# taz.de -- Taliban in afghanischer Helmand-Provinz: Norden wird zur „befreit… | |
> Die Taliban rücken weiter vor. So stärken sie ihre Position auch für den | |
> Fall, dass es Friedensgespräche mit der Regierung geben sollte. | |
Bild: Afghanische Sicherheitskräfte in der umkämpften Helmand-Provinz. | |
BERLIN taz | Über die in Afghanistan nicht gefeierten Weihnachtstage haben | |
die Taliban im Süden des Landes weitere militärische Erfolge erzielt. | |
Bereits am Mittwoch nahmen sie nach tagelangen Kämpfen das Distriktzentrum | |
von Sangin ein und rückten weiter an die Provinzhauptstadt Laschkargah | |
heran. | |
Aber ein „zweites Kundus“ wurde bisher vermieden. Ende September hatten die | |
Taliban den früheren Bundeswehrstandort in Nordost-Afghanistan für zwei | |
Wochen erobert und der Regierung in Kabul und ihren westlichen Verbündeten | |
damit eine prestigeträchtige Niederlage bereitet. | |
Sangin bleibt umkämpft. Die Regierung hat Spezialeinheiten dorthin verlegt. | |
Dazu kommen 30 britische und 60 US-Angehörige von Sondereinheiten, die | |
unter anderem Luftschläge zur Unterstützung der Regierungstruppen | |
organisieren. Obwohl Kabul behauptet, man habe Dutzende Taliban-Kämpfer | |
getötet, konnte Sangin bisher nicht zurückerobert werden. | |
Die Taliban setzen nach Angaben aus Kabul von Regierungskräften erbeutetes | |
Militärmaterial ein, darunter gepanzerte Fahrzeuge amerikanischer Bauart. | |
Auch haben sie Straßen vermint, was Gegenoperationen erschwert. Dieses | |
Vorgehen erinnert an Kundus. Trotzdem war Helmand in diesem Jahr die am | |
stärksten umkämpfte der 34 afghanischen Provinzen. Gerade deshalb sind die | |
Taliban-Erfolge so bemerkenswert – auch wenn Sangin selbst, ein Provinznest | |
mit einigen zehntausend Einwohnern, strategisch wenig bedeutsam ist. | |
Seine Bedeutung liegt in seinem wichtigen Drogenbasar, der den Taliban | |
zusätzliche Ressourcen verschafft, und dass es den Zugang zum nördlich | |
gelegenen Wasserkraftwerk von Kadschaki bildet. Das war aber schon seit | |
Monaten nicht mehr für die Regierung erreichbar. Denn die Taliban hatten | |
schon im Sommer zwei Distrikte nördlich von Sangin erobert. | |
Strategisch bedeutsamer ist, dass Sangin und weitere umkämpfte Distrikte in | |
Nord-Helmand recht nah an der Ringstraße Kabul-Kandahar-Herat liegen, der | |
wichtigsten Straßenverbindung des Landes überhaupt. Sollten die Taliban von | |
Sangin aus weiter nach Süden vorrücken, könnten sie diese für Afghanistans | |
Wirtschaft wichtige Straße bedrohen oder gar unterbrechen. Auch vom Süden | |
rückten sie in Richtung Laschkargah vor. | |
## Gespräche mit Pakistan | |
Mit ihren Gebietsgewinnen erweiterten die Taliban das von ihnen | |
kontrollierte zusammenhängende Territorium in der Nordhälfte Helmands, das | |
nun fünf Distrikte umfasst. Von Helmands 14 Distrikten kontrolliert die | |
Regierung nur noch mehr oder weniger drei. Einige Quellen bei den Taliban | |
sagen, sie wollten Helmand zur Basis ihrer Führung machen. Die befürchtet | |
in Pakistan, wo sie sich bisher meist aufhält, weiter unter Druck zu | |
kommen. | |
Gerade hält sich Pakistans Armeechef General Rahil Scharif in Kabul auf, um | |
neue Direktgespräche zwischen der Kabuler Regierung und den Aufständischen | |
vorzubereiten. Eine erste Runde hatte im Juli stattgefunden, wurde nach | |
einer Woche aber von den Taliban abgebrochen, nachdem Kabul und Islamabad | |
die vereinbarte Vertraulichkeit gebrochen hatten. Die Taliban wollen dem | |
neuen politischen Druck ausweichen, denn mit ihren Erfolgen in Kundus und | |
Helmand sehen sie sich militärisch im Aufwind. | |
Allerdings dürfte ihnen klar sein, dass ein Sieg über die Regierungstruppen | |
kurzfristig kaum möglich ist – umso mehr, da die Nato-Staaten ihrer | |
Truppenabzug gestoppt haben. Aber militärische Erfolge können auch ein | |
Faustpfand sein, sollte es zu Verhandlungen kommen. | |
27 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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