# taz.de -- Karikaturist Kurt Westergaard gestorben: Nichts zu bereuen | |
> Seine Mohammed-Zeichnungen lösten 2005 den „Karikaturenstreit“ aus. | |
> Seitdem war er Terror ausgesetzt. Nun ist Kurt Westergaard gestorben. | |
Bild: Kurt Westergaard vor seinen Werken, 2006 | |
Schon 22 Jahre lang hatte Kurt Westergaard als Karikaturzeichner für die | |
dänische Tageszeitung Jyllands-Posten gearbeitet, als er im Sommer 2005 von | |
der Kulturredaktion den Auftrag für eine Zeichnung des Propheten Mohammed | |
erhielt. Eine Zeit, in der sich der damals 70-Jährige langsam auf den | |
Ruhestand vorbereitete. | |
Zusammen mit anderen Karikaturen sollte damit der Text eines Redakteurs | |
[1][zum Thema Meinungsfreiheit und Selbstzensur i]llustriert werden. Der | |
Hintergrund: Ein dänischer Autor hatte reihenweise Absagen von | |
IllustratorInnen bekommen, die ihm für ein Kinderbuch zum Thema Islam ein | |
Mohammed-Bild zeichnen sollten. | |
Von den zwölf Karikaturen, die unter der Überschrift „Muhammeds ansigt“ | |
(Das Gesicht Mohammeds) dann am 30. September 2005 erschienen, sollte es | |
vor allem Westergaards Bild eines Mohammed mit einer Bombe im Turban | |
werden, das Monate später auslöste, was in Dänemark die „Mohammed-Krise“ | |
und in Deutschland meist „Karikaturenstreit“ genannt wurde. | |
Es war eine der schwersten außenpolitischen Krisen Dänemarks. Von Nigeria | |
über Pakistan bis Indonesien gab es teilweise gewaltsame Proteste, dänische | |
Flaggen wurden verbrannt, Botschaften mussten evakuiert werden, | |
verschiedene Branchen waren von einem Boykott betroffen. | |
## „Weiter keine Gedanken gemacht“ | |
Das, was sein Leben bald vollständig verändern sollte, war für Westergaard, | |
der über zwei Jahrzehnte erst als Lehrer, dann als Rektor gearbeitet hatte, | |
bevor „ich den Traum verwirklichen konnte, mein großes Zeicheninteresse zum | |
Beruf zu machen“, nur „einer meiner üblichen Aufträge“ gewesen. | |
Nachträglich sollte er erfahren, dass die Redaktion ursprünglich 40 | |
ZeichnerInnen angefragt hatte und 28 diesen Mohammed-Auftrag ablehnten. | |
Er selbst habe sich aber „eigentlich weiter keine Gedanken gemacht, dass | |
das kontrovers sein könnte“, erzählte er 2015 in einem Interview: „Was mir | |
durch den Kopf ging, war, welches Motiv ich denn wählen sollte. Und dann | |
machte es auch schnell Klick.“ | |
Das Produkt des Klicks löste eine Reihe von Morddrohungen aus. Kurt | |
Westergaard und Ehefrau Gitte wurden erst unter zeitweisen, ab 2007 dann | |
unter permanenten Polizeischutz gestellt. Ständig patrouillierten Beamte | |
vor seinem von Kameras überwachtem Reihenhaus in der Nähe von Århus, dessen | |
Fenster schusssicheres Glas erhielten. | |
Ein Badezimmer wurde mit einer Stahltür zum Sicherheitsraum umgebaut. In | |
den er sich auch flüchten konnte, als am Neujahrstag 2010 ein mit einer Axt | |
bewaffneter Asylsuchender aus Somalia trotz aller Sicherheitsvorkehrungen | |
ins Haus eindringen konnte. | |
## Auf Schritt und Tritt bewacht | |
Danach wurde Westergaard auf Schritt und Tritt von drei Personenschützern | |
begleitet. „Die sind auch dabei, wenn ich mir im Laden um die Ecke eine | |
Tube Zahnpasta kaufe“, berichtete er 2010 in einem Interview: „Aber so | |
etwas wird schnell Routine.“ 2010 endete aus Altersgründen auch seine | |
Anstellung bei Jyllands-Posten, im gleichen Jahr erhielt er zwei deutsche | |
Medienpreise: Den „Preis für die Freiheit und die Zukunft der Medien“ und | |
von Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht den „M100 Medienpreis“ des | |
M100 Sanssouci Colloquiums. | |
Er bereue nichts und habe sich für nichts zu entschuldigen, lautete die | |
regelmäßige Antwort Westergaards: „Ich habe nichts Falsches gemacht, ich | |
habe mich an das gehalten, was in Dänemark gilt. Hier haben wir das Recht | |
zu wählen, seine Meinung zu äußern und zu demonstrieren.“ Und seine | |
Reaktion auf die 2008 erfolgte Verurteilung der Karikaturen durch den | |
Vatikan, mit der Begründung „Meinungsfreiheit darf kein Vorwand sein, um | |
Religionen zu beleidigen“: „Da will ich nur sagen, dass viel von dem | |
Fortschritt in der Geschichte der Menschheit trotz der religiösen | |
Autoritäten errungen wurde.“ | |
Leider habe der Mann aus Somalia, der ihn 2010 ermorden wollte und der nach | |
Verbüßung seiner Haftstrafe jetzt mit geduldetem Aufenthalt in Dänemark | |
lebt, seinen Versuch zu einer Kontaktaufnahme abgelehnt, berichtete | |
Westergaard im vergangenen Jahr. Er hätte ihm nämlich gerne klarmachen | |
wollen, dass „ich keinerlei hasserfüllte Gedanken habe“: „Viel mehr kann | |
man ja im Rest seines Lebens nicht mehr machen, wenn man erst einmal 85 | |
Jahre alt ist.“ Ein Jahr später, wenige Tage nach seinem 86. Geburtstag, | |
ist Westergaard nun nach längerer Krankheit verstorben. | |
19 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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