# taz.de -- Hans und Hilde Coppi im NS-Widerstand: Am Rande der Stadt | |
> Hans Coppi wäre am 25. Januar hundert Jahre alt geworden. Ein fast | |
> vergessener Kämpfer gegen die Nazis. Aber eben nur fast. | |
Bild: Hier sind Hans und Hilde Coppi noch präsent: das Coppi-Gymnasium in Berl… | |
BERLIN taz | Es passt, dass der Ort, wo an ihn gedacht wird, am Stadtrand | |
Berlins liegt. Weit im Osten der Stadt, in einem Gymnasium des Bezirks | |
Karlshorst, wird am 25. Januar Hans Coppi mit einem Festakt gedacht. Er | |
wäre an diesem Tag hundert Jahre alt geworden. Ein Widerstandskämpfer gegen | |
den Nationalsozialismus. | |
Aber während alljährlich im Juli die Bundesprominenz dem Hitler-Attentäter | |
Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seinen Gefährten mit einem Festakt | |
im Zentrum der Hauptstadt gedenkt, wird die Feier an diesem Montag im | |
Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium bescheiden sein. Die Schule hat eingeladen: | |
Mitglieder der Familie Coppi, die Vereinigung der Verfolgten des | |
Naziregimes, den Leiter der Gedenkstätte deutscher Widerstand, | |
Lokaljournalisten, Bezirkspolitiker. | |
Der militärisch-konservative Widerstand hat sich in das deutsche | |
Kollektivgedächtnis eingeprägt. Der vielfältige zivile Widerstand, | |
politisch oder weltanschaulich orientiert, verschwindet dahinter. So wie | |
der Widerstand von Hans Coppi und seiner Frau Hilde. | |
Ihr Leben muss man sich als ein Daumenkino vorstellen. Ein Bilder-Fächer, | |
dessen Grausamkeit sich umso stärker entfaltet, da er so sonnig beginnt. | |
Die ersten Szenen zeigen ein jung verliebtes Paar. | |
## Hochzeit im Sommer 1941 | |
Hans Coppi, einst Schüler der reformpädagogischen Schulfarm Scharfenberg, | |
jobbt als Dreher in einer kleinen Maschinenfabrik. Einer wie er kann nicht | |
landen in Nazi-Deutschland: Jungkommunist ist er, hat Flugblätter gegen das | |
Nazi-Regime verteilt und kommt dafür 1934 zwei Monate ins | |
Konzentrationslager Oranienburg, dann acht Monate in die JVA Plötzensee. | |
Nach der Haft ist vor der Haft, so verläuft sein Leben. Hans Coppi trifft | |
sich weiter mit seinen Scharfenberger Freunden, die wie er denken, und | |
sucht Kontakt zu weiteren Hitler-Gegnern. Wieder Flugblätter – und nun auch | |
Fluchthilfe für bedrohte Regimegegner. | |
Dann sie, Hilde, noch heißt sie mit Nachnamen Rake, gelernte Arzthelferin. | |
Sie arbeitet als Sachbearbeiterin der Reichsversicherungsanstalt für | |
Angestellte. Auch bei ihr verhüllen die Bilder mehr, als sie preisgeben. | |
Hilde hat ihren jüdischen Lebensgefährten Franz Karma ans Exil verloren, es | |
war seine Konsequenz aus der Reichspogromnacht 1938. In der Folge wendet | |
Hilde sich umso mehr kommunistischen Freunden zu. Leuten, die wie sie etwas | |
gegen die Nazis haben. | |
Das Daumenkino zeigt Hans und Hilde das erste Mal beim Neujahrsspaziergang | |
1940. Sie haben sich gerade kennengelernt. Er ist 24, sie sieben Jahre | |
älter. Es zeigt sie beim Paddeln auf dem stillen Lehnitzsee nördlich von | |
Berlin. Beim Zelten, Schwimmen, Skifahren. Sie lesen viel, den so deutschen | |
Goethe und den eleganten Kommunisten Kisch; sie hören Musik, Konzerte von | |
Mozart und genau so Ernst Buschs Arbeiterlieder. Ein modernes, | |
bildungshungriges Paar, intellektuelles Proletariat, würde man heute wohl | |
sagen. Im Sommer 1941 feiern sie ihre Hochzeit mit Freunden in ihrer | |
Gartenlaube am nördlichen Stadtrand. | |
## „Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk“ | |
Doch es entfalten sich auch andere Sequenzen, meist im Dunkel der Wohnungen | |
von Freunden oder im Schatten des waldigen Berliner Nordens, in | |
Abgeschiedenheit: Hans Coppi im Gespräch mit dem Widerstandskämpfer Harro | |
Schulze-Boysen, der ihm wenige Tage vor dem Überfall auf die Sowjetunion | |
zwei Funkgeräte übergibt. Hans Coppi beim Morsen. Es klappt aber nicht mit | |
der Funkverbindung nach Moskau. Hans Coppi beim Adressieren und Eintüten | |
Hunderter gedruckter Exemplare von Harro Schulze-Boysens Flugschrift „Die | |
Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk“, bei deren unauffälligem | |
Versenken in Briefkästen. | |
Dann Hans und Hilde Coppi am 17. Mai 1942 im nächtlichen Berlin. Sie kleben | |
Spuckis – Zettel, die sie wie eine Briefmarke nur anlecken müssen, damit | |
sie haften. Darauf steht: „Krieg – Hunger – Lüge – Gestapo – Wie lan… | |
noch?” Ihr Protest gegen die NS-Propaganda-Ausstellung „Das | |
Sowjet-Paradies“. Später mit dem Moskauer Emissär Albert Hößler, der mit | |
einem Funkgerät über Ostpreußen abgesprungen ist und sich Mitte August 1942 | |
nach Berlin durchschlägt. | |
Sie sorgen für Unterkunft, Kleidung, Lebensmittel. Hilde beim Abhören von | |
Radio Moskau, sie notiert sich die Adressen von deutschen Kriegsgefangenen, | |
will Familien darüber informieren, dass ihre im Krieg vermissten Söhne und | |
Väter in sowjetischer Gefangenschaft überlebt haben. | |
## Am 12. September 1942 verhaftet | |
Die entscheidende Szene in Hans und Hilde Coppis Leben zeigen die Bilder | |
nicht, sie spielt sich im Off ab. In Brüssel nimmt die Ordnungspolizei am | |
30. Juni 1942 den Funker Johann Wenzel fest. Gestapo-Beamte foltern ihn, | |
erpressen den Code zur Entschlüsselung der Moskauer Funksprüche – und | |
decodieren eine Depesche, in der Harro Schulze-Boysen als Kontaktperson in | |
der Hauptstadt genannt ist. | |
Die Gestapo bildet die „Sonderkommission Rote Kapelle“, rot steht für | |
bolschewistisch, Kapelle für eine Combo von „Pianisten“, die an der | |
Morsetaste aufspielen. Die Geheimpolizei spürt in den nächsten Wochen über | |
120 Angehörige verschiedener Berliner Widerstandskreise auf, die mit | |
Schulze-Boysen in Verbindung gebracht werden können. In den folgenden | |
Prozessen stellt das Reichskriegsgericht dieses Konglomerat an | |
Widerstandskreisen als ein aus Moskau gelenktes Spionagenetz dar. | |
Die „Rote Kapelle“ ärgert die Nazis besonders. Sie ist ein Affront, denn | |
hier tun sich Antifaschisten verschiedener sozialer Milieus und politischer | |
Ansichten zusammen. Adlige und Bürgerliche, Künstler und Arbeiter, | |
Sozialdemokraten und Kommunisten, Christen und Freidenker, Angestellte, | |
Schüler und Studenten, vereint in ihrem Widerstand gegen die Nazis. Und | |
mittendrin Hans und Hilde Coppi. | |
Und so gleitet ihr Lebensfilm ins Dunkel ab. Die nächsten Bilder zeigen | |
Hilde am 12. September 1942, wie sie von der Gestapo verhaftet wird. | |
Schwarze Limousinen, Männer in Hut und Ledermantel, im Hintergrund die | |
Laube im Berliner Stadtteil Reinickendorf. Hans und Hilde sind seit einem | |
Jahr verheiratet, Hilde ist hochschwanger. Auch Hans Coppi wird gefasst. | |
Nach Verhör und Folter in der Prinz-Albrecht-Straße 8 – wo heute die | |
Gedenkstätte Topographie des Terrors an die Nazizeit erinnert –, ist Hans | |
im „Hausgefängnis“ der Gestapo zu sehen, konzentriert Briefe an seine Frau | |
schreibend. Hilde sitzt im Frauengefängnis Barnimstraße. | |
## In Plötzensee ermordet | |
Dann der 27. November 1942, etwas Licht im Dunkel, Hans Coppi junior wird | |
geboren, die Großeltern haben Windeln ins Gefängnis geschickt. Am 9. | |
Dezember schreibt Hans seiner Hilde: „Nun habe ich ja gestern unseren | |
Jungen gesehen und angestaunt. Es war gut, dass ich ihn wenigstens | |
berührte, sonst glaubte ich heute, es war ein schöner Traum. Ganz bin ich | |
noch gar nicht wieder hier in meiner Zelle, vieles, was ich gestern sah, | |
kommt mir erst jetzt ins Bewusstsein.“ Es ist sein letzter Brief. | |
Am 19. Dezember wird Hans Coppi im Prozess gegen die Hauptangeklagten der | |
„Roten Kapelle“ vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt – Vorbereitung | |
zum Hochverrat, Feindbegünstigung und Spionage. Und der NS-Staat hat es | |
eilig. Am 22. Dezember wird Hans Coppi zusammen mit Harro Schulze-Boysen | |
und weiteren neun zum Tode Verurteilten in Plötzensee ermordet. | |
Die Bilder: nur noch grau in grau. Hilde in der Haft, ein gutes halbes Jahr | |
noch, auf der Krankenstation – wo soll eine Frau mit Säugling sonst auch | |
hin, im Gefängnis, das Kind immer dabei, wickelnd, stillend, im Arm | |
haltend? Der NS-Staat macht ihr am 20. Januar 1943 den Prozess. Auch bei | |
ihr plädiert Chefankläger Manfred Roeder auf Tod. | |
Am 21. Juli sieht sich Adolf Hitler im Führerhauptquartier ein Schriftstück | |
an und setzt vor Hilde Coppis Namen ein Häkchen. Ihr Gnadengesuch ist | |
abgelehnt. Hilde Coppis Leben endet am 5. August 1943, ebenfalls in | |
Plötzensee. Die junge Mutter wird enthauptet, Hans junior der Großmutter | |
ausgehändigt. Er ist neun Monate alt. | |
25 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Uta von Schrenk | |
## TAGS | |
NS-Widerstand | |
Widerstand | |
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