# taz.de -- Funny van Dannen über Rassismus: „Religionen sind antiquiert“ | |
> Seine Musik lief schon auf Nazi-Demos. Jetzt teilt Funny van Dannen auf | |
> seinem neuen Album „Alles gut, Motherfucker“ gegen Fanatiker aller | |
> Couleur aus. | |
Bild: „Im Alter noch etwas wilder leben“: Funny van Dannen kümmert sich ni… | |
taz: Funny van Dannen, im Auftaktsong Ihres neuen Albums „Alles gut, | |
Motherfucker“ singen Sie vom „Wahnsinn unserer Zeit“. Was genau meinen Si… | |
Funny van Dannen: Der Wahnsinn unserer Zeit ist, dass Menschen | |
untereinander nicht gut miteinander umgehen und dass wir unsere Umwelt | |
zerstören. Sowohl das soziale Klima ist vergiftet als auch das | |
meteorologische. | |
Und Sie wissen Abhilfe bei diesen Problemen? | |
Ich denke, dass in der Art und Weise, wie man mit anderen umgeht und wie | |
man sich in der Umwelt verhält, jeder etwas ändern kann. Aber für die | |
Problematiken gibt es kein riesiges Bewusstsein in der Gesamtbevölkerung. | |
Das hat man beispielsweise beim NSU gesehen, der jahrelang sein Unwesen | |
treiben konnte. Es ist völlig klar, dass in der Polizei und im | |
Verfassungsschutz schon eine bestimmte Haltung vorherrschen muss, damit | |
Terrorismus von rechts überhaupt möglich ist. Die Naziproblematik ist schon | |
so lange virulent. Bereits in einem meiner ersten Songs, „Gutes tun“, habe | |
ich spöttisch geschrieben „mit Nazis diskutieren“. Damals gab es das | |
sozialpädagogische Konzept „Akzeptierende Jugendarbeit“, das von | |
bestimmtem rechten Gedankengut ausgeht. Diese Akzeptanz fand ich immer | |
verkehrt. | |
Sie zeigen auf Ihrem Album klare Kante gegen Rassismus. Dann klingen Sie | |
auch satirisch und widmen sich den Tücken des Alltags. | |
Die Mischung aus privat und politisch ergibt sich eigentlich von selbst, es | |
sind Themen, die mich beschäftigen. Aber gerade jetzt mit der | |
rechtsextremen Scheiße und mit dem religiösen Fanatismus – dazu sage ich | |
dann auch mal was. Ist natürlich nur ein Lied, aber immerhin. | |
Vom „religiösen Fanatismus“ klingen Sie auf dem neuen Album sehr genervt. | |
Für mich sind Religionen antiquiertes Gedankengut. Wir sind auf dem Stand | |
der Wissenschaft, und ich denke, man muss auf diese alten | |
Gottesvorstellungen nicht mehr zurückgreifen. Die Menschheit sollte sich | |
mal als eine Einheit begreifen. Das ist natürlich idealistisch gedacht, | |
aber wir sind eine seltene Erde in einem großen Weltall, und es ist | |
kompletter Wahnsinn, dass sich Gruppen streiten und untereinander | |
massakrieren. Ich finde Religion immer dann gut, wenn sie Menschen | |
friedlich zusammenbringt und nicht auseinanderdividiert. Wie ich es im Lied | |
schreibe, sollte man den Menschen sehen und nicht Gebote von eingebildeten | |
Instanzen wie Göttern befolgen. | |
Sie singen „Ich kann das Wort Islam schon nicht mehr hören.“ Der Islam wird | |
besonders im rechten Diskurs dämonisiert. Haben Sie Angst vor | |
Vereinnahmungen? | |
Man kann heutzutage schnell vereinnahmt werden. Mein Lied „Lesbische, | |
schwarze Behinderte“ ist schon auf Nazidemos gelaufen. Das ist traurig, | |
aber es ist ein Drei-Minuten-Lied und kein Essay. Da muss alles auf Slogans | |
hinauslaufen. Die sind halt oft pauschal und damit leider manchmal zum | |
Missbrauch geeignet. | |
Sie singen gegen Rassisten, plädieren für einen besseren Umgang | |
untereinander, mokieren sich aber in „Forever Yin, forever Yang“ auch über | |
Menschen, die zu sensibel, zu gemütlich werden. | |
Ich mag es nicht, wenn Entwicklungen übertrieben werden, wenn man | |
Achtsamkeit und Sensibilität an jeder Ecke hört. Das sollte nicht das | |
Handeln verhindern. Yoga-Seligkeit ist bedenklich. Da wird sich zu sehr auf | |
den eigenen Nabel konzentriert. Als ob es immer nur um das eigene Befinden | |
geht! Da verlieren manche den Blick auf die Welt. Wir haben großartige | |
Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten und uns zu engagieren. Aber es muss | |
jeder selbst wissen, ob er auf Kreuzfahrten geht oder vielfältigere | |
Interessen entwickelt. Mich langweilt das. Wenn es immer nur um Gesundheit | |
geht, ist mir das zu unlebendig. | |
Was ist Ihr Gegenentwurf? | |
Och, dass man einfach etwas freier und im Alter ruhig noch etwas wilder | |
lebt und nicht nur in diesen geordneten Bahnen. | |
Und dabei einfach „superglücklich“ sein, wie Sie in Ihrem Lied singen? | |
Ich wache gerne glücklich auf. Aber um glücklich zu sein, muss man sich | |
auch bewusst machen, dass wir in einer relativ friedlichen Zeit mit großem | |
Wohlstand leben. Da kann man nicht akzeptieren, dass Leute sagen: „Wir | |
haben in Deutschland so viele Probleme, das gibt mir jetzt das Recht, | |
Ausländer zu hassen.“ Dieses Gelaber, auch immer über die eigene Identität, | |
nervt mich. Nur weil hilfsbedürftige Menschen zu uns kommen, bin ich in | |
meiner Identität bedroht? Das ist Bullshit! Diese Argumentation wird viel | |
zu leicht übernommen. | |
Wie haben Sie sich Optimismus bewahrt? | |
Im letzten Herbst hat unser dritter Sohn seinen 30. Geburtstag gefeiert, | |
und die Feier war international, friedlich und lustig. Da können die | |
rechten Dumpfbacken erzählen, was sie wollen. Zumindestens hier in Berlin | |
ist die internationale Gesellschaft Realität und daran ist nichts zu | |
rütteln. Das finde ich immer wieder großartig, diese Lebendigkeit. Da | |
können die mit ihrem rechten Trübsinn gar nichts ausrichten, das ist schon | |
passiert. Ich glaube, dass davon eine Energie ausgeht, die nicht mehr | |
kaputtzumachen ist. | |
11 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Linda Gerner | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Religion | |
Verfassungsschutz | |
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) | |
Lyrik | |
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