# taz.de -- Funny van Dannen auf Lesereise: Alles ist beseelt | |
> Ein Schaf wird Millionär, zwei Hundefüße verlieben sich. Wenn Funny van | |
> Dannen erzählt, ob mit oder ohne Musik, muss man auf alles gefasst sein. | |
Bild: Todernst wie immer: Funny van Dannen präsentiert sein Album „Fischsupp… | |
„Zwei Bratwürste standen an einem herrlichen Frühlingstag auf und wollten | |
sich über die große Wirtschaftskrise unterhalten. Es ging nicht.“ So | |
beginnt eine von rund 200 Kurzgeschichten, die Funny van Dannen in einer | |
Schublade wiederentdeckt und Ende September letzten Jahres als Buch mit dem | |
Titel „An der Grenze zur Realität“ veröffentlicht hat. | |
Wie er auf die Idee mit den Bratwürsten gekommen ist, weiß er nicht mehr. | |
Die Geschichten stammen aus den Jahren 2007 bis 2010. Jedenfalls stellen | |
die zwei Bratwürste Lisa P. und Marco C. fest, dass sie zu dumm sind, um | |
über die Krise zu reden. „Aber die Menschen sind auch Spinner“, finden sie | |
und tauschen sich über ihr Wissen aus. Menschen hätten Sex und spielten | |
Golf und Musik. Die menschlichen Extremitäten finden sie eklig. „Kein | |
Wunder, dass sie keinen Wert an sich haben“, sagt Marco. Lisa stimmt ihm | |
zu: „Und weil sie keinen Wert haben, müssen sie Werte schaffen, um sich gut | |
zu fühlen.“ | |
Funny van Dannen wirkt unscheinbar für jemanden, der sich solch skurrile | |
Geschichten ausdenkt: schlank, kurze dunkle Haare, unauffälliger Pullover. | |
Der 57-Jährige sitzt in einem Restaurant in Berlin-Dahlem und strahlt | |
Gelassenheit aus. Er lächelt sanft. In den letzten Jahren habe er mehr | |
gemalt und gesungen als Geschichten geschrieben, sagt er. Die Acrylbilder, | |
die auf seiner Website zu sehen sind, wirken wie aus einem Traum: Menschen, | |
die herumstehen, kriechen, kopfüber springen. Auf einem Bild steht ein | |
Schaf in einer Hügellandschaft, auf einem anderen tanzen irre Gestalten mit | |
Pferdeköpfen. | |
Manche Bilder male er ohne Vorlage. „Die sind in der Regel poetischer, aber | |
auch kraftaufwendiger“, sagt er. Für andere benutze er zum Beispiel | |
Werbeanzeigen als Ausgangspunkt für Licht- und Schattenverhältnisse. Anfang | |
Januar konnte er allerdings nicht zeichnen, weil er seine Hand beim | |
Fußballspielen verletzt hat. „Bewegung ist etwas Großartiges!“ Er zeigt | |
beim Gespräch die inzwischen gelb gewordenen Hautstellen. | |
Als er Ende der 70er Jahre aus dem Rheinland nach Berlin zog, machte er | |
eine Ausbildung zum Werbegrafiker, ohne Absicht, den Beruf jemals | |
auszuüben. Funny van Dannen, der mit bürgerlichem Namen Franz-Josef | |
Hagmanns-Dajka heißt, wollte Kunstmaler werden. Er stellte seine Bilder | |
aus, war außerdem Mitglied in mehreren Bands – allerdings ohne großen | |
Erfolg. | |
## Kondome nicht ins Klo | |
Bekannt wurde er für seine Lieder und Texte. Vor ungefähr 20 Jahren | |
veröffentlichte er seine erste CD, live in Hamburg aufgenommen. Im Lied | |
„Gutes tun“ empfiehlt er: „Kondome nicht ins Klo, keine Drogen sowieso / | |
weniger Fernsehen, öfter zu Fuß gehen / auch mal an die im Abseits denken / | |
gebrauchte Pornos dem Altersheim schenken“. Dazu spielt er Gitarre, | |
manchmal Mundharmonika. Die Melodien sind schlicht, ähneln sich stark. Es | |
klingt aufrichtig und ehrlich. | |
Van Dannen findet, dass seine Folkmusik oft unterschätzt wird: „Das muss | |
man erst mal schaffen, dass die Musik mit dem Text eine Einheit ergibt. Für | |
mich ist Einfachheit etwas Positives. Das gibt mir eine größere Freiheit in | |
meiner Ausdrucksmöglichkeit.“ Er versucht, sich treu zu bleiben. Seit 1999 | |
arbeitet er regelmäßig mit der Band Die Toten Hosen zusammen, aber er lässt | |
sich nicht kaufen. „Ich bin kein Auftragskünstler und habe nie für Leute | |
geschrieben. Es gab schon Anfragen, aber ich kann nur das machen, was ich | |
mache. Wenn die das dann mögen, wenn es Schnittmengen gibt – schön.“ | |
Sieben Bücher mit Kurzgeschichten hat er seit 1991 herausgebracht, das | |
letzte vor neun Jahren, „Zurück im Paradies“. Und nun also „An der Grenze | |
zur Realität“. Die lange Pause dazwischen erklärt er damit, dass er | |
eigentlich mit den Geschichten abgeschlossen hatte, bis er im Frühling | |
letzten Jahres doch noch ein paar interessante gefunden hat. Das Erste, was | |
einem bei seinen Texten auffällt, ist die Personifikation von Tieren und | |
Gegenständen. Es ist eine Liebe zu jedem Detail in der Welt, zu jedem Ding, | |
sei es noch so klein und unbedeutend im alltäglichen Leben. | |
Alles ist beseelt. Ein Schaf wird Millionär, zwei Hundefüße von | |
unterschiedlichen Hunden verlieben sich ineinander, zwei Scheiben Zwieback | |
sonnen sich am Strand und zwei Aktenordner wollen ein Kind zeugen. Nur | |
scheinbar handeln die Geschichten von Banalitäten. Die Charaktere | |
philosophieren über den Sinn des Lebens, Werte, Begriffe, Träume, oft geht | |
es um Liebe. | |
## Impulskünstler mit viel Phantasie | |
Das ist witzig und teilweise makaber, manchmal auch traurig. Zum Beispiel, | |
als eine Zwei im Sterben liegt. Oder als ein Junge die Pappel, die nach | |
Mexiko auswandern will, vor den Häcksler wirft. „Das ist der Realität | |
geschuldet“, sagt van Dannen. „Es gibt die Treue und den Betrug, das Glück | |
und das Pech.“ Der Erzählverlauf ist wiederum so weit von der Realität | |
entfernt, wie er nur sein kann. | |
Van Dannens Fantasie scheint grenzenlos. Die Geschichten verblüffen, | |
überraschen und kippen teils bei jedem Satz. Sie folgen ihrer eigenen | |
Logik, die kaum zu kritisieren ist. Die Absurdität der Texte ist das, was | |
sie ausmacht. Das erfrischt und lockt die LeserInnen aus ihren gewohnten | |
Denk- und Wahrnehmungsmustern heraus. Entweder man mag seine Art von Humor | |
oder nicht. „Manchmal wird es zu wirr, zu wild“, sagt van Dannen und lacht. | |
„Ich kann das schon steuern, aber manchmal läuft’s aus dem Ruder.“ | |
Er selbst nennt sich einen Impulskünstler. Er fange irgendwo an und | |
assoziiere dann von einem Gedanken zum nächsten. Am liebsten wäre er | |
Lyriker. Er hat schon viele Gedichte geschrieben, aber die taugen seiner | |
Meinung nach nicht viel. An Lyrik liebt er die größere Freiheit, sich | |
ausdrücken, die universale, musikalische Sprache. „Prosa bleibt ja oft im | |
Rationalen noch sehr verhaftet“, findet er. „Bei Lyrik komm ich aber an | |
meine Grenzen, weil Deutsch nicht meine Muttersprache ist.“ | |
Funny van Dannen ist in Tüddern aufgewachsen, einem nordrhein-westfälischem | |
Ort an der Grenze zu den Niederlanden. Seine Muttersprache ist das | |
Limburgische – eine Sprache, die an den Grenzen von Deutschland, | |
Niederlande und Belgien gesprochen wird. „Vielleicht fehlt mir im Deutschen | |
auch das Lautmalerische, was ich in meiner Muttersprache habe. Aber das | |
soll jetzt keine Entschuldigung dafür sein, dass ich nicht so gut bin, wie | |
ich gern wäre.“ | |
## Sprüche aus 200 Poesiealben | |
Allzu selbstkritisch braucht er jedoch nicht zu sein. Das Poetische dringt | |
auch in seinen Bildern, Kurzgeschichten und Liedern durch. Seine Texte | |
schreibt er alle am Küchentisch per Hand in Poesiealben. „Ich habe | |
wahrscheinlich eine der größten Poesiealben-Sammlungen Deutschlands“, nimmt | |
er an. „Seit 30 Jahren mach ich das schon. Es sind inzwischen | |
wahrscheinlich 200 Büchlein.“ | |
Manchmal hält er dort Sprüche von seinen Kindern fest oder klebt Fotos | |
hinein. Van Dannen ist verheiratet und hat vier Söhne. In seine Poesiealben | |
zeichnet er auch mit Buntstiften kleine Bilder, die ihn schon zu Liedtexten | |
inspiriert haben. Letzten Oktober hatte er zwei Konzerte im Berliner Club | |
Lido. „Das war eigentlich ganz schön, daraus könnte man eine Live-CD | |
machen“, überlegt er. Er singt darüber, wie er eine Bank in die Luft | |
gesprengt hat und dass er im Traum Wolfgang Schäuble verprügelt habe. | |
Ab Mitte März stellt er für einen Monat seine Bilder in der Galerie Fischer | |
in der Xantener Straße in Berlin aus. Darunter ein Acrylbild einer Frau, | |
der er eine Clownsnase verpasst hat, weil er mit der ursprünglichen Nase | |
unzufrieden war. | |
19 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Julika Bickel | |
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