# taz.de -- Reederei-Pleite vor Gericht: Der Außenseiter Niels Stolberg | |
> Während das Landgericht gegen den Gründer der Beluga-Reederei verhandelt, | |
> fragen sich Viele, warum Bremen ihm nicht geholfen hat, als er in | |
> Schwierigkeiten geriet. | |
Bild: Saß in Bremen zischen allen Stühlen: Reeder NIels Stolberg. | |
BREMEN taz | In einem Themenschwerpunkt zur Geschichte der Bremer | |
Schwergut-Reederei Beluga und dem Prozess gegen Firmenchef Niels Stolberg | |
wirft das im ostfriesischen Sandstedt erscheinende Umwelt-Magazin Waterkant | |
die Frage auf, ob es nicht auch „Politikversagen“ gibt beim Scheitern | |
dieses ambitionierten Unternehmens. Jahrelang hatte Stolberg Erfolg, wurde | |
gelobt für seine innovativen Projekte und sein Sponsoren-Engagement, er war | |
ein Bremer Vorzeigeunternehmer. In der Krise half ihm niemand mehr. Warum | |
nicht? | |
Stolberg war ein erfolgreicher Unternehmer nach amerikanischen Muster, sein | |
Unternehmen hatte keinen Betriebsrat und keinen Kontakt zum | |
sozialdemokratischen Gewerkschafts-Milieu. Auch im Kreise der | |
alteingesessenen Bremer Familien und CDU-orientierten Unternehmer war | |
Stolberg ein Fremder. Als er verkündete, ein modernes pädagogisches | |
Oberstufen-Zentrum, die „Beluga-School“, zu gründen und zu finanzieren, | |
wurde das von der Bremer Bildungssenatorin äußerst distanziert behandelt. | |
Eine Kommunikationsbasis für vertrauensvolle Gespräche in der beginnenden | |
Schifffahrtskrise 2009 gab es also nicht. | |
## Bremen kann keine Industriepolitik | |
Bremen als Bundesland hat sich zudem immer wieder auch als zu klein für | |
große Industriepolitik erwiesen. Im Falle der Vulkan-Werft gab es zwar gute | |
Beziehungen zwischen dem sozialdemokratischen Werft-Chef Friedrich | |
Hennemann, selbst ehemaliger Wirtschaftsstaatsrat, und dem | |
sozialdemokratischen Senat. Eine industriepolitische Kontrolle fand aber | |
nicht statt und als aus dem Vulkan ein internationaler Konzern geworden | |
war, der sich mit den Investitionsgeldern für den Aufbau Ost verzockt | |
hatte, war Bremens Portokasse viel zu klein, um noch etwas zu retten. | |
Überhaupt hat das Schicksal der Werftindustrie in Bremen die traumatische | |
Erfahrung hinterlassen, dass man mit Steuergeld zeitweise „Arbeit kaufen“, | |
nicht aber industriepolitische Weichen stellen kann. | |
Dabei gibt es das positive Beispiel der Stahlwerke, die durch staatliche | |
Geldspritzen in den 1990er-Jahren gerettet wurden. Mit dieser | |
„Rettungsaktion“ wurde der Verkauf der Stadtwerke gerechtfertigt, also ein | |
großer Verzicht auf industriepolitischen Einfluss. | |
Der „Schaden“, der dem amerikanischen Hedgefonds Oaktree für seine | |
Beluga-Rettung entstanden ist, wird vor Gericht auf nur zehn Millionen Euro | |
beziffert und die Nachfolge-Gesellschaft „Hansa Heavy Lift“ macht mit rund | |
20 Beluga-Schiffen von Hamburg aus heute noch Gewinne. So fragen sich die | |
Waterkant-Autoren Christoph Spehr und der interviewte | |
Radio-Bremen-Journalist Rainer Kahrs, ob mit einer solchen Summe das Land | |
Bremen nicht das Unternehmen für Bremen hätte retten können. | |
## Die KfW rettete lieber andere Reeder | |
Niels Stolberg selbst hat vor Gericht einen Hinweis darauf gegeben, warum | |
das nicht passierte – er hat bis zuletzt gepokert und darauf gesetzt, dass | |
er mit einem Schwindel erregenden Schneeball-System immer wieder neue | |
Liquidität bekommen könnte. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die | |
die Hamburger Hapag-Lloyd-Reederei mit einer großen Summe gestützt hatte, | |
verweigerte sich aber bei Beluga. Warum, wird die Öffentlichkeit vermutlich | |
nie erfahren. Entweder hat Hamburg eine bessere Lobby als Bremen – oder | |
Stolbergs expansives Pokerspiel war der KfW suspekt. Nur mit einer | |
drastischen Schrumpf-Strategie wäre das Unternehmen möglicherweise zu | |
retten gewesen, das räumte Stolberg selbst inzwischen rückblickend ein, | |
aber davon wollte er damals nichts wissen. | |
Stolberg hat es daher vermieden, Kontakt zum Bremer Senat aufzunehmen. Noch | |
im Mai 2010, so erinnert sich der Bremer Wirtschaftsstaatsrat Heiner | |
Heseler, war Stolberg mit ihm auf der Expo in Shanghai – keine Andeutung | |
von Problemen. Das war die Zeit, in der Stolberg nach eigenem Geständnis | |
längst den Überblick verloren hatte und in geradezu dilettantischer Weise | |
seine Unternehmensbilanzen fälschte, um Oaktree über den Tisch zu ziehen. | |
Das erste Beluga-Krisengespräch des Bremer Wirtschaftsstaatsrates fand dann | |
erst im Frühjahr 2011 statt – schon mit dem Oaktree-Verantwortlichen | |
Hermann Dambach. Der lehnte ein Einmischen des Bremer Senats kühl ab, so | |
erinnert sich Heseler. Vermutlich hatten die Oaktree-Experten längst | |
erkannt, dass die krisengeschüttelte Beluga für sie zu einer fetten Beute | |
werden könnte. Am 3. März 2011 nahm Oaktree dem Firmengründer Niels | |
Stolberg die Schlüssel ab. | |
2 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
## TAGS | |
Niels Stolberg | |
Reederei | |
Hedgefonds | |
Bremen | |
KfW | |
Insel | |
Niels Stolberg | |
Bremen | |
Niels Stolberg | |
Niels Stolberg | |
Betrug | |
Niels Stolberg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schnellfähre für Spiekeroog: Nur ein Sandhaufen unter vielen | |
Wer nach Spiekeroog wollte, musste das wirklich wollen, weil die Insel so | |
schlecht zu erreichen war. Das ist Vergangenheit: Der Anfang vom Ende? | |
Verfahren wegen Betrugs und Untreue: Unternehmer-Darling verurteilt | |
Wegen schwerer Untreue und Bilanzfälschungen ist Niels Stolberg zu | |
dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Der Ex-Vorzeige-Reeder wird die | |
Strafe wohl nicht antreten. | |
Prozess gegen Niels Stolberg: Geständnis eines Erfolgsverwöhnten | |
Vor Gericht verrichtet der einstige Bremer Vorzeige-Reeder und „Unternehmer | |
des Jahers“ von einst Niels Stolberg Trauerarbeit. | |
Aufstieg und Fall eines Reeders: Flieg nicht zu hoch, mein kleiner Freund | |
Niels Stolberg wollte immer mehr sein als der gefeierte Unternehmer: Er | |
richtete Studiengänge ein und gründete Waisenhäuser. Eine Würdigung. | |
Prozess um Reeder: Tränen ums Lebenswerk | |
Der gescheiterte Reeder Niels Stolberg hat ein Geständnis abgelegt und | |
übernimmt die Verantwortung für die Betrugsmanöver seiner Firma. | |
Reeder in Bedrängnis: Erfolgsmensch vor Gericht | |
In Bremen beginnt der Prozess gegen den erfolgreichen Schwergutreeder Niels | |
Stolberg. Systematisch und über Jahre soll er Geschäftspartner betrogen | |
haben. | |
Stress auf Spiekeroog: Auf der Insel der Unfriedlichen | |
Auf Spiekeroog investiert der Reeder Niels Stolberg in ein Touristikprojekt | |
nach dem anderen. Das spaltet die Bevölkerung, die Ruhe ist dahin. |