Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Weltwirtschaftsforum in Davos: Zugang zu den Mächtigen
> Vier Tage lang trifft sich die Wirtschaftselite in Davos. Was bringt es
> der Oxfam-Gründerin am Gipfel teilzunehmen?
Bild: Kämpft für globale Gerechtigkeit: Winnie Byanyima.
DAVOS taz | Die Frau aus Uganda fällt hier auf. Winnie Byanyima, 57 Jahre
alt, studierte Luftfahrttechnikerin, ist farbenfroh gekleidet. Sie trägt
einen leuchtend blauen Blazer. Das Kopftuch funkelt in Blau, Grau, Gelb.
Personen wie sie gibt es beim Weltwirtschaftsforum in Davos nur wenige. Auf
den beigefarbenen Teppichen des Kongresszentrums herrscht ein Gewühl von
dunklen Anzügen. Es dominieren die Männer, Manager aus den USA und Europa.
Die Asiaten holen auf. Aber Afrika ist eindeutig unterrepräsentiert.
Erst recht in der Minderheit sind Leute, die sich als Fürsprecher der
Unterprivilegierten verstehen, die den Reichen und Unternehmen etwas
wegnehmen wollen, um es den Armen zu geben. Byanyima ist Geschäftsführerin
der Bürgerrechts- und Entwicklungsorganisation Oxfam. Was tut eine Frau wie
Byanyima hier beim alljährlichen Gipfel der Wirtschaftselite in Davos? Was
bringt diese Veranstaltung für ihr Anliegen?
Die Blicke auf die Smartphones gerichtet, hetzen Hunderte Menschen
durcheinander. Sie sind auf dem Weg zum nächsten Workshop mit
Facebook-Managerin Sheryl Sandberg, haben einen Termin mit einem Finanzier,
von dem sie Geld erhoffen, oder wollen sich vom Microsoft-Vorstand die
künstliche Intelligenz erklären lassen. Viele der Veranstaltungen sind
voll, vor den Türen stehen Schlangen, das Angebot ist groß, die Nachfrage
noch größer.
Bei Byanyima jedoch sind die Besucher überschaubar. Von 30 Plätzen ist die
Hälfte besetzt. Vor der dunkelblauen Wand mit dem WEF-Logo spricht die
Aktivistin mit tiefer, weicher Stimme. Hart ist, was sie sagt. Die 62
reichsten Personen der Erde würden mittlerweile so viel Vermögen besitzen
wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung – über 1.500 Milliarden Euro.
Den Unternehmen, die das Weltwirtschaftsforum (WEF) tragen, wirft sie vor,
sich planmäßig in Steueroasen anzusiedeln: „Die Unternehmen verstecken ihr
Geld vor der Steuer.“ Damit würden sie ihren Heimatstaaten Milliarden
vorenthalten und die riesige Spanne zwischen Arm und Reich weiter
vergrößern. „Stattdessen sollten sie allen Beschäftigten Löhne zahlen, die
für ein menschenwürdiges Leben ausreichen.“
Eine Anklage. Warum lädt Byanyima dazu nicht in London ein, in New York
oder Berlin? Weil sie hier in Davos direkten Zugang hat zu den größten
Konzernen der Welt, zu einigen der reichsten Menschen der Erde und zu
vielen mächtigen Politikern. Es gibt wenige Plätze auf der Welt, an denen
Byanyima ihre politischen Ansprechpartner, die häufig gleichzeitig ihre
Gegner sind, in dieser Anzahl gleichzeitig treffen kann. Denn das WEF wird
getragen und finanziert von den einflussreichsten Unternehmen. Für ihre
Vorstände ist Davos ein fester Termin im Kalender.
## Zum Zuhören zwingen
Und diese Leute müssen ihr hier zuhören. Sie müssen mit ihr reden. Sie
müssen sie ernst nehmen. Die Vorstandsvorsitzenden können zwar vergessen,
was Byanyima ihnen erzählt hat und so weitermachen wie bisher. Aber im
nächsten Jahr oder im übernächsten wird die Frau aus Uganda wieder da sein
und sie fragen: „So what did you do?“ – Was haben sie seit vergangenem Ja…
verändert? „Davos ist eine Plattform, um die globale politische Agenda zu
formen“, sagt Byanyima.
Dafür, dass diese Frau weiter anprangern, fordern und nerven kann, sorgt
Klaus Schwab, 77-jähriger Chef des Weltwirtschaftsforums. Viel ist schon
gelacht worden über den offiziellen Anspruch des Elitegipfels, „den Zustand
der Welt zu verbessern“. Aber Schwab ist es auf seine Art ernst damit.
Deshalb hatte er Byanyima beim WEF im letzten Jahr zur Mitarbeit als
Kovorsitzende eingeladen und ihr so ermöglicht, das Gespräch mit Facebook,
Microsoft, Amazon oder der Schweizer Bank UBS aus einer angemessenen
Position heraus zu suchen.
Und, hat sich in der Welt etwas geändert durch Byanyimas WEF-Engagement?
## Druck auf Konzerne
Sie sagt: „Das Thema der Ungleichheit steht nun auf der Agenda.“ Im
vergangenen Jahr haben die Vereinten Nationen einen Gipfel zur
Entwicklungsfinanzierung veranstaltet, damit einige Milliarden mehr in
armen Ländern ankommen. Die Industrieländerorganisation OECD hat begonnen,
Druck auf Steueroasen wie die Kaimaninseln zu machen. Die Steuervermeidung
durch Konzerne soll erschwert werden.
Und Dutzende Staaten haben ein Abkommen geschlossen, um sich gegenseitig
Informationen über Auslandskonten ihrer Staatsbürger zu übermitteln. Selbst
die Schweiz will mittun. So weit ist es auch deshalb gekommen, weil Leute
wie Byanyima beim WEF und anderswo über Jahre nicht lockergelassen haben.
Dass Davos etwas bringen kann, wissen auch ganz andere Leute, aus ganz
anderem Grund. Zum Beispiel der Präsident des Iran, Hassan Ruhani. Januar
2014: Ruhani, langer schwarzer Mantel, weißer Turban, grauer Vollbart, ist
zu Gast im großen Saal des Davoser Kongresszentrums. Er ist freundlich,
macht Scherze. WEF-Chef Klaus Schwab heißt ihn willkommen, platziert ihn
neben sich im weißen Sessel auf der Bühne und stellt ihm Fragen, die nicht
allzu schwer zu beantworten sind.
## Der friedliche Nachbar
Für Ruhani ist es eine Ehre, für sein Land eine Art Rückkehr aus dem Exil,
in das es wegen seiner angeblichen Anstrengungen, Atombomben zu bauen,
geschickt worden war. Anfang 2014 sind die Verhandlungen über eine Lösung
des Konflikts auf gutem Weg. Und so bekommt der Präsident die Gelegenheit,
sich als friedlicher Nachbar zu empfehlen. Ruhani nutzt die Plattform
Davos, um seine Botschaft zu senden. Die, die er erreichen möchte, sind ja
alle da. Das WEF kann helfen.
Ähnliche Szene dieses Jahr. Mittlerweile ist das Atomabkommen mit dem Iran
unter Dach und Fach. [1][Die meisten Sanktionen wurden bereits aufgehoben].
Der WEF-Manager und Exbundeswirtschaftsminister Philipp Rösler bittet nun
Irans Außenminister Dschawad Sarif auf die Bühne. Der Chefdiplomat, grauer
Anzug, kein Turban, kommt schnell zur Sache. Das Wirtschaftswachstum im
Iran werde dieses Jahr 8 Prozent betragen. Da wäre es doch schön, wenn die
westlichen Konzerne ein paar Milliarden Dollar investierten. Davos – ein
guter Anfang für die neue Wirtschaftspartnerschaft.
Ein guter Anfang – das findet Winnie Byanyima ebenfalls. Mehr aber auch
nicht. Jedes Jahr würden die Entwicklungsländer rund 100 Milliarden Euro
durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung verlieren. „Wir brauchen
einen neuen globalen Ansatz“, sagt Byanyima. Schließlich geht die Schere
zwischen Arm und Reich auf der Welt immer weiter auf. Die weltweite
Ungerechtigkeit, [2][die Oxfam beklagt], nimmt zu und nicht ab.
Lässt sich daran wirklich etwas ändern, indem sie und einige andere mit den
Mächtigen reden?
Byanyima jedenfalls will die Kooperation mit dem WEF fortsetzen, „solange
wir Ergebnisse sehen“. In jedem Fall muss Oxfam noch einige Veranstaltungen
mehr in Davos abhalten, um dieses dicke Brett zu bohren.
22 Jan 2016
## LINKS
[1] /Nach-dem-Ende-der-Iran-Sanktionen/!5266248/
[2] /!5269014/
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Davos
Weltwirtschaftsforum
Oxfam
Export
Entwicklungszusammenarbeit
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Iran
Davos
Davos
Davos
Oxfam
## ARTIKEL ZUM THEMA
Deutsch-afrikanisches Wirtschaftsforum: Made in Africa
Deutsche bauen Stadien, Afrikaner exportieren Textilien: Beim gemeinsamen
Wirtschaftsforum in Berlin herrscht Einigkeit. Nur politisch kriselt's.
Entwicklungsgeld in Afrika: Weltbank unterstützt Steuerflucht
Firmen erhalten günstige Kredite für Entwicklungsprojekte in der
Subsahara-Region – und nutzen Steuerparadiese, stellt Oxfam fest.
Nach dem Ende der Sanktionen: Irans Ölproblem
Nach dem Ende der Sanktionen erhofft sich der Westen lukrative Deals mit
Teheran. Doch die Hoffnung auf den Aufschwung im Iran ist verfrüht.
Amnesty International kritisiert Iran: Neun Jahre alt? Todesstrafe möglich
Im Iran gilt die Todesstrafe auch für Jugendliche: Mädchen dürfen ab neun
Jahren, Jungen ab 15 Jahren hingerichtet werden. Dutzende Fälle sind
dokumentiert.
Wirtschaftsforum für mehr Asyl: Davos sieht Flüchtlinge positiv
Manager und Ökonomen betonen im Schweizer Bergort die Vorteile der
Einwanderung für die betroffenen Länder – Politiker die Nachteile.
Kommentar Weltwirtschaftsforum Davos: Einwanderung und Fortschritt
Flüchtlinge als Chance: Statt Ängsten stellen die Teilnehmer des
Weltwirtschaftsforums das positive Potenzial der Zuwanderung heraus.
Superreiche in der internationalen Politik: Unternehmung Gemeinwohl
Das IWF in Davos ist im Gange. Mit dabei: Superreiche und ihre Stiftungen.
Eine Studie der NGO Misereor übt Kritik an deren Investitionen.
Oxfam-Studie zur sozialen Ungleichheit: Der Reichtum der Elite
Für einen Teil der Welt gelten andere Spielregeln, so die Hilfsorganisation
Oxfam. Laut einer Studie besitzen 62 Superreiche so viel wie 3,6 Milliarden
Arme zusammen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.