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# taz.de -- CSU-Klausur in Wildbad Kreuth: „Einfach schöner als Berlin“
> Anders als beim Parteitag wird die Kanzlerin bei der CSU-Klausur
> freundlich begrüßt. Auch die Obergrenze für Flüchtlinge scheint
> verhandelbar.
Bild: Für Bilder ist gesorgt: der britische Premier Cameron mit der CSU-Landes…
KREUTH taz | Wie die das nur immer mit dem Schnee hinkriegen! Wenn es auch
nur ein paar Zentimeter sind, die aus „Tagesschau“ und Co. bekannte Kulisse
ist selbst im noch so milden Winter gewahrt. So können sich auch in diesem
Jahr wieder die Christsozialen und ihre Gäste beim traditionellen
Medienspektakel zum Jahresbeginn unter weißblauem Himmel und vor
verschneiter Landschaft vor den Kameras positionieren. Offiziell firmiert
das Event als „Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth“.
Die Protagonisten des Spektakels in diesem Jahr sind – neben
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und Parteichef Horst Seehofer –
Kanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Premier David Cameron. Am
Freitag stoßen dann auch noch der baden-württembergische
CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf und der neue Chef des Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, als Gäste hinzu.
Für die Bilder ist also gesorgt, und sie sind ja auch das Wichtigste.
Ergebnisse sind anders als früher nicht mehr das, was man sich heute von
dem Treffen südlich des Tegernsees erwartet. Als „Impulsgeber“ und
„Kraftquelle“ bezeichnet Hasselfeldt die Klausurtagung. Die Themen, um die
es hier gehen würde, wurden von der CSU schon geschickt während der „staden
Zeit“ gesetzt: die Zurückweisung von Flüchtlingen ohne Ausweispapiere, die
„Integrationspflicht“ für Migranten in Deutschland oder die
„Armutsmigration“ in der EU. Und natürlich das berühmte O-Wort, das
Ministerpräsident Seehofer zum Jahreswechsel noch einmal präzisiert hatte:
die Obergrenze. 200.000 Flüchtlinge pro Jahr soll Deutschland künftig
aufnehmen, mehr nicht.
In Wildbad Kreuth freilich wird die Aufregung um die genannte Zahl nun
heruntergespielt: als Orientierungsgröße bezeichnet sie Hasselfeldt gleich
zum Auftakt der Tagung. Und wenig später lobt Seehofer die
Landesgruppenchefin für diesen „sehr guten“ Begriff.
## Kanzlerinnenbesuch als Ehre
Was die Zahl im Verhältnis der beiden C-Parteien so brisant macht, ist,
dass Angela Merkel eine Obergrenze bisher strikt ablehnt und es kaum als
angenehm empfinden dürfte, wie Seehofer derzeit versucht, sie vor sich
herzutreiben. In Wildbad Kreuth geben sich nun aber alle Beteiligten Mühe,
die Stimmung nicht weiter absacken zu lassen.
Zum Beispiel Seehofer: Seiner Darstellung nach versteht er sich bestens mit
der Kanzlerin. Auch in den vergangenen Tagen habe er mehrfach mit ihr
telefoniert, erzählt er noch vor ihrem Eintreffen. Es gebe kein Zerwürfnis
mit der Kanzlerin, so was erfänden nur immer die Medien. Eine Ehre sei es
für die CSU, dass die Kanzlerin zur 40. Klausurtagung der Landesgruppe
komme. Überhaupt: Es komme nicht auf den Lärm an, sagt Seehofer.
Ausgerechnet Seehofer, der so gern medial lärmt. Aber er gibt zu, dass er
die Nähe der Journalisten während der Feiertage vermisst hat. „Ich habe
mich auf Sie gefreut“, sagt er in die Mikrofone. „Ich hatte schon fast
Entzugserscheinungen.“
Immerhin scheint auch Merkel die Spannungen nicht überzubewerten.
Vielleicht hat sie sich aber auch nur abgewöhnt, den Worten ihres
bayerischen Kollegen allzu viel Gewicht beizumessen. So traut sie sich
immer wieder in die Höhle des bayerischen Löwen. In nur zwei Wochen wird
sie schon wieder kommen – dann auf Einladung der CSU-Landtagsfraktion.
Der Empfang der Kanzlerin ist freundlich – anders als beim CSU-Parteitag im
November. Nachdem die Kanzlerin mit einem blauen Hubschrauber eingeschwebt
und filmreif im aufgewirbelten Schnee gelandet ist, wird sie von
Gastgeberin Hasselfeldt mit warmen Worten begrüßt. Seehofer steht daneben
und sagt – nichts. Was durchaus als der Gipfel der Seehofer’schen
Höflichkeit verstanden werden darf.
## Cameron ist „CSU pur“
„Einige unterschiedliche Positionen“ gebe es in den beiden
Schwesterparteien, räumt Merkel dann ein. „Das wird sich heute auch nicht
ändern.“ Aber: CDU und CSU hätten „weit mehr gemeinsame Positionen“ als
Differenzen.
Wie aus Teilnehmerkreisen zu hören ist, bemerkte Merkel dann hinter
verschlossenen Türen durchaus, dass ihr Seehofers Vorstoß mit der Zahl
200.000 nicht gerade helfe. Ihr Ziel ist es, die Zahl der Flüchtlinge, die
nach Deutschland kämen, auch ohne solche plakativen Forderungen zu
reduzieren. In der Landesgruppe wurde ihr dem Vernehmen nach jedoch
vorgehalten, dass sie keinen Plan B für den Fall habe, dass ihr das nicht
gelinge. Seehofer seinerseits soll ihr am Ende des Treffens gesagt haben:
„Angela, wir wollen das Problem mit dir lösen. Aber lösen.“
Nicht nur höflich, sondern geradezu herzlich fiel tags darauf der Empfang
für den Chef einer anderen Schwesterpartei aus: David Cameron. Der
Tory-Vorsitzende sucht in Wildbad Kreuth den Schulterschluss mit den
bayerischen Konservativen. An der bayerischen Schwester schätze er, dass
man oft mit demselben Blick auf die Welt schaue, erzählt der britische
Premier nach dem Treffen mit der Landesgruppe. Zum Beispiel beim Thema
Sozialleistungen für arbeitslose EU-Bürger. Cameron will EU-Migranten
Sozialleistungen erst nach vier Jahren gewähren. Eine Position, die „CSU
pur“ sei, wie Seehofer findet. Die CSU will die Frist in Deutschland
immerhin von sechs auf zwölf Monate heraufsetzen.
## Unglaubliche Sogkraft
Eine Menge „Impulse“, die die CSU sich hier gegeben hat. Zu Beginn der
Kreuth-Tradition war das noch anders. Da hatte die Zusammenkunft
tatsächlich den Charakter einer Klausur. Einer, der bei der Geburtsstunde
der Kreuth-Tradition dabei war, ist Klaus Wiendl. Im diesjährigen
Journalistentross dürfte er der Einzige sein, der auch miterlebt hat, wie
der Mythos 1976 begründet wurde. Der langjährige ARD-Reporter erinnert sich
noch gut, wie Franz Josef Strauß in seinem Sechser-BMW die kleine Straße
zum Tagungszentrum heraufgefahren kam.
Am Steuer saß der Parteichef selbst. Sicherheitskontrollen gab es damals
keine, auch kein Pressezentrum. Dafür am Ende ein handfestes Ergebnis: Bei
einer Pressekonferenz im nahen Rottach-Egern gab der damalige
Landesgruppenvorsitzende Friedrich Zimmermann das Ende der
Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag bekannt – vor insgesamt zwei
Kameras und drei Mikrofonen. Wenn Wiendl sich das Journalistenaufgebot
heute anschaut, ist er schwer beeindruckt: „Die Sogkraft von Kreuth ist
unglaublich.“
7 Jan 2016
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Wildbad Kreuth
CSU
Schwerpunkt Angela Merkel
David Cameron
Gerda Hasselfeldt
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CSU
Flüchtlingspolitik
Schwerpunkt Flucht
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