# taz.de -- Online-Konzerne und Medienhäuser: Fremde oder Freunde | |
> Endlich wieder attraktiv: Konzerne wie Google und Facebook umgarnen | |
> Medienhäuser. Werden die Verlage den Flirt bereuen? | |
Bild: Schneller online lesen und dabei gemütlich rauchen. Durch die Kooperatio… | |
Christian Röpke staunt. Sein Spielzeug: AMP. Das Kürzel steht für | |
„Accelerated Mobile Pages“, beschleunigte mobile Seiten. Röpke ist | |
Geschäftsführer von Zeit Online und hat genau daran ein großes Interesse: | |
dass sich Leser in rasantem Tempo durch sein Portal tippen und wischen | |
können. „Das sind keine vorgeladenen Artikel“, erklärt Röpke, während er | |
mit einer schnellen Bewegung den Text, den er eben noch in seinem Handy | |
abgerufen hat, wegschiebt. Und siehe da: Noch bevor der Geschäftsführer | |
wieder seinen Daumen vom Gerät nimmt, erscheint im Browser schon die | |
nächste Geschichte. „Das ist tatsächlich die Ladezeit“, sagt Röpke. | |
AMP ist ein äußerst schlanker neuer Programmcode, den Programmierer von | |
Google entwickelt haben und der vor allem textlastige Internetseiten | |
optimiert, in dem er ein paar Standards für das Layout vorgibt, an die sich | |
alle halten müssen. So können sich Seitenbetreiber Bits und Bytes und ihren | |
Nutzern lästige Ladezeit sparen. | |
Nicht nur Zeit Online, auch andere Medienhäuser arbeiten derzeit daran, | |
dass ihre Seiten AMP ausgeben, wenn Nutzer sie über das Smartphones | |
ansteuern. Das Besondere an dieser Entwicklung: Google wirft den neuen | |
Standard nicht einfach auf den Markt, sondern hat ihn gemeinsam mit | |
Vertretern von Medienhäusern entwickelt. AMP ist das erste Ergebnis von | |
Googles sogenannter Digital News Initiative (DNI), die der Konzern im | |
vergangenen Jahr aufgelegt hat. | |
Mit seiner Initiative umgarnt Google Medienhäuser förmlich, aber auch | |
andere Tech-Konzerne kloppen sich seit Kurzem um journalistische Inhalte – | |
und 2016 dürfte es noch intensiver zugehen. Facebook hat parallel zur | |
Google-Initiative das Modell Instant Articles gestartet. Auch hier ist das | |
Ziel: Artikel sollen auf den Smartphones der Internetnutzer deutlich | |
schneller laden – in diesem Fall, indem Redaktionen ihre Geschichten sogar | |
komplett in dem belebtesten sozialen Netzwerk veröffentlichen. Als | |
Gegenleistung schüttet Facebook fröhlich Werbeeinnahmen aus. | |
## Profit statt Altruismus | |
Zeit-Online-Geschäftsführer Röpke macht sich allerdings keine Illusion: | |
Altruistisch ist das, was Facebook und Google und – in ersten Ansätzen – | |
auch Apple und Twitter machen, freilich nicht. „Ein Modell wie Instant | |
Articles entsteht doch vor allem, weil die Verweildauer bei Facebook | |
steigt, wenn wir unsere Inhalte, unseren aufwendigen Journalismus nicht | |
mehr nur auf unserer eigenen Seite veröffentlichen, sondern die Geschichten | |
komplett auf Facebook stellen“, sagt Röpke: „Nutzer bleiben länger auf der | |
Plattform, wenn ihnen unsere Geschichten gefallen und sie dafür Facebook | |
gar nicht mehr verlassen müssen. Keine Frage: Das gefällt dem Betreiber. Am | |
Ende müssen wir natürlich sehen, wo wir in der Gleichung bleiben. Das ist | |
momentan unsere große Aufgabe.“ | |
Zeit Online tastet sich gerade erst an das Modell Instant Articles heran. | |
Spiegel Online ist weiter, es gehörte – ebenso wie Bild – zu den | |
sogenannten Alpha-Partnern und war in die Entwicklung eingebunden. Für | |
einen größeren Test will Spiegel Online bald ein Drittel seiner Geschichten | |
komplett auf Facebook veröffentlichen, gut 50 Artikel am Tag. | |
„Wir erreichen über diese Plattformen auch Leute, die wir sonst gar nicht | |
bekommen hätten: neue Leser für unseren Journalismus“, sagt | |
Spiegel-Online-Geschäftsführer Jesper Doub. Auch er freut sich natürlich | |
darüber, dass sich die Tech-Konzerne förmlich um Medienhäuser und ihre | |
Inhalte prügeln. Aber: „Wir werden hochwertigen Journalismus nur dann | |
weiter anbieten können, wenn wir ihn uns auch leisten können.“ | |
Vor allem bei Facebook müssen sich Medienhäuser fragen, ob die so | |
verlockende neue Partnerschaft mit dem Konzern wirklich ein Miteinander auf | |
Augenhöhe ist. „Die Entscheidungen, die wir dieser Tage treffen müssen – | |
auf welches Projekt lassen wir uns ein, wie viele unserer Inhalte wollen | |
wir auf andere Plattformen stellen und so weiter – haben eine große | |
Tragweite“, sagt Zeit-Online-Geschäftsführer Röpke: Ja, mit der | |
Medienoffensive der Tech-Konzerne hätten Medienhäuser heute „deutlich mehr�… | |
Optionen als früher. | |
## Jeder will dabei sein | |
Damit stiegen allerdings auch die Unbekannten: „Kein Mensch weiß | |
beispielsweise, wie sich die Konzerne in Zukunft verhalten werden. Wir | |
müssen abwägen.“ Und auch Doub sagt, er prüfe Kooperationen vor allem mit | |
dem Fokus auf die erhoffte Refinanzierung, also etwa, ob Facebook wirklich | |
genug von den Werbeeinnahmen abgebe. „Mit Reichweite per se kann ich nun | |
mal keine Journalisten bezahlen.“ | |
Dass sich Unternehmen wie Facebook und Google für sie interessieren, | |
schmeichelt den Medienmachern allerdings sichtlich. Kein Wunder: Das | |
Umtriebige und Innovative der noch jungen Tech-Konzerne färbt auf | |
traditionelle Häuser ab. Aber es bleibt eine Gratwanderung: Einerseits will | |
jeder bei Experimenten dabei sein und technologisch vorne mitspielen. | |
Andererseits will aber niemand in eine Falle tappen. Und schon gar nicht | |
will sich eine Redaktion nachsagen lassen, sie sei käuflich. | |
Vor allem Google fährt nicht nur Technik auf, sondern auch Geld. Teil | |
seiner Digital-News-Initiative ist ein als Innovationsfonds gelabelter | |
Geldtopf: Für Medienmacher in Europa, die sonst mit dem | |
Leistungsschutzrecht gegen Google agitieren, liegen 150 Millionen Euro | |
bereit. Spiegel Online hat sich beworben. Bis klar ist, ob sein Haus auch | |
begünstigt wird, will der Geschäftsführer das eingereichte Konzept nicht | |
konkretisieren. Doub sagt nur: „Wir sind davon überzeugt, dass Technologie | |
und Publizistik dem Journalismus helfen würden, wenn man das schlau | |
kombiniert. Und deshalb haben wir auch kein Problem damit, Google mit ins | |
Boot zu holen.“ | |
## Oder Abhängigkeit? | |
Aber: Würde ein stolzer Verlag wie der Spiegel dabei nicht vielmehr mit | |
Google ins Bett steigen? Digital-Geschäftsführer Doub sagt, er sei dabei | |
nicht auf „Hilfe im Sinne von Almosen“ aus. Und überhaupt: „Wir legen uns | |
mit denen nicht ins Bett.“ Google und Facebook seien Partner, aber nicht | |
Bestandteil der Produkt-DNA, man sei nicht auf sie angewiesen und könne die | |
nötige Distanz wahren. Die Konzerne seien „weder gigantische Bedrohungen | |
noch Erlöser“. | |
Tatsächlich ist es auch nicht so, dass Medienmacher blind zugreifen, wenn | |
Tech-Konzerne ihnen eine vermeintliche Lösung hinhalten. Google bietet | |
Verlagen auch seinen YouTube-Player an. Der Vorteil liegt auf der Hand: | |
Googles Videotochter würde das teure Bereitstellen der Beiträge übernehmen. | |
Spiegel Online sieht indes die Gefahr einer Abhängigkeit. Auch Zeit Online | |
ist skeptisch und will das Modell erst mal nur im Kleinen testen, bei | |
seinem jungen Ableger Ze.tt. | |
Vieles spricht dafür, dass die Tech-Konzerne Medienhäuser 2016 so sehr | |
umgarnen wie nie zuvor – aber finden alle Beteiligte auch zu fairen | |
Modellen? Für Spiegel-Online-Geschäftsführer Doub ist die Suche nach einer | |
Antwort darauf „die große Aufgabe für 2016, vermutlich auch noch für 2017�… | |
Er ist sich sicher: „Wenn das nicht klappt, werden sich Verlage wieder | |
zurückziehen. Auch in unserem Geschäft gelten nun mal die Grundrechenarten | |
und die Lehren der Betriebswirtschaft.“ | |
8 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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