# taz.de -- Prozess gegen Niels Stolberg: Geständnis eines Erfolgsverwöhnten | |
> Vor Gericht verrichtet der einstige Bremer Vorzeige-Reeder und | |
> „Unternehmer des Jahers“ von einst Niels Stolberg Trauerarbeit. | |
Bild: Oben: Niels Stolberg mit Ehefrau Eladan beim Schaffermahl 2008 im Bremer … | |
BREMEN taz | Gebrochen, resigniert, den Tränen nahe war Bremens | |
„Unternehmer des Jahres 2006“, Niels Stolberg, als er am Mittwoch dieser | |
Woche den letzten Satz seines Geständnisses vor der Großen Strafkammer des | |
Landgerichtes verlesen hatte: „Ich habe mein komplettes berufliches | |
Lebenswerk verloren“, erklärt er, „endlich“ komme der Prozess und er hof… | |
„irgendwann in aller Ruhe“ sein „zweites Leben“ beginnen zu können. | |
Der Mann im Gerichtssaal war ein komplett anderer Mensch als der strahlende | |
Unternehmer, den Bremen jahrelang erlebt hatte – bis er im März 2011 ohne | |
Vorankündigung die Schlüssel für seine Schwergut-Reederei abgeben musste. | |
Der US-Finanzinvestor Oaktree hatte das Unternehmen übernommen und Stolberg | |
wegen Betruges angezeigt. Zu Recht, wie Stolberg in seinem Geständnis | |
einräumte. | |
In nur zwölf Jahren war Niels Stolberg, von Hause ein kleiner Mann, ganz | |
groß geworden. 1960 in Brake geboren, Mutter Buchhändlerin, Vater Kapitän. | |
Der Sohn schwärmte für die See, lernte das Kapitänshandwerk. Mit nur 25 | |
Jahren und 50.000 GmbH-Euro Kapital gründete er im Jahre 1995 die Beluga | |
Shipping GmbH, als Firmensitz diente eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Bremer | |
City. Anfangs gab es nicht einmal eine Sekretärin. | |
13 Jahre später hatte das Unternehmen 1.600 Mitarbeiter und Büros weltweit | |
. Stolberg baute, mitten in der Schifffahrtskrise, einen | |
30-Millionen-Firmensitz auf einem der repräsentativsten Grundstücke der | |
Stadt, mit Blick auf die Weser. „Ich stand als Kapitän auf der Brücke“, | |
erklärte er dem Gericht, „das Unternehmen war mein Leben.“ Er habe „rund… | |
die Uhr gearbeitet“. | |
Doch dann kam die Krise. Vorher hatte die Reederei pro Tag 20.000 Euro | |
Gewinn gemacht, nun waren es pro Tag 6.000 Euro Verlust. Und keine | |
Rücklagen. Stolberg wollte die Krise durchstehen, bekannte er vor Gericht, | |
sie konnte ja nicht wirklich lange dauern. „Ich hatte zuvor mit meinen | |
optimistischen Prognosen immer richtig gelegen.“ Er sei als Mutmacher der | |
Nation ausgezeichnet“ worden, sagte er vor Gericht. „Schließlich war ich | |
ein erfolgreicher Unternehmer.“ | |
Stolberg, so sah er sich selbst, hatte den konservativen Reederkreisen | |
gezeigt, wie man erfolgreich wirtschaftet. In China billig Schiffe bauen | |
lassen, in Bremen bei Werder Bremen einsteigen als Sponsor und Aufsichtsrat | |
– mancher Millionär habe ihm das gedankt und sich mit Schiffsbeteiligungen | |
bei ihm engagiert. | |
Aber Stolberg spendete auch für kulturelle und soziale Projekte, die | |
Angestellten konnten sich mit ihrem Unternehmen identifizieren. „Geradezu | |
wütend“ mache ihn, so bekannte er vor Gericht, wenn Leute behaupten, er | |
habe das nicht aus Überzeugung, sondern nur als Marketing-Kalkül gemacht. | |
Nein, er habe sich „zu keinem Zeitpunkt persönlich bereichern“ wollen in | |
den Jahren des Beluga-Erfolgs, im Gegenteil – am Ende habe er privates Geld | |
in das Unternehmen gesteckt in der Hoffnung, die Krise überstehen zu | |
können. | |
Seine „privaten“ Firmen wurden von den Beluga-Angestellten nebenher | |
mitverwaltet. Doch das Wachstum brachte Probleme mit sich, „die Beluga | |
Family löste sich auf“, sagte Stolberg. Der „Beluga-Spirit“, alles für … | |
Unternehmen zu geben, war bei den alten Angestellten da, nicht bei allen | |
neuen. Er selbst habe auch Fehler gemacht, sein Verhalten sei „oft nicht | |
vertrauensfördernd“ gewesen. Außerdem gab es mehrere Piraten-Überfälle auf | |
seine Schiffe, das habe ihn gestresst. | |
Ungefähr ab 2009 habe er dann den Überblick verloren. In der Krise war der | |
erfolgsverwöhnte Unternehmer offenbar komplett überfordert: Die kriminellen | |
Tricksereien, mit denen er seinen Banken frisches Geld entlockte, und dann | |
die Bilanzfälschungen für das große Geld des Oaktree-Fonds waren recht | |
schlicht. | |
Vor Gericht drehte Stolberg die Geschichte um: Die Fälschungen seien so | |
offensichtlich gewesen, dass beide Partner, sowohl die Banken wie die | |
Oaktree-Leute, sie durchschaut haben mussten, also im Grunde mitgespielt | |
hätten, behauptete er. Bei 16 Schiffsfinanzierungen hatte er, wie ihm die | |
Anklageschrift vorwirft, mit dem niederländischen Schiffbauer Volharding | |
drastisch überhöhte Honorare vereinbart, die Differenz floss auf | |
Privatkonten von Stolberg zurück. | |
Durch diese „Drehung“, wie Stolbergs ehemaliger Chefcontroller den | |
Kick-off-Deal vor Gericht bezeichnete, wurden die Banken dazu gebracht, den | |
höheren Kaufpreis zu finanzieren – Stolberg holte sich das Eigenkapital, | |
das er in Aufträge einbringen musste, sozusagen über den Betrug wieder | |
zurück. Die Banken wurden nicht stutzig, ein Anruf bei der Werft in China | |
hätte die Sache auffliegen lassen, räumte der Chefcontroller vor Gericht | |
ein. | |
„Kreativer Eigenkapitaldarstellung“ sei das gewesen, so Stolberg, | |
branchenüblich. Und dann die Fälschung der Bilanz 2009: Mitten in der | |
Schifffahrtskrise hatte Beluga große Aufträge von neuen Auftraggebern, drei | |
Gesellschaften aus Panama unter derselben Adresse, in die Bücher | |
geschrieben. Das hätte den Wirtschaftsprüfern von Ernst & Young doch | |
auffallen müssen, erklärte Stolberg vor Gericht: „Nicht vorstellbar, dass | |
die teuren Wirtschaftsprüfer das nicht bemerkt haben wollen.“ | |
Das unterstellt, dass Oaktree ihn reingelegt hat – um ihn anschließend aus | |
seiner eigenen Firma rauszuschmeißen. So naiv, wie die Betrugsversuche | |
damals waren, sind Stolbergs Versuche heute, sich damit von Schuld | |
reinzuwaschen. Immer wieder formuliert er den Satz, es sei doch eigentlich | |
kein Schaden entstanden. Auch bei Oaktree nicht – schließlich fahre die | |
Oaktree-Tochter Hansa Heavy Lift mit Sitz in Hamburg heute mit seinen | |
Schwergut-Schiffen und sei „Weltmarktführer“. | |
Das klang richtig neidisch. Oaktree aber war das bessere Schlitzohr. | |
31 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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