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# taz.de -- Kolumne Mittelalter: Zum Gedenken
> Überall in Europa darf man gegen Flüchtlinge hetzen – warum nicht bei
> uns? Überlegungen zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.
Bild: Gedenken an der schwarzen Wand des KZ Auschwitz-Birkenau
Montagabend in Berlin-Mitte, volles Haus bei der Buchpremiere von „Der
tiefe Staat“ in der Tucholsky-Buchhandlung.
Autor Jürgen Roth streitet mit Politikwissenschaftler Hajo Funke, moderiert
von Timo Reinfrank.
Der hat die Zahlen des Abends: 73 Übergriffe auf Flüchtlinge und 15
Brandanschläge im noch so unschuldig scheinenden Jahr 2016 (!) – Goebbels
Sportpalastvision von „Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!“ scheint
spätes Gehör gefunden zu haben.
Spiegeln die Zahlen der Amadeu-Antonio-Stiftung also einen ,wie Jürgen Roth
es formuliert, „genetischen Fingerabdruck“ wider: eine Kontinuität
nationalsozialistischer Ideologie und krimineller Energie, die sich durch
die Geschichte der Bundesrepublik (und auf andere Art auch der DDR)
verfolgen lässt?
Und zweite Frage: Sind die Anschläge von Nazikadern geplant oder entstehen
sie spontan aus der daueralkoholisierten Öde des Landlebens?
Man wird jedenfalls sagen müssen, dass die von der Polizei kaum einmal
dingfest zu machenden TäterInnen einen höchst wirkungsvollen Guerillakrieg
entfesselt haben – gerade im Vergleich zu den schon sprichwörtlich
unsichtbaren Aufständen der Linken.
## Fisch im Wasser des deutschen Volkes
Sehen sich inzwischen doch nicht nur die Volksparteien, sondern auch Teile
(Boris Palmer, Sahra Wagenknecht) des linksliberalen Spektrums veranlasst,
die Forderungen der verbrecherischen Brandstifter und ihrer legalen
Alternative für Deutschland auf- und entsprechend „hart durchzugreifen“,
wie es Freiburgs Bürgermeister Dieter Salomon für die jederzeit zu
identifizierenden kriminellen Migranten verlangt.
Gegen die sich wie ein Fisch im Wasser des deutschen Volkes bewegenden
biederen Brandstifter wäre eine solche Nullaussage ja nur noch nulliger.
Insbesondere mit einer Polizei in Baden-Württemberg mit ihrer belegten Nähe
zu Organisationen wie dem Ku-Klux-Clan. Hajo Funke beschrieb diesen
konkreten historischen Moment, den wir gerade leben, als „umkämpfte,
krisenhafte Situation“. Aber: „Wir sind nicht in den 1930er Jahren.“
Roth ist pessimistischer – weil er tief in die schmutzigen Amtsstuben der
Freistaaten Sachsen und Thüringen eingestiegen ist. In diesen
problematischen Gebilden stand (Thüringen) und steht (Sachsen) die
engagierte BürgerIn tatsächlich nicht nur den Nazis, sondern mit ihnen – zu
welchen trüben Zwecken auch immer – verbündeten Institutionen gegenüber:
„Tiefer Staat“ eben.
## Naheliegendes wie Verdrängtes
Gefragt, ob er die Sache mit dem Rechteextremismus nicht zu
deutschzentriert sehe, sagte Roth dann noch etwas so Naheliegendes wie
Verdrängtes: Deutschland ist das Land des Holocaust.
Wer hierzulande für Pegida auf die Straße geht, wer AfD wählt, wer
Hasskommentare in sozialen Medien schreibt, wer Unterkünfte für vertriebene
Menschen anzündet, der tut das in der Nachfolge des industriellen
Massenmords an den Juden. Das muss man wissen.
Heute vor 71 Jahren wurden die Überlebenden des Vernichtungslagers
Auschwitz von der Roten Armee befreit.
27 Jan 2016
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Mittelalter
Holocaust-Gedenktag
Flüchtlinge
Journalismus
Migration
Kölner Dom
Ambros Waibel
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