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# taz.de -- ARD-Serie „Mord mit Aussicht“: extended: Klopapier ist alle
> „Mord mit Aussicht“ bekommt einen unbestimmten Artikel und 40
> Extraminuten spendiert – besser macht das die Provinz-Serie jedoch nicht.
Bild: Mal wieder in Schwierigkeiten: Provinz-Polizist Dietmar Schäffer (Bjarne…
Ach. „Ein Mord mit Aussicht“ ist ein tragischer Fall. Der unbestimmte
Artikel davor macht es nicht besser, die Spielfilmlänge nur noch schlimmer.
Die in ihrer ersten Staffel ganz großartige, nicht genug über den grünen
Klee gelobte Serie, die selbst nie im Vorabendprogramm gelaufen ist, war
einmal der Grund für die Provinzkrimiinvasion, die unter dem Banner „Heiter
bis tödlich“ längst das ARD-Vorabendprogramm dominiert; das Allheilmittel
einer hilflosen ARD, die sogar einen hilflosen Thomas Gottschalk auf den
Sendeplatz zurückwünschen lässt.
„Mord mit Aussicht“ gewissermaßen als die Entsprechung zum guten Alfred
Biolek, dem man es auch nicht gewünscht haben würde, als Stammvater des
Kochshowirrsinns die Verantwortung für die Ferkeleien von Henssler, Lichter
und Mälzer tragen zu müssen.
Das allein ist schon tragisch. Richtig tragisch aber ist, wie im Laufe von
drei Staffeln à 13 Folgen die Serie das bestenfalls bräsige untere
Mittelmaß ihrer Vorabend-Epigonen quasi absorbiert hat.
Dabei war es so schön anzusehen, wie mehr als zehn Jahre nach „Ausgerechnet
Alaska“ wieder ein notorischer, neurotischer Großstädter gänzlich
unfreiwillig in die Provinz verschlagen wurde, um in einer liebevoll
verschroben gezeichneten Dorfgemeinschaft schließlich sogar eine Art Platz
zu finden. Dass die Entfernung von Köln nach Hengasch in der Eifel eine
viel geringere ist als die von New York nach Cicely in Alaska, fiel nicht
weiter ins Gewicht. Auch dass Sophie Haas (Caroline Peters) Polizistin ist
und nicht, wie Joel Fleischman, Arzt: geschenkt. Die läppischen
Kriminalfälle waren doch nur Dekor für das Sittengemälde einer detailreich
überzeichneten Provinzialität. Volkstheater im besten Sinne war das, mit
einem herausragenden Cast.
## Zelebrieren von Schrulligkeit
Bjarne Mädel zum Beispiel. Den die ARD dann viel bejubelt als
„Tatortreiniger“ in seine eigene Serie schickte (wie zuvor schon ProSieben
nicht ganz so bejubelt als „Der kleine Mann“). Mit seiner Inkompetenz und
Langsamkeit hat der von ihm gespielte Dietmar Schäffer die besten Anlagen
für eine erfolgreiche Beamtenkarriere. In Hengasch. Zwischenzeitlich vom
Polizeiobermeister zum Polizeioberkommissar befördert, bringt er also heute
Abend, weil das Klopapier mal wieder aus ist, seiner Kollegin Bärbel
Schmied (Meike Droste) die Küchenrolle in den Klohäuschenverschlag, der
Teil des einen Dienstzimmers ist, aus dem allein die Polizeidienststelle
Hengasch besteht.
Warum nur sieht dieses Zelebrieren von Schrulligkeit jetzt so selbstgerecht
und behauptet aus? Trägt die Idee etwa nicht für mehr als ein oder zwei
Staffeln, und dauert die Reihe einfach schon zu lange? Erfinderin Marie
Reiners jedenfalls ist bereits nach Staffel eins ausgestiegen. Mädel steigt
mit diesem Spielfilm (Buch: Benjamin Hessler, Regie: Jan Schomburg) aus
„Mord mit Aussicht“ aus. Oder auch nicht – beides wird kolportiert.
Und ein bisschen steigt auch schon Hengasch als Handlungsort aus, scheint
es. Der Film spielt überwiegend in der Nachbargemeinde Hammelforst. Der
Witz soll sich aus dem Spiegel ergeben, der den Polizisten aus Hengasch
vorgehalten wird. Sophie Haas trifft auf eine Wiedergängerin in Person
einer offenbar gänzlich neurosenfreien, sehr korrekten Polizeichefin (Nina
Proll). In der durchgestylten Dienststelle ist nicht nur der Sanitärbereich
vom Feinsten, es gibt da etwa ein Vernehmungszimmer mit elektrisch
höhenverstellbarem Tisch. Sophie Haas wird an dem Tisch, nachdem er auf die
richtige Höhe eingestellt ist, vernommen, weil sie in Hammelforst den
blasierten, korrupten Polizeiapparatschik (Matthias Matschke spielt zurzeit
in etwa jedem dritten ARD- oder ZDF-Film) ermordet haben soll, weil der
ihre Bewerbung für eine Stelle in Köln abgelehnt hatte.
Schäffer und die anderen Dösbaddel aus Hengasch merken nicht, wie sie sie
mit ihren Aussagen nur immer weiter reinreiten. Man muss eben aus Hengasch
kommen, um zu erkennen, dass die goldenen Revolver-Ohrringe einer Frau weit
mehr beweisen als nur schlechten Geschmack (Schäffer: „Wer solche Ohrringe
trägt!“). Am Ende steht die Erkenntnis: „Der schwarze Mann ist in
Wirklichkeit eine weiße Frau.“ Und Sophie Haas wird sich als unschuldig
erweisen, was ein bisschen schade ist, weil so die Tragödie wohl
weitergehen wird.
28 Dec 2015
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
ARD
Bjarne Mädel
Serien
Theatertreffen Berlin
Tatort
Frauenquote
Serie
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