# taz.de -- CSU-Klausur in Wildbad Kreuth: Wo einst der Geist entwich | |
> Die CSU läuft sich warm für den Jahresanfangskrawall – so will es die | |
> Tradition seit mindestens 1976. Was aus den Vorschlägen wird, weiß der | |
> Wind. | |
Bild: Kühles Wetter, kühler Kopf. Obwohl, eigentlich genau nicht so. | |
München taz | Während man sich andernorts in Bayern am 6. Januar zum | |
Gottesdienst begibt, um Epiphanie, das Fest der Erscheinung des Herrn (im | |
Volksmund das Dreikönigsfest) zu begehen, begibt sich die Garde der | |
christsozialen Bundespolitiker nach Wildbad Kreuth, um sich dort ihrer | |
selbst zu vergewissern. Klausur nennt sich das Ganze, in Wirklichkeit geht | |
es freilich um ein höchst lautstarkes Medienspektakel. | |
Der kleine Ort südlich des Tegernsees steht längst als Synonym für die | |
beiden CSU-Klausurtagungen (zwei Wochen nach der Landesgruppe im Bundestag | |
trifft sich hier auch die Landtagsfraktion). Der viel beschworene Kreuther | |
Geist bezieht sich auf den Trennungsbeschluss vom November 1976 bei dem die | |
bayerischen Unionsabgeordneten die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU | |
aufkündigten – ein Beschluss, der schon wenige Wochen später wieder | |
aufgehoben wurde und nie realpolitische Konsequenzen hatte, aber den | |
Grundstein für den Mythos Kreuth legte. | |
2007 wurde hier – beim Treffen der Landtagsfraktion – Edmund Stoiber | |
gestürzt. Ein Ort also mit großer Symbolik – die in frappierendem | |
Widerspruch zur tatsächlichen Bedeutung der dortigen Treffen steht. Denn | |
worum geht es eigentlich? Zunächst treffen sich dort in dieser Woche die | |
Bundestagsabgeordneten einer Regionalpartei, 56 an der Zahl, um sich im | |
kleinen Kreis über drängende Themen zu unterhalten. Klingt banal. Dass es | |
dabei allerdings auch dieses Mal nicht bleibt, dazu trägt die Salve an | |
Forderungen, die die Partei schon im Vorfeld abgeschossen hat, genauso bei | |
wie die hochkarätige Gästeliste. | |
Natürlich würde jeder in der Partei heute Gedankenspiele über ein Ende der | |
Fraktionsgemeinschaft mit der CDU als völlig absurd von sich weisen, | |
dennoch scheint die Vielzahl der schon vorab lancierten Papiere und | |
Forderungen vor allem auf eines hinzudeuten: die Angst der Christsozialen | |
vor zu großer Eintracht mit der Schwesterpartei. | |
## Merkel vor den Kopf stoßen | |
So ließ sich CSU-Chef Horst Seehofer die Gelegenheit nicht nehmen, kurz vor | |
dem Treffen in der Flüchtlingsdebatte noch einmal Öl ins Feuer der | |
Flüchtlingsdebatte zu gießen. Die bisherige Forderung seiner Partei nach | |
einer Obergrenze unterstrich er, indem er nun auch eine konkrete Zahl | |
nannte: 200.000 Flüchtlinge pro Jahr – mehr soll Deutschland seines | |
Erachtens nicht mehr aufnehmen. | |
Damit stieß er natürlich einmal mehr Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel | |
vor den Kopf, die erstmals auch nach Kreuth kommen wird und allen | |
Forderungen nach einer Obergrenze bisher eine Absage erteilt hat. Außerdem | |
soll die Abschiebung von Flüchtlingen künftig erleichtert werden und | |
überhaupt nur ins Land gelassen werden, wer gültige Ausweispapiere bei sich | |
trägt. | |
Für Kopfschütteln vor allem beim Koalitionspartner SPD und der Opposition | |
sorgt der Wunsch der CSU, in Deutschland bleibende Migranten künftig zur | |
Integration zu verpflichten. Indem sie ihnen mit Leistungskürzungen droht, | |
will die Partei Zuwanderer dazu bringen, Deutsch zu lernen und sich zu den | |
Grundwerten der Bundesrepublik zu bekennen. | |
## Fußfessel gegen Terror | |
Leistungen sollen auch arbeitslosen EU-Bürgern gekürzt werden. So will die | |
CSU die „Armutsmigration“ verhindern. Demnach sollen EU-Bürger, die sich | |
mehr als sechs Monate in Deutschland aufhalten, nicht automatisch Anspruch | |
auf Sozialhilfe erhalten. Rechtlich fragwürdig ist auch die neue Idee im | |
Kampf gegen den Terror: Sogenannte Gefährder sollen nach dem Willen der | |
Partei künftig rund um die Uhr mit einer elektronischen Fußfessel überwacht | |
werden. | |
Als weitere Maßnahme im Kampf gegen den Terror soll die Bundeswehr im | |
Inland eingesetzt werden. Auch dies ist nicht unbedingt Konsens mit der | |
CDU. In der Europapolitik will die CSU schließlich einer nicht näher | |
beschriebenen Gruppe von nationalen Parlamenten ein Vetorecht gegenüber | |
europäischer Gesetzgebung einräumen. | |
Was von den Forderungen tatsächlich die politische Debatte der nächsten | |
Wochen und Monate bestimmen wird, ist völlig offen. Erfahrungsgemäß | |
verläuft vieles, was die Partei in Wildbad Kreuth beschließt und fordert, | |
hernach im Sande. | |
## Jede Menge Besuch | |
Neben der Kanzlerin wird übrigens auch der britische Premier David Cameron | |
erwartet. Mit ihm wollen die Bundestagsabgeordneten über die Bekämpfung des | |
Terrorismus und die Flüchtlingskrise sprechen. Und natürlich über die | |
Zukunft Großbritanniens in der EU. „Wir wollen deutlich machen, dass wir | |
das Vereinigte Königreich auch weiterhin als wichtigen Teil der EU sehen“, | |
sagte die Chefin der CSU-Landesgruppe in Berlin, Gerda Hasselfeldt, der | |
Süddeutschen Zeitung. Außerdem kommen der baden-württembergische | |
CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl im März, Guido Wolf, und der neue | |
Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, zum | |
Gedankenaustausch mit den bayerischen Politikern. | |
Gemeinsam wird die illustre Truppe zum Jahrestag also noch einmal den | |
Mythos Kreuth beschwören. Immerhin scheint mittlerweile gesichert, dass es | |
nicht das letzte Mal gewesen sein wird. Die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung | |
hat den Pachtvertrag für das ehemalige Sanatorium zwar nicht mehr | |
verlängert, aber die beiden Klausurtagungen dürfen dem Vernehmen nach auch | |
künftig an dem bewährten Ort stattfinden. | |
5 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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