| # taz.de -- Sprachloser Senat: Innensenator in der Zwickmühle | |
| > Bürgerschaft ereifert sich über sexuelle Übergriffe und | |
| > Flüchtlingspolitik. Erst danach wird Andy Grote (SPD) zum neuen | |
| > Innensenator gewählt. | |
| Bild: Musst erstmal lauschen, weil es das Protokoll so gebot: Andy Grote | |
| Eineinhalb Stunden lang musste Andy Grote (SPD) in der Senatsloge im ersten | |
| Stock des Plenarsaals im Rathaus einer hitzigen Parlamentsdebatte über | |
| innere Sicherheit, die Vorfälle der Silvesternacht und der | |
| Flüchtlingspolitik lauschen. Eingreifen konnte er nicht: Seine Wahl zum | |
| neuen Innensenator fand erst hinterher statt. Die CDU, die das Thema für | |
| die Aktuelle Stunde angemeldet hatte, verweigerte das Vorziehen des | |
| Wahlgangs, um genüsslich einen sprachlosen Senat vorführen zu können. | |
| Das jedoch misslang CDU-Fraktionschef André Trepoll, denn einen Adressaten | |
| für seine Vorwürfe gab es nicht: Der bisherige Amtsinhaber Michael Neumann | |
| (SPD) hatte von Bürgermeister Olaf Scholz bereits seine Entlassungsurkunde | |
| erhalten und war abwesend, und Grote war noch nicht im Amt. Wo er nach | |
| Trepolls Ansicht auch nicht hingehört, denn außer „einem SPD-Parteibuch und | |
| ausgewiesenen Kiezkenntnissen“ würde den bisherigen Leiter des Bezirksamtes | |
| Mitte nichts für seine Aufgabe qualifizieren. „Absurdes Theater“, nannte | |
| das SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. | |
| Auch von den anderen Oppositionsfraktionen bekam die CDU Gegenwind. Sie | |
| wolle doch nur „Opfer sexualisierter Gewalt an Silvester | |
| instrumentalisieren für eine allgemeine Abrechnung mit der | |
| SPD-Innenpolitik“, kritisierte Christiane Schneider (Linke). Das sei für | |
| ihre Fraktion „nicht akzeptabel“, weshalb sie sich der Debatte verweigere. | |
| Und auch die FDP hielt es für schlechten Stil, über einen Innensenator zu | |
| reden, den man selbst mit Geschäftsordnungstricks am Reden hindere. | |
| Was den früheren Schill-Innensenator Dirk Nockemann (AfD) nicht daran | |
| hinderte, über „die Jagd männlicher Migranten auf deutsche Frauen“ | |
| herzuziehen und Zuwanderung zur „ideologischen Lebenslüge“ zu erklären. | |
| Inhaltlich nicht weit entfernt forderte CDU-Innenpolitiker und | |
| Polizeigewerkschafter Joachim Lenders, „bei der Inneren Sicherheit endlich | |
| die Samthandschuhe auszuziehen und den Abschiebestau zu beenden“. | |
| Eine Debatte war es gleichwohl, in der erste Klarstellungen des neuen | |
| Ressortchefs hilfreich gewesen wären. Denn Grote, der als liberal und | |
| diskursfreudig gilt und auch keine Berührungsängste mit Basisinitiativen | |
| und Stadtteil-Aktivisten kennt, muss in seinem neuen Amt eine Zwickmühle | |
| lösen. Schlüpft er wie sein Vorgänger Neumann in die Rolle des harten | |
| Hundes, wird er sich selbst untreu. Anderenfalls aber wird er den | |
| Hardlinern in CDU, SPD und Polizei als zu lasch. | |
| Welchen Kurs er einschlägt, muss der 47-jährige Grote ab heute beweisen. | |
| Denn nach der Debatte wurde zum neuen Innensenator gekürt. Mit der Mehrheit | |
| von 72 Stimmen bei 43 Nein und drei Enthaltungen bestätigte das Parlament | |
| in geheimer Wahl den Personalvorschlag von SPD-Bürgermeister Olaf Scholz. | |
| Damit hat die rot-grüne Koalition mit ihren 72 Sitzen rein rechnerisch | |
| geschlossen für Grote gestimmt. Immerhin gelang es der CDU mit ihrer | |
| Debattentaktik nicht, dem Sozialdemokraten zusätzliche Unterstützer zu zu | |
| treiben. | |
| 20 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Sven-Michael Veit | |
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