# taz.de -- Aus der Sonderausgabe „Charlie Hebdo“: „Ich fahre eine Art Me… | |
> Der Kölner Zeichner Ralf König erinnert sich an seine Reaktion auf den | |
> Pariser Anschlag vor einem Jahr – und an die Berichte darüber. | |
taz: Herr König, was haben Sie vor einem Jahr bei dem Attentat auf Charlie | |
Hebdo empfunden? | |
Ralf König: Ich war erschüttert, wie immer bei Terror. Ich war mit einem | |
Kollegen in der Mittagspause in einem Lokal, und da liefen diese Bilder | |
über einen Monitor. Ich begriff zunächst nicht, dass es sich um das | |
Satireblatt handelte. | |
Sie hatten ja selbst schon für diese Zeitschrift gezeichnet. | |
Ja, aber das war zehn Jahre her, als die dänischen Mohammed-Karikaturen für | |
Aufregung sorgten. Da hatte ich ein paar Cartoons zum Thema Satirefreiheit | |
gezeichnet, die wurden da auch gedruckt. Ich kann leider kein Französisch, | |
darum war mir zehn Jahre später „Charlie Hebdo“ erst mal kein Begriff. | |
Und was passierte dann? | |
Es dauerte nicht lange, bis das Telefon klingelte. Bei mir direkt waren’s | |
der WDR, also Radio, und eine bayrische Tageszeitung. Bei meinem Agenten | |
allerdings stand das Telefon nicht still, zwei Dutzend Anfragen von allen | |
Medien, Fernsehen, Bild-Zeitung, Talkshows, alle wollten mit mir reden. Das | |
hat mich sehr überrumpelt. | |
Weshalb? | |
Ich war wohl der religionskritische Zeichner im Land, weil ich ein paar | |
Bücher zum Thema gezeichnet habe. Aber mein Agent kannte einige der Pariser | |
Opfer persönlich und war verständlicherweise sehr aufgeregt. Er beschwor | |
mich quasi, dass ich mich jetzt nicht in die erste Reihe stelle und allen | |
Medien Interviews gebe. | |
Vor zehn Jahren nahmen Sie aber Stellung zu der wüsten Kritik an den | |
dänischen Mohammed-Karikaturen. | |
Ja, mit Karikaturen, nicht mit Interviews. In Deutschland war ich damals so | |
ziemlich der einzige Zeichner, der das tat. Ich sah im TV, wie der Mob | |
tobte und Botschaften brannten und Menschen starben, wegen Karikaturen! Da | |
fühlte ich quasi meine Zunft getroffen. Ich war sehr wütend damals, setzte | |
mich spontan hin und zeichnete. Diesmal, nach „Charlie Hebdo“, war ich | |
nicht wütend, ich war nur entsetzt und traurig. | |
Bei Facebook posteten sie daraufhin eine Zeichnung … | |
Nur einen von diesen zehn Jahre alten Cartoons. Mein Agent drehte daraufhin | |
am Rad und verlangte von mir, dass ich das Posting lösche. Wir haben uns am | |
Telefon regelrecht angebrüllt, sehr stressig, und schließlich drückte ich | |
entnervt die Löschtaste. Dadurch war die Aufmerksamkeit natürlich noch viel | |
höher. Prompt titelte der Berliner Tagesspiegel: „Ralf König zieht | |
kontroversen Cartoon zurück!“, was in den Tagen, als alle mutig Charlie | |
waren, natürlich fatal rüberkam. | |
Was hat Ihren Agenten bewegt? | |
Na ja, er hatte Angst vor Nachahmungstätern. Er meinte, wenn ich jetzt als | |
Karikaturist in allen Blättern präsent bin, könnte irgendein Irrer auf | |
Gedanken kommen … Das ist ja leider auch nicht so ganz von der Hand zu | |
weisen. Er wollte, dass ich mich da jetzt bedeckt halte und mal die anderen | |
machen lasse. Dabei hatte ich gar keine Idee zu einem neuen Cartoon, ich | |
war viel zu niedergeschlagen. Ich hab mich dann ein paar Tage komplett | |
zurückgezogen. | |
Hat es sich gelohnt? | |
Ich bekam immerhin mit, wie die Medien drauf sind, das hat mir als | |
Schnupperkurs gereicht. Bei Zeit Online in der Quizabteilung stand die | |
Frage: „Wer zog nach dem Terroranschlag auf Charlie Hebdo seinen Cartoon | |
zur Pressefreiheit zurück?“ Und darunter gab es drei Namen zum Ankreuzen: | |
Ernst Kahl, Walter Moers, Ralf König. Da wurden zwei Tage vorher in Paris | |
Zeichner erschossen, und schon ist man eine blöde Quizfrage! Widerlich. | |
Sie haben auch zum Islam gezeichnet. | |
Ja, diese Cartoons und vor allem in dem Buch „Dschinn Dschinn“, das war | |
auch 2005. ‚Den Islam‘ hatte ich aber gar nicht gemeint. Damals stand | |
Afghanistan im Visier der Medien, ich sah nur immer diese bärtigen Taliban | |
und ihre absurden Gesetze, keine Musik, kein Fußball, Frauen unter der | |
Burka, das hatte für mich damals noch komisches Potenzial, heute nicht mehr | |
wirklich. | |
Wer macht Ihnen mehr Angst: Terroristen, die sich auf den Islam berufen, | |
oder die, die jetzt vorsichtig werden und selbst Kritik an Talibanischem | |
gemieden haben möchten. | |
Beide, beide. Ich vermisse die religiöse Gelassenheit der 80er Jahre. | |
Inzwischen hab auch ich ein beklommenes Gefühl, wenn ich die viele | |
Flüchtlinge sehe, die zu uns kommen, und Sorge, wie sich das womöglich | |
auswirkt. Andererseits kann man die Menschen nicht vor den Grenzen | |
erfrieren lassen, da finde ich Merkels Politik richtig. Es ist schwer, sich | |
eindeutig zu positionieren, ich will das auch gar nicht. | |
Wofür plädieren Sie? | |
Nicht sofort für jede Meinungsäußerung als extrem rechts oder links | |
abgestempelt zu werden. Mehr Gelassenheit. Man ist ja schnell im Shitstorm, | |
gerade wenn’s um Religion geht. Ich habe mich fünf Jahre mit Gott | |
beschäftigt, aber nun hab ich keine Lust mehr. Ich war nie gläubig, so | |
wichtig ist es mir ohnehin nicht. | |
In den USA hieß es nach den Morden an Charlie-Hebdo-Kollegen, diese hätten | |
auch ein bisschen selbst schuld gehabt. Was sagen Sie? | |
Nicht nur in den USA, das hörte man hier auch. Erbärmliches Argument. | |
Damals bei den dänischen Karikaturen gab es diese Debatten sehr schnell. | |
Nach “Charlie Hebdo“ war das zunächst nicht so. Erst nach der großen | |
Solidaritätswelle ging es um die Schuldfrage. Aber mit den neuen Anschlägen | |
in Paris hat sich das erledigt. Die Leute, die diesmal erschossen wurden, | |
haben keine Mohammeds gezeichnet. Es kann jeden treffen. Und nun? | |
Ich bewundere die wenigen, die weiter zu dem Thema zeichnen, Bücher | |
schreiben, Filme drehen. Wie Kurt Westergaard, der dänische Zeichner, der | |
Jahre nach den Unruhen um die Mohammed-Bilder fast mit einer Axt in seinem | |
Haus gekillt wurde! Im Moment sage ich: Lasst mich alle in Ruhe. Religion, | |
Politik, Medien, ich fahre seitdem so eine Art Menschheitsekel! Für einen | |
Humoristen ist das nicht lustig. | |
7 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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