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# taz.de -- Gerichtsverhandlung gegen Bremer SPD-Mann: Murks schützt vor Strafe
> Aufgrund offensichtlich falscher Zahlen wird das Verfahren gegen
> SPD-Abgeordneten Mehmet Acar wegen Steuerhinterziehung ausgesetzt.
Bild: Falsche Zahlen: Richter setzt Verfahren gegen Mehmet Acar aus.
Bremen taz | Das Verfahren gegen den SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Mehmet
Acar wird ausgesetzt. Zu undurchsichtig, befand am Mittwoch der Vorsitzende
Richter am Amtsgericht, sei die Berechnung der Steuern, die der
Bauunternehmer von 2003 bis 2006 hinterzogen, und der Sozialabgaben, die er
nicht gezahlt haben soll.
Laut Anklage, die schon vor drei Jahren erhoben wurde, soll es um eine
Summe von über einer Million Euro gehen: Rund 600.000 Euro für die
Sozialversicherung, gut 130.000 Euro für die Berufsgenossenschaft und über
520.000 Euro für die Zusatzversorgungskassen – hinzu kommt die
Hinterziehung von Umsatz- und Gewerbesteuern.
Ob diese Summe überhaupt stimmt, bezweifeln Acars Verteidiger Erich Joester
und Jochen Bachmann. Sie legten am gestrigen, dritten Verhandlungstag
eigene Berechnungen vor: Die Angaben des Hauptzollamts als
Ermittlungsbehörde seien falsch, die Umsätze von Acars Baufirma „Elanbau-
und Handels Acar GmbH“ seien viel geringer gewesen als unterstellt.
So seien stornierte Rechnungen genauso wenig berücksichtigt worden wie
jene, die aufgrund von Mängeln nur teilweise beglichen worden seien. Auch
die Unterstellung, dass über Subunternehmen – und von denen hatte Acars
Baufirma einige – eingestellte Fremdarbeitskräfte den Gewinn der Firma
erhöhten, sei falsch: „Fremdarbeitskräfte erhöhen die Flexibilität eines
Unternehmens, schmälern allerdings den Gewinn.“
Daneben habe die Ermittlungsbehörde Acar vorgeworfen, die für die
Baubranche übliche Netto-Lohnquote von 66 Prozent unterschritten zu haben –
für die Behörde ein Hinweis auf Schwarzarbeit. Die Quote sei aber ein
reiner Schätzwert, so Bachmann, und werde selbst vom Finanzamt rund 15
Prozent niedriger angesetzt als vom Zollamt.
„Das Finanzamt ist auch nie davon ausgegangen, dass hier Schwarzlöhne
bezahlt worden sind.“ Auch ehemalige Arbeitnehmer, die schwarz für ihn
gearbeitet oder Beweise gegen ihn haben könnten, gebe es nicht: „Wir haben
keinen einzigen Namen, keinen einzigen Zeugen“, sagte Joester.
Worauf die Verteidigung hinaus will, liegt auf der Hand: Die gegen Acar
erhobenen Vorwürfe liegen viele Jahre zurück und sind teilweise bereits
verjährt. Im Mai wäre dadurch auch der letzte Vorwurf vom Gerichtstisch –
allerdings nur, wenn das Urteil gegen Acar nicht
[1][„Sozialleistungsbetrug“] (Paragraf 263 StBG), sondern [2][„Vorenthalt…
und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“] (Paragraf 266a StGB) lauten würde: Als
Unterlassungsdelikt wäre diese Tat erst beendet, wenn nach 30 Jahren der
Anspruch des Sozialversicherungsträgers auf Zahlung verjährt ist – erst ab
dann beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist.
Welcher Straftatbestand bei Mehmet Acar zum Tragen kommen wird, kann
freilich erst nach sorgfältiger Überprüfung der gegen ihn erhobenen
Vorwürfe entschieden werden: Denn nicht nur seine Verteidiger stellen die
Berechnungen der Ermittlungsbehörde infrage, sondern auch der Vorsitzende
Richter am Amtsgericht: Die Zahlen des Hauptzollamtes, räumte er ein, seien
in der Tat offenbar nicht richtig.
Insgesamt lägen mittlerweile vier verschiedene Berechnungen vor – hier
müsse nun erst einmal Klarheit geschaffen werden. Dies werde erheblichen
Aufwand unter Einsatz ergänzender Ermittlungen erfordern: „Und danach
werden wir darüber reden, wie man eine neue Hauptverhandlung sinnvoll
führen kann.“
Wann die beginnt, ist offen. Fest steht hingegen, dass Acars Immunität, die
die Bürgerschaft ihm aufgrund des Verfahrens im August entzogen hat,
weiterhin aufgehoben bleibt.
6 Jan 2016
## LINKS
[1] http://www.grundsicherungs-handbuch.de/Handbuch/Sozialleistungsbetrug/sozia…
[2] http://dejure.org/gesetze/StGB/266a.html
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Steuerhinterziehung
Prozess
Bremen
Abgeordnete
SPD
Bremer Bürgerschaft
Bremen
Grüne
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