# taz.de -- Funny van Dannen über sein Künstlerleben: "Was soll ich sagen? Es… | |
> Funny van Dannen schreibt, malt und singt. Ein Gespräch über Weihnachten, | |
> die Kleinfamilie und sein neues Best-of-Album, das er dem Mann vom | |
> T-Shirt-Stand zu verdanken hat. | |
Bild: Funny van Dannen: "Ich bin ein Kunstarbeiter und Glückskind." | |
taz: Herr van Dannen, was wünschen Sie sich zu Weihnachten? | |
Funny van Dannen: Ich wünsche mir wie immer nix und bekomme wie immer | |
Poesiealben geschenkt, die ich dann wieder vollschreiben und vollzeichnen | |
muss. Diese Kladden sind für mich das, was für andere Leute Socken und | |
Krawatten sind. | |
Klingt nicht übertrieben materialistisch. | |
Stimmt. Wir sind in der Familie generell nicht so aufs Materielle aus. Das | |
Schöne an Weihnachten ist, dass wir mal wieder alle zusammensitzen und | |
einen schönen Abend haben, mit Tannenbaum, Krippe und allem Drum und Dran. | |
Ich persönlich genieße an Weihnachten, dass das Arbeitsleben völlig zum | |
Erliegen kommt. Ich habe oft schon Probleme, den Sonntag einzuhalten. Dabei | |
finde ich dessen Abschaffung eine ungute Tendenz. Da bin ich ausnahmsweise | |
mal auf der Seite der Kirche. | |
Woher kommt dieser Arbeitsdruck? | |
Als Arbeiterkind habe ich gelernt, dass man seine Tage nicht wie | |
selbstverständlich in Muße verbringt. Dieses eingebaute Druckmittel spüre | |
ich schon. Hinzu kommt, dass Arbeit mir Freude macht, eine Verlockung ist. | |
Wenn ich am Wochenende eine Idee für ein Bild oder einen Song habe, fällt | |
es mir schwer, bis Montag damit zu warten. Ich bin eben ein Kunstarbeiter. | |
Sie haben vier Kinder. Was wünschen die sich eigentlich? | |
Der Große möchte 'ne Kamera. Das fiel ihm aber auch erst nach längerem | |
Nachdenken ein. Und unser Dritter hat ein Bett gekriegt, schon vor | |
Weihnachten. | |
Machen die auch Musik? | |
Interessiert sind sie alle, ein Instrument spielt keiner, leider. Der Große | |
macht HipHop, der Zweite die Beats dazu. | |
Hausmusik gibt es also keine? | |
Nicht wirklich. Früher habe ich immer gesungen, während der Weihnachtsmann | |
die Geschenke gebracht hat. | |
Und heute, wo längst Amazon die Geschenke bringt? | |
Wenn, dann singe ich. Und die anderen singen mit. Ich hab noch ein altes | |
Songbook aus meiner Tanzkapellenzeit, aus dem ich mich bei Bedarf bediene. | |
Sie sind bekennender Familienmensch - damit war nicht zu rechnen, als Sie | |
1978 aus dem Rheinland nach Berlin-Kreuzberg kamen, oder? | |
Ich hatte nie viel mit Plänen am Hut. Ich hatte nicht die Absicht, | |
irgendwann mal Familie zu haben. Und dann hab ich meine Frau getroffen und | |
sie nach sechs Wochen geheiratet. Nach ungefähr einem Jahr kam das erste | |
Kind. Und es war schön und das ist es bis heute. Ich bin ein Glückskind. | |
Was soll ich sagen? Liebe. Auch wenn ich aus einer Generation komme, die | |
die Kleinfamilie sehr kritisch betrachtet hat, war die für mich nie das | |
gesellschaftliche Grundübel. Für mich hatte sie immer eine Ankerfunktion. | |
Sie haben mal gesagt, dass es mit Ihren Platten so sei wie mit den Kindern: | |
"Es war nicht geplant, dass da immer noch was nachkommt." | |
Wir haben bis zum Schluss gehofft, dass es auch mal ein Mädchen wird oder | |
zumindest eine andere Haar- oder Augenfarbe. Es wurden aber immer blonde | |
Jungs mit braunen Augen. | |
Was anderes können Sie beide offenbar nicht. | |
Ja, wir sind sehr einseitig (lacht). Dass wir nicht noch mehr Kinder | |
bekommen haben, lag daran, dass wir so wenig Unterstützung hatten. Es war | |
ja damals in der Kreuzberger Künstlerszene nicht so angesagt, Kinder zu | |
haben. Zum Teil wurde man dafür sogar verachtet. Ich wurde nach jedem Kind | |
abgeschrieben: Jetzt hat er ein Kind, jetzt hat er das zweite - na ja, | |
jetzt kannste Funny ganz vergessen. Freunde hielten sich sehr damit zurück, | |
sich als Babysitter anzubieten. Und wir hatten leider keine Großeltern in | |
der Nähe. Das war schon ziemlich anstrengend. | |
Freuen Ihre Kinder sich auch auf Weihnachten mit Ihnen? | |
Glaube ich schon. Die mögen das auch, dieses Heimelige. | |
Studieren Ihre älteren Kinder eigentlich? | |
Nee, keiner. Eine akademische Laufbahn ist nicht so unser Fall. | |
Sie haben kurz vorm Abi die Schule abgebrochen. Sind Sie damit im Reinen | |
oder wünschten Sie sich manchmal, durchgehalten zu haben? | |
Im Reinen bin ich mit der Entscheidung schon, aber ich hab mir manchmal | |
natürlich trotzdem gewünscht, das Abi gemacht zu haben. Es ging aber nicht. | |
Ein Lehrer, von dem ich annahm, dass er versteht, was mit mir los ist, hat | |
mich menschlich dermaßen enttäuscht, dass ich spontan beschlossen habe, da | |
nicht mehr hinzugehen. Den Triumph, vor ihm zu Kreuze zu kriechen, wollte | |
ich dem einfach nicht gönnen. | |
Wie haben Ihre Eltern reagiert? | |
Erstaunlich cool. Klar wollten sie eigentlich, dass der Junge mal studiert, | |
aber sie hatten anscheinend genug Vertrauen in mich, dass ich schon meinen | |
Weg finden würde. Manchmal versuche ich mir an der Großherzigkeit meiner | |
Eltern ein Beispiel zu nehmen, wenn ich mit den Kindern einen Konflikt | |
habe. | |
Können Ihre Eltern mit Ihrer Kunst was anfangen? | |
Mein Vater auf jeden Fall. Der hat selbst eine künstlerische Ader, ist im | |
Grunde talentierter als ich. Der sieht wahrscheinlich auch einen Teil von | |
sich in mir verwirklicht. Meine Mutter hielt meine Sachen zunächst für | |
Quatsch. Als sie aber gesehen hat, dass manche Leute den Quatsch ganz okay | |
finden, hat sie es akzeptiert. | |
Machen Sie Ihren Kindern Druck wegen ihrer Ausbildung? | |
Eigentlich nicht. Wir haben uns nur darum bemüht, dass sie ihre | |
Hausaufgaben machen - das allein ist aber vor allem bei unserem Jüngsten | |
ein hartes Stück Arbeit. Der ist erst 13, hat aber schon eine schwere | |
Schullaufbahn hinter sich. Manche Lehrer sind einfach 'ne Katastrophe - | |
eine Strafe für die Kinder und für mich. Ausgerechnet ich als | |
Schulabbrecher bin durch die Kinder dazu verdammt, wahrscheinlich bis zum | |
Rentenalter mit Schule zu tun zu haben. | |
Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft haben Sie eine Best-of-Platte | |
veröffentlicht. Hat sich der Mann vom T-Shirt-Stand schon bei Ihnen | |
bedankt? | |
Nee, noch nicht. Aber den treffe ich sicher bald mal wieder, den guten | |
Detlef. | |
Eigentlich müssten eher Sie sich bei ihm bedanken. So eine galante | |
Rechtfertigung einer Best-of-Platte hat man selten gehört. Klingt fast wie | |
ausgedacht. | |
Es war aber tatsächlich so, dass er den Impuls für diese Platte gab, weil | |
ihn immer wieder Konzertbesucher fragten, auf welchem Album denn nun dieses | |
oder jenes Lied zu finden sei und er der ewigen Sucherei müde wurde. Von | |
selbst hätte ich nie ein Best-of gemacht, weil ich immer viel zu sehr mit | |
meinen neuen Sachen beschäftigt bin. Aber es war schön, sich die alten | |
Sachen mit ein bisschen Abstand mal wieder anzuhören. "Als Willy Brandt | |
Bundeskanzler war" etwa habe ich schon lange nicht mehr live gespielt. | |
Manche Songs habe ich nur aufgenommen - und dann nie wieder gespielt. | |
Reproduzieren ist nicht so meine Sache. | |
Mit dem Best-of und den Klassikern auf Ihren Konzerten geben Sie also vor | |
allem dem Drängen Ihrer Fans nach. | |
Ja, man wird halt irgendwann notgedrungen zum Profi. Wobei ich eigentlich | |
der Amateur an sich bin. Aber dadurch, dass man es eben doch beruflich | |
macht, kommt man um manche Wiederholung nicht herum. | |
Wären Sie gern ein besserer Musiker? | |
Nö, diese Beschränktheit auf gewisse musikalische Module hat mich nie | |
gestört. Ich sehe mich ja auch mehr in der Volksmusiktradition. Und | |
Volksmusik braucht keine ausgefuchsten musikalischen Arrangements oder | |
technische Finessen. Die muss direkt sein, einfach, ehrlich und klar. | |
Ärgert es Sie immer noch, dass Ihre Malerei am wenigsten Erfolg hat? | |
Ja, natürlich. Ich bin nicht besonders bühnengeil, könnte darauf auch mal | |
eine Weile verzichten - wenn ich damit nicht mein Geld verdienen müsste. | |
Und aus Gründen, die eigentlich nichts mit Kunst zu haben, ist es nicht | |
dazu gekommen, dass die Sachen eine größere Wertschätzung erfahren haben. | |
Warum genau? | |
Weil ich es immer abgelehnt habe, mich als Mensch zu verkaufen. Ich bin | |
nicht dazu bereit, mich auf diese Kunstbetriebsspielchen einzulassen, etwa | |
mit Sammlern essen zu gehen. Ich möchte meine Kunst unter die Leute | |
bringen. Ich als Künstler bin aber nicht für das Entertainment der Menschen | |
zuständig. Ein gutes Bild oder ein guter Song sind Show genug. Ich hätte | |
eine Platte mal fast "Showtime" genannt, ironischerweise. Aber dann wollte | |
Rocko Schamoni seine Platte auch so nennen und dann habe ich meine eben | |
"Uruguay" genannt. | |
24 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
David Denk | |
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Schwerpunkt Rassismus | |
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