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# taz.de -- Schlager-Ikone Nana Mouskouri wird 80: „Soll ich unruhig zu Hause…
> Nana Mouskouri feiert in Hamburg ihren 80. Geburtstag – mit einem
> Konzert. Nicht zu touren, das ist für sie keine Option.
Bild: Nana Mouskouri während eines Konzerts ihrer „Birthday Tour“ in Wien.
Als sie vor einem Jahr mitteilte, sie werde wieder auf Tournee gehen – auf
eine um die ganze Welt, natürlich –, brauchte es schon ein paar erklärende
Worte. Nana Mouskouri ist in den meisten Jahren ihrer Karriere global
unterwegs gewesen. Gemessenen, aber sicheren Schrittes betritt sie das
Foyer ihres Frankfurter Hotels. Sofort kommt sie von selbst auf ihre
Rastlosigkeit zu sprechen.
„Ja, ich weiß, es war voreilig, eine Farewell-Tournee anzukündigen“, sagt
sie. Die endete 2008 in Athen, wo sie – das Landei aus dem kretischen
Chania – in den Fünfzigern am Hellenischen Konservatorium studierte und die
kompliziertesten Tonleitern singen lernte. „Es gab danach noch einige
Auftritte“, für den Konzertveranstalter Fritz Rau, einen Abend mit Tim
Brönner – „aber ich saß zu Hause, mal in Genf, dann in Paris, wieder in
Paris, und langweilte mich.“ Ihre Memoiren waren erschienen, auch auf
Deutsch, Albumboxen auf Englisch und Französisch mit zwölf Dutzend CDs –
Material in Fülle, als sei ihre Erbschaft schon sortiert worden. „Dann
dachte ich, ich lebe noch, mir geht es gut, hier und da zwickt es, die
Knie, die Hüfte, aber dann sagte ein Arzt zu mir: Nana, wenn du morgens
aufwachst und in deinem Alter nichts mehr wehtut, dann bist du tot.“
Nein, dann lieber das, was sie schon wollte, als sie in den Rockin’ Fifties
in Athen lebte: auf der Bühne stehen, performen, mit schöner und
unverwechselbarer Stimme. Eine Vokalkraft, die sich einst in höchste Höhen
ausdehnen konnte, dunkel timbriert ist sie, stets den Sangestraditionen
„meiner Heimat, Kreta, wo wir so nah sind dem Orient, Afrika, wo von dort
Lieder angespült wurden wie Muscheln aus der Ferne“, verpflichtet.
In Athen war sie eine Studentin, die Elvis Presley hörte und von Amerika
träumte. 1959 wurde sie in Griechenland mit einem Lied von Mikis
Theodorakis bekannt – der Text bestand aus einem Gedicht von Giannis
Ritsos, „Epitafios“. So nahm sie 1960, als Gig, als Gelegenheitsjob,
Kompositionen von Manos Hadjidakis für den Werbefilm „Traumland der
Sehnsucht“ auf – in Frankfurt am Main sollte dieser Streifen Urlauber
anlocken. Dort hörte ein Produzent das Lied „San Sfirixis Tris Fores“ (Wenn
du dreimal pfeifst), er erkundigte sich nach dem Namen der Chanteuse.
Kurzum: Es wurde auf Deutsch [1][„Weiße Rosen aus Athen“], eine Poplegende,
die in Deutschland ihren Lauf nahm und in etliche Sprachen übersetzt wurde.
Nana Mouskouri war quasi über Nacht eine respektierte Nummer nicht allein
in Griechenland, sondern der Mega-Exoten-Hotspot auf dem deutschen
Schlagermarkt.
## Griechin mit Hornbrille
Ästhetische Konzepte gab es in der Musikindustrie im weiteren Sinne keine –
mit Nana Mouskouri wusste niemand mehr anzufangen als ebendies: eine
Griechin, die sich traute, mit Hornbrille aufzutreten.
„Aber ich wollte mich nicht festlegen“, erzählte sie schon vor Jahren, ihr
Terrain sollte nicht das Land bleiben, dessen Truppen in den vierziger
Jahren ihre Heimat besetzt hielten. „Was ich sah, als ich das erste Mal
nach Deutschland kam? Freundliche Menschen, neugierig und interessiert.“
Sie hielt in gewisser Weise Distanz, sie war jung, wollte weiter, wohin
auch immer, aber in die Welt. In den USA nahm schließlich Quincy Jones mit
ihr das Album „The Girl From Greece“ auf, Jazzstandards, die sich bei Nana
Mouskouri seltsam schüchtern anhörten, „I Get A Kick Out Of You“, „That…
My Desire“ oder „No Moon At All“.
Für eine Karriere in den USA reichte es nicht, noch nicht. Die kam erst
nach dem Auftritt beim Grand Prix Eurovision 1963 für Luxemburg, als sie
mit „À force de prier“ (Mit inbrünstigem Gebet) zwar unter „ferner sang…
lief, „aber – ich wusste es natürlich nicht – einen Zuhörer, der mich am
Tag nach dem Festival anrief, Harry Belafonte“ begeisterte. Der populäre
Künstler, Calypso-Man und Bürgerrechtskämpfer in Amerika, sah sie in seinem
Londoner Hotel und konnte sie nicht einordnen. Der Legende nach fragte
Belafonte seinen Freund Quincy Jones, ob er von dieser Sängerin mal etwas
gehört habe – ja, das hatte er. Nana Mouskouri tourte schließlich mit
Belafonte einige Jahre durch die USA mit einem weltmusikalischen Programm.
Ihre ältesten Freunde lernte sie in dieser Zeit kennen, Bob Dylan, der ihr
gern einige seiner Lieder überließ, Cher, mit der sie gern in Los Angeles
shoppen ging – „aber ich wusste bald, dass ich Europäerin bin, nicht nur
Griechin. So würde ich das heute auch sagen: Ich bin Europäerin mit
griechischen Wurzeln. Es war mir immer wichtig, dass die Zeit der Kriege
und Verletzungen aufhört, dass es ein gutes Miteinander geben kann.“
## Lieder ohne sentimentale Triefigkeit
Anders als die Griechin Melina Mercouri oder ihr Freund Mikis Theodorakis
ist sie zu Obristenzeiten in ihrer Heimat nie zur Sozialistin geworden,
Dissidentin aber „selbstverständlich“. Sie mied Griechenland während der
Diktatur: „Ich wollte sie natürlich nicht aufwerten durch mich und meine
Lieder.“
Dass sie in Deutschland öfter verspottet als verehrt wurde dafür, dass sie
das gesamte Repertoire der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre
draufhat – „Amazing Grace“, „Try To Remember“, „Guantanamera“ bis…
dräuenden Dylan-Öko-Agitprop-Titel „Le ciel est mort“ („A Hard Rain’s
A-Gonna Fall“) –, ist seltsam: Eine glaubwürdigere Entertainerin mit
erlesenem Repertoire für eine bessere Welt gab es nie. Sie klang kaum
depressiv, nicht die Bohne infantil-aggressiv oder ideologisch, eher wie
eine Sammlerin von Messages aus allen möglichen Kulturen, die zu Gehör
gebracht werden sollten.
Nana Mouskouri sagt selbst: „Eine Sängerin kann nur so gut sein wie das
Lied, das sie singt. Es geht immer um das Lied und seine Qualität. Ich
würde sagen, auch ,La Provence‘ war ein schönes Lied – es ist schade, dass
es als „Schlager‘ abgetan wurde. Aber im Original ist es eine alte Weise
vom Mittelmeer, nur in die heutige Zeit übertragen.“ Schlager, Frau
Mouskouri, musste das denn immer sein, „Guten Morgen, Sonnenschein“ etwa?
Sie nippt am stillen Wasser, berührt nicht einmal mit den Augen das
Tellerchen mit den weißschokoladenen Petits Fours und sagt: „Das ist doch
ein optimistisches Lied, es tut doch keinem weh. Und das Publikum in
Deutschland liebt es – und möchte es wenigstens bei der Zugabe hören.“
Für eine solche Antwort ist vielleicht das Wörtchen „entwaffnend“ auch
geschaffen worden: Was soll man schon sagen, wenn da eine bekennt, ihren
Fans „in die Herzen singen“ zu wollen? Ihre Lieder mögen auch deshalb
erfolgreich gewesen sein, weil sie diese gewisse sentimentalische
Triefigkeit, die deutschsprachigen Balladen so oft eigen ist, entbehren.
## Zur Feier kommt auch Udo Lindenberg
Es ehrt den Liedermacher Funny van Dannen auf ewig, dass er unter dem Titel
„Nana Mouskouri“ folgende Zeilen schrieb: „Ich hab dich gesehen, mein
Freund / Gib es zu, du warst im Nana-Mouskouri-Konzert / Ich war auch da
und du hast geweint.“ Die Wahrheit, wenn man so möchte, liegt vielleicht in
einem Feld, das für Pop mit zum Kern gehört, dem sich Nana Mouskouri –
freilich nur oberflächlich betrachtet – verweigerte: dass ihr nie Sexappeal
attestiert wurde, dass sie sich ohne Proklamation jeder Mode entzog und als
„Body Language“ stets nur dies parat hatte: sich selbst mit einer
Ernsthaftigkeit zu inszenieren, an der jede Ironisierung zerschellen
musste. Nana – das Mädchen aus Kreta, die Elvis verehrte und Ella
Fitzgerald und die Künstler für ihr Heischen um das schnelle Geld mit
stummem Eifer hasste, war deshalb immer auf ihre Art eine ziemlich schöne
Frau.
Heute Abend singt sie an ihrem 80. Geburtstag in Hamburg, und sie wünscht
keine Blumen. In der Musikhalle ist vielmehr eine Box vorbereitet, in die
statt Bouquets Spenden für das Kinderhospizprojekt „Sternenbrücke“ gelegt
werden können; einen nicht näher bezifferten Betrag wird Nana Mouskouri
„aufrunden“. Schätzungsweise wird es eine selige Feier, die sich Konzert
nennt, mit alten Freunden, auch Udo Lindenberg. Enttäuschend wäre nur dies:
sänge sie nicht ihr Eintrittsbillett in die große, weite Welt: „Weiße Rosen
aus Athen“. Es ist wie eh und je ihr schönstes Lied.
13 Oct 2014
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=yEoK5PmzPpo
## AUTOREN
Jan Feddersen
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