsgruppe für willkürliche | |
Inhaftierungen befasst sich derzeit mit seinem Fall. Assange floh im Juni | |
2012 in Ecuadors Botschaft, um seine Überstellung nach Schweden zu | |
vermeiden. Dort soll er zu einem Vergewaltigungsvorwurf und zwei inzwischen | |
fallen gelassenen Beschuldigungen der sexuellen Belästigung befragt werden. | |
Assange selbst weist das weit von sich und befürchtete eine Auslieferung in | |
die USA, wo ihm ein Prozess plus lange Haftstrafen wegen Spionage und | |
zahlreichen weiteren Anklagepunkten drohen. | |
Assange selbst hatte im Jahr 2014 das UN-Gremium angerufen und | |
argumentiert, sein Aufenthalt in der Botschaft von Ecuador komme einer | |
illegalen Inhaftierung gleich. Bereits am Donnerstag berichtete die BBC, | |
auch die UN-Arbeitsgruppe halte Assange für „willkürlich festgehalten“. | |
Das ändert in der Praxis zunächst wenig. Was das UN-Gremium zu seinem Fall | |
meint, ist rechtlich nicht bindend. Zwar ist es diplomatisch unangenehm für | |
Staaten, in die Nähe von Menschenrechtsverletzungen gerückt zu werden. Dass | |
das aber bewirkt, dass Großbritannien auf eine Festnahme Assanges | |
verzichtet, sobald er die Botschaft verlässt, ist eher unwahrscheinlich. | |
Bis zum frühen Donnerstagabend sah es nicht danach aus. „Der Vorwurf der | |
Vergewaltigung besteht weiter, und es gilt ein europäischer Haftbefehl, und | |
deswegen ist Großbritannien weiterhin verpflichtet, Herrn Assange an | |
Schweden auszuliefern“, so eine Regierungssprecherin. | |
## Assange droht in Vergessenheit zu geraten | |
Heißt konkret: Gut möglich, dass nun wenig passiert. Assanges Anwälte | |
forderten zwar, den schwedischen Auslieferungsantrag gegen Assange fallen | |
zu lassen. Und auf dem Wikileaks-Twitteraccount wurde für Freitag eine | |
Pressekonferenz angekündigt – mit Assanges Anwälten und ihm selbst. Auch | |
das ist nichts Besonders. Assange lässt sich öfter per Videotelefonie zu | |
Konferenzen zuschalten. | |
Assange und seinen Unterstützern bleibt kaum etwas anderes übrig, als | |
regelmäßig Wind zu machen. Der Mann, dessen Veröffentlichungen einst die | |
Mächtigen weltweit zittern ließen, droht in Vergessenheit zu geraten – | |
trotz der Leaks zur Schweizer Bank Julius Bär, zu Scientology, zur | |
isländischen Kaupthing-Bank, zu geheimen TollCollect-Verträgen und zur | |
Planung der Massenpanik-Loveparade von 2010. | |
Selbst die Leaks, mit denen er die USA gegen sich aufbrachte – geheime | |
Militärdokumente über das Gefangenenlager Guantánamo, die Afgan War Logs, | |
hochumstrittene unredigierte Veröffentlichung einer Viertelmillion | |
US-Diplomatendepeschen – sind längst in den Schatten gestellt durch die | |
Veröffentlichungen von Edward Snowden. | |
Unabhängig davon, was man von der als schwierig bekannten Person Assange | |
halten mag – und auch unabhängig davon, ob die UNO nun Bewegung in die | |
Sache bringt: Es ist klug von Assange, sich immer wieder in Erinnerung zu | |
rufen. Eine Praxis, an der er sich mit wechselndem Erfolg schon seit Jahren | |
versucht. Denn die öffentliche Aufmerksamkeit ist der einzige Schutzschild, | |
der ihm noch geblieben ist. Die letzte Verteidigungslinie. Hängt er doch | |
weiterhin vom Goodwill anderer ab. | |
Je ruhiger es um jemanden wird, der sich mit mächtigen Feinden angelegt | |
hat, desto gefährlicher für ihn. | |
4 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/wikileaks/status/695084493825273856 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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