| # taz.de -- Die Wahrheit: Modeblähungen | |
| > Tagebuch einer Unverzichtbarkeitsforscherin: Auf ein Boxspringbett kommen | |
| > 700 Cappuccini, aber die dann bitte ohne Kakao. | |
| In regelmäßigen Intervallen erreicht auch mich die neueste „Must-have“- | |
| oder „Must-do“-Welle. Sie beginnt langsam und steigert sich bis zum | |
| Tsunami, wobei sich an den Grund der Unverzichtbarkeit irgendwann keiner | |
| mehr erinnert. Seit einiger Zeit geht zum Beispiel Schlafen nur noch in | |
| Boxspringbetten. Läden werben monatelang für Matratzenburgen, bis ich von | |
| zermürbenden Albträumen geplagt werde. Keinen Tag länger kann ich ohne | |
| Boxspringbett leben, und wenn doch, werde ich bis ans Ende meines Daseins | |
| mit Insomnia und „Rücken“ bestraft! Einziger Ausweg: könnte sein, es | |
| handelt sich um eins dieser klassischen „Dinge, die die Welt nicht | |
| braucht“. | |
| Ratsuche im Kreis der Freunde führt zu Überraschungen. Man glaubt gar | |
| nicht, wie es unter der Oberfläche der Gesellschaft brodelt! „Boxspring!“, | |
| jault einer, „hat mein Nachbar unter mir sich grad gekauft und kaut mir ’n | |
| Ohr ab, wie toll er jetzt schläft! Ich halt das ja für Autosuggestion.“ – | |
| „Pah, auf ein Bett kommen 700 Cappuccinos, und die sind erst mal ’n | |
| Problem!“ – „Ni.“ – „Was?“ – „Cappucci-ni. Und was ist das ü… | |
| ’ne Vergleichsrechnung?“ – „Ist doch egal. Hauptsache, mir sagt jemand,… | |
| damit angefangen hat, dass einem bei jeder Bestellung Kakao in den Kaffee | |
| geschaufelt wird. Mit dem würd ich gern mal ’n Wörtchen reden. | |
| Macht das etwa irgendjemand in Italien? Ungefähr so: Bittä, Signora, hier | |
| ist das, was man allgemein unter Cappuccino versteht, hab ich aber noch mal | |
| was dazu improvisiert, sieht super aus, gibt’s auch ganz umsonst dazu …“ | |
| „Genau! Und in jedem Mineralwasser schwimmt jetzt ’ne Zitronenscheibe, nix | |
| Bio, sondern schön mit Pestiziden! Und diese labbrigen Salatblätter auf | |
| Wurstbrötchen, die sind auch total überflüssig.“ – „Wir waren neulich … | |
| mal in so ’nem Regional-Saisonal-Restaurant, dreierlei Moos an Lößerde und | |
| so was. Also wir kamen da raus wie Heliumballons, so ’ne Blähungen! Nach | |
| ’ner Höllennacht haben wir denen morgens Feedback gegeben, schon wegen der | |
| Gäste, die nach uns kommen. Dachten, die sind dankbar. Aber denkste. Sagen | |
| die, der Magen müsste sich an Neues gewöhnen, wir sollten einfach öfter bei | |
| ihnen essen.“ – „Auch ’n Geschäftsmodell!“ | |
| Allgemeine Heiterkeit. Nach längerer Diskussion liegen in der | |
| Endausscheidung um den Pokal für die überflüssigste Unverzichtbarkeit | |
| schließlich noch Passionsfruchtglitsch auf Käsetellern, der | |
| Rubbellos-Verkauf auf Ryan-Air-Flügen und dasunausrottbare „Schönen Tag | |
| noch“. | |
| Eine Woche später berichtet der Freund mit dem Boxspringbett-Nachbarn von | |
| einem veritablen Wasserschaden, den er inzwischen leider verursacht hat und | |
| bei dem im Laufe mehrerer Stunden sehr viele Liter von oben durch die Decke | |
| in die Schlafstatt des Nachbarn geronnen sind. Der besitzt jetzt kein | |
| Boxspring-, sondern ein Wasserbett. Die waren auch schon mal ein Muss, und | |
| weil sich Trends wiederholen, ist er jetzt auf jeden Fall gleich ganz vorn | |
| dabei. | |
| Also, schönen Tag noch! Außer natürlich, Sie haben andere Pläne. | |
| 4 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Pia Frankenberg | |
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