Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Comic-Zeichner Ralf König übers Altern: „Würde kann eine Spaß…
> Auch schwule Männer werden älter. Und dann? Das beantwortet Ralf König
> humorvoll in seinem neuen Comic „Herbst in der Hose“.
Bild: „Gott kriege ich gerade noch so in die Tasche gesteckt, das Alter nicht…
Um es vorweg zu nehmen: Ralf Königs neue Comicerzählung „Herbst in der
Hose“ gehört zum Schönsten und Lesenswertesten, das der in Köln lebende
Zeichner bisher auf Papier gebannt hat.
Es ist ein ebenso melancholisches wie markerschütternd komisches Buch über
die Anfechtungen des Alters und jene narzisstische Kränkung, die die
Endlichkeit des eigenen Lebens nun einmal darstellt. Da gibt es ja auch
nichts zu beschönigen. Der Tod ist scheiße und der Weg dahin mit
Unverschämtheiten gepflastert, die nur einer überaus hinterhältigen höheren
Macht einfallen konnten.
Die Andropause, die den heterosexuellen wie schwulen Mann jenseits der
vierzig gleichermaßen befällt, ist so eine Unverschämtheit. Reicht es
nicht, dass man irgendwann stirbt? Muss der Mann, dieses ohnehin leicht zu
verunsichernde Geschöpf, vorher wirklich mit biologischen Grausamkeiten wie
Erektionsstörungen oder schrumpfenden Hoden geschlagen werden?
Bekanntlich ist der Zeichner Ralf König aber niemand, der sich von höheren
Mächten ins Bockshorn jagen lässt, und deswegen schickt er seine
Knollennasen Paul und Konrad, die sich fast seit Anbeginn durch Königs
Universum lieben, streiten und vögeln, in den Kampf gegen das
Unvermeidliche.
## Minimalistischer Strich
Die episodische Graphic Novel setzt zu Beginn der schicksalshaften
Wechseljahre ein, die gerade den unerschütterlich notgeilen Paul lautstark
verzweifeln lassen, während Konrad dem Männermartyrium mit trockenem Witz,
Pragmatismus und unerschütterlicher Liebe zu Paul trotzt – bis zu einem
vorläufigen, so gar nicht bitteren Ende. „Herbst in der Hose“ ist nebenbei
nämlich auch noch eine große und berückend unsentimental erzählte
Liebesgeschichte.
Künstlerisch kann man dem 57-jährigen Zeichner jedenfalls keinen Niedergang
attestieren. Scheinbar mühelos wechselt die Erzählung innerhalb weniger
Bilder den Ton, und Königs minimalistischer Strich fängt jede Gefühlsnuance
der Figuren ein.
„Es war eine furchtbare Arbeit“, stellt der Zeichner klar. „Es dauerte vi…
zu lange. Erst mal mich dem Thema zu nähern, vor dem ich selber offenbar
ausgesprochene Ängste vor mir herschiebe. Älter werden finde ich gerade gar
nicht witzig.“
Als er das sagt, sitzen wir auf dem Sofa in seiner Wohnung über den Dächern
Kölns. Sie liegt in einer belebten innerstädtischen Gegend. König sortiert
gerade Unterlagen für die Steuer. Das ist einerseits schlecht, denn
Menschen, die Steuersachen erledigen müssen, sind meist genervt.
Andererseits ist es gut. Wer Steuersachen erledigen muss, freut sich über
jede Ablenkung.
## Pornos im Schrank des Vaters
Ralf König ist Jahrgang 1960, und die Eckdaten seines Leben hat er bereits
in zahlreichen Interviews dargelegt. Kindheit und Jugend in der
westfälischen Provinz, Hauptschulabschluss und Tischlerlehre. Bei Wilhelm
Busch entdeckt er früh seine Liebe zu den Bildern. Dessen Geschichten kann
er verstehen, bevor er lesen lernt. „Dann habe ich die Underground-Comix
von Robert Crumb und die Pornos im Schrank meines Vaters entdeckt. Beides
hat mein Leben aufs Angenehmste umgekrempelt“, erzählt König und lacht. Es
ist eine gute Lache, smart und selbstironisch, aber klein macht er sich
auch nicht dabei.
1979 ereignet sich das „alles umwälzende Damaskuserlebnis“, wie König es
selber einmal genannt hat, die Schwulendemo „Homolulu“ in Frankfurt und
sein Coming-out. Es folgt ein Kunststudium in Düsseldorf, aber König hat
keine Zeit für die akademische Kunst. Er ist längst dem Comic verfallen und
zeichnet schwule Knollennasenmännchen. Das tut er noch heute.
„Ich könnte kein Buch machen, zu dem ich keine Lust habe, das muss schon
aus dem Bauch raus kommen“, sagt er. Diese instinktive Arbeitsweise zeigt
sich auch beim Zeichnen selbst: „Mir fällt beim Zeichnen des einen Bildes
ein, was ich im nächsten zeichnen werde.“
## Die Arroganz der Mehrheit
Wir reden über das 30-jährige Erscheinungsjubiläum von Königs kommerziellem
Durchbruch „Der bewegte Mann“ im Rowohlt-Verlag. Gibt es heute eine größe…
Akzeptanz für schwule Autoren in den großen Verlagen? Er sei da immer noch
der Kronprinz, weil er eben ein paar Bücher verkaufe, antwortet König. Für
andere Autoren, die Schwulsein thematisierten – er nennt den verstorbenen
Schriftsteller Detlev Meyer – sei es jedoch weiterhin schwierig. „Das
interessiert die Heteros nicht, was mich immer ein bisschen geärgert hat,
weil ich andersherum ja auch Philip Roth und Houellebecq lese.“ König nennt
das die „Arroganz der Mehrheit“.
Seine Kunst ist jedoch längst nicht auf die Darstellung schwulen Lebens
beschränkt. Zeichnend arbeitet er sich fünf Jahre lang an religiösen Dogmen
ab, ab 2005 entstehen „Dschinn Dschinn“ und eine Trilogie über Schöpfung,
Sintflut und den Apostel Paulus. Der Protest, der daraufhin von
christlicher Seite losbricht, überrascht sogar den shitstormerprobten
Zeichner.
Aber klein beigeben ist seine Sache nicht, der Zorn über verbotsgeile
Frömmler ist König auch jetzt deutlich anzumerken. „Es kann ja keiner mehr
ernsthaft annehmen, dass wir die Kurve kriegen“, zeichnet er ein düsteres
Bild der Weltlage, „und je mehr wir uns ins Elend verstricken, umso mehr
schreien sie nach Erlösung und Gott.“
## „Ich mag gar nicht mehr Nachrichten sehen“
Mittlerweile ist das Thema Religion für ihn abgeschlossen. König hat dazu
gesagt, was er sagen wollte. Versöhnt wirkt er nicht, warum auch? Mit einem
Gott, der Schwule und Karikaturisten hasst, ist kein Frieden zu machen.
König wird da deutlich: „Ich bin gerade so angepisst, ich mag gar nicht
mehr Nachrichten sehen. Das ganze Sich-den-Sex-Verbieten, die religiösen
Dogmen, das sucht sich Ventile und dann sprengen sich die Leute in die
Luft. Das ist doch alles so krank.“
Er sei im Laufe der Jahre ein ausgesprochen ernster Mensch geworden, meint
König und wirklich klingt der Zeichner bisweilen pessimistisch. Doch am
Ende schlägt immer dieser knochentrockene Witz durch. „Gott kriege ich
gerade noch so in die Tasche gesteckt, das Alter nicht, fürchte ich“, sagt
er auf die Frage, ob er sich nach der Religion einfach den nächstgrößeren
Gegner gesucht habe.
Als Künstler ist König der Komik jedenfalls treu geblieben. Noch immer ist
sie Treibstoff seiner Geschichten und Motor seiner Karriere. Komik ist für
König jedoch mehr als Arbeitsmaterial. Die unverschämt vergnügte,
pimmelselige Science-Fiction-Persiflage „Barry Hoden“ etwa, eine
Fortsetzung des Bandes „Raumstation Sehnsucht“, hat der Zeichner in einer
tiefen persönlichen Krise geschrieben. Nur dabei konnte er jene Wut
loswerden, die ihn womöglich sonst krank gemacht hätte, sagt er. Humor als
Schild, der vor den Anfechtungen des Lebens feit. Womit wir wieder beim
Zahn der Zeit wären.
Man kann nicht behaupten, dass Ralf König dem Altern viele gute Seiten
abgewinnen mag. Oder überhaupt eine einzige. Es ist ja auch ein Ärgernis,
dass die sexuelle Energie nachzulassen droht, die Lebenszeit immer
schneller verfliegt und bloß die Regenerationsphasen sogar nach maßvollem
Drogenkonsum länger werden. Und dann wird man auch noch mit wohlfeilen
Platitüden verhöhnt. „Man soll genießen, wenn der Kaffee duftet, wenn man
alt ist und so ein Scheiß“, zitiert König einen entsprechenden
Lebensratgeber, in dem er nach Inspiration gesucht hat.
## Kampf dem Sexualverfall
Eher hält es der Zeichner mit seiner Figur Paul, der den Kampf gegen den
Sexualverfall mit dem Schwur „Ich werde Sex haben, bis mir die Prostata aus
dem Arsch baumelt!“ aufnimmt. Stilsicher entscheidet sich Paul stets gegen
angeblich altersgerechtes Maßhalten, beherzigt den Ratschlag „Scheiß auf
Würde“ nach Kräften und wirkt in seiner unverfrorenen Lebensgier niemals
unwürdig.
„Das bin sehr ich“, sagt König und grinst wie seine eigene Figur. „Würde
kann auch eine Spaßbremse sein. Und wenn da einer war, den ich geil fand,
hab ich das auch ausgekostet – immer. Von daher steckt auch eine Portion
Paul in mir, auch wenn ich langsam zu Konrad mutiere.“
Nun, es gibt Schlimmeres, als im Alter zu einem großherzigen Feingeist wie
Konrad zu mutieren, doch noch sonnt sich dessen Erfinder allenfalls im
milden Frühherbst seines Lebens und auch den Knollennasen fährt ja nicht
gleich der Winter in die Hose. „Die Phase, in der Paul jetzt ist, um die
fünfzig, grauer und ein bisschen dicker, da kann ich noch jede Menge
machen.“
Nur authentisch müssen die Figuren bleiben. Denn Glaubwürdigkeit gilt dem
Zeichner viel. „In zehn Jahren bin ich siebenundsechzig“, überlegt König
und lacht ungläubig. „Ach, du Scheiße. Und dann auf die Bühne zu steigen
und da geht’s nur ums Ficken, das fände ich komisch, das sollte einen
anderen Ton kriegen.“
Diesen Ton wird König finden, wenn die Charakterknollennasen Konrad und
Paul ihn weiterhin begleiten. Denn wenn das Alter jemals würdige Gegner
gezeichnet bekommen hat, sind es diese beiden.
3 Jul 2017
## AUTOREN
Christian Bartel
## TAGS
Deutscher Comic
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Homosexuelle
Schwul
Altern
Schwerpunkt LGBTQIA
Andropause
Andropause
Testosteron
Bonn
Deutscher Comic
Charlie Hebdo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Interview mit Comiczeichner Ralf König: „Erotisiert bleiben“
Der Schöpfer von „Der bewegte Mann“ ist gerade 60 geworden. Ein Gespräch
über Schwule, Knollennasen und (nicht nur religiöse) Eiferer.
Kolumne Andropause: Junge Leute sind ganz nice, srsly
Jugendliche tragen Wollmützen im Sommer, Sonnenbrille im Dunkeln und setzen
hinter jede Nachricht einen Smiley. Das nervt, ist aber auch zum Knuddeln.
Kolumne Andropause: Der dritte Frühling
Mit dem Alter wird nicht alles leichter, vor allem nicht untenrum. Über
Urologen, Polen-Witze und Nachtröpfeln – den Orgasmus des alten Mannes.
Kolumne Andropause: Midlife Crisis? What Midlife Crisis?
Wenn das Testosteron ab einem bestimmten Alter rapide absinkt, hat das
schwere Folgen. Eine ordentliche Midlife Crisis hingegen ist etwas völlig
anderes.
Die Wahrheit: Pressekonferenz mit Angehörigen
Die Woche der verschwundenen Politiker: Zum Schluss ein Pflegeheim in Bonn,
das auf die Bedürfnisse alternder Volksvertreter zugeschnitten ist.
500. Ausgabe des DDR-Comics „Mosaik“: Ostkobolde im Westen integriert
Seit 62 Jahren existiert das in der DDR gegründete Comic „Mosaik“. Auch in
der 500. Ausgabe wird noch auf spielerische Weise Wissen vermittelt.
Aus der Sonderausgabe „Charlie Hebdo“: „Ich fahre eine Art Menschheitseke…
Der Kölner Zeichner Ralf König erinnert sich an seine Reaktion auf den
Pariser Anschlag vor einem Jahr – und an die Berichte darüber.
Comiczeichner Ralf König über sein Frühwerk: "Ich steh auf ausgewachsen"
Anfangs war der Comiczeichner Ralf König nur im schwulen Underground ein
Star. Ein Gespräch über seine heute irritierenden frühen Arbeiten.
Comic-Zeichner Ralf König wird 50: Die Blondinen der Homos
30 Jahre Dienst an der Knollennase: Der Zeichner Ralf König, mit einer
sozio-rhinologischen Untersuchung und einer Ausstellung geehrt, ist am
Sonntag 50 Jahre alt geworden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.