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# taz.de -- La Palma auf den Kanaren: Wo das Firmament strahlt
> Die größte Sternwarte Europas mit optimalen Bedingungen steht auf dem
> Roque de los Muchachos. Dort werden nächtliche Touren angeboten.
Bild: Das Observatorium auf dem Roque de los Muchachos.
Die Himmelskörper haben es Sheila Crosby angetan. „Schauen Sie, der
leuchtende Stern ist Sirius, die drei Punkte rechts weiter oben sind der
Gürtel von Orion. Orion ist eine viel größere Konstellation, als man meinen
könnte, wenn es ganz dunkel wird, sieht man auch den Schild und das Schwert
ganz deutlich.“
Links daneben sehen wir mit Sheilas Hilfe einen rötlichen Stern, er heißt
Beteigeuze und gehört zum Orion-Sternbild. „Beteigeuze kann entweder in
einer Minute oder in einhundert Millionen Jahren explodieren“, erläutert
Sheila. Alle starren gebannt nach oben und warten darauf, Zeugen einer
Supernova zu werden. Natürlich vergeblich.
Wir befinden uns auf dem Roque de los Muchachos, dem mit 2.426 Metern
höchsten Berg auf La Palma, auf dem sich allabendlich den frischen Windböen
zum Trotz ein paar Touristen ein Stelldichein geben, um den Sonnenuntergang
zu beobachten. Seit 24 Jahren lebt die aus Leeds stammende Britin auf La
Palma, für viele die schönste Insel der Kanaren, für Sheila sowieso.
## Verliebt auch in die Sterne
Nur wenige Höhenmeter unter dem Gipfel liegt das Astrophysische
Observatorium, die größte Sternwarte Europas und der nördlichen Hemisphäre
überhaupt. Hier oben im kargen Bergland lernte die gelernte Ingenieurin
einst ihren Mann, einen Astrophysiker, kennen. Damals hatte sie einen Job
am Isaac-Newton-Teleskop, einem der fünfzehn Teleskope des Observatoriums,
wo Physiker aus allen Ländern Europas forschen.
„Ich habe mich in alles gleichzeitig verliebt: in die Sterne, diese Insel,
meinen Mann“, sagt sie. Und selbstverständlich blieb sie und machte ihre
Leidenschaft für den Nachthimmel zum Beruf. Inzwischen ist Sheila ein
Astro-Guide und führt Besuchergruppen auf nächtliche Touren.
Ihr Schlüsselerlebnis hatte sie 1990, als sie Mars, Saturn, Venus und
Jupiter gleichzeitig sah, was wenigen Sterblichen vergönnt ist. Inzwischen
ist Sheila die offizielle Inselexpertin in Sachen Sterne und hat sogar ein
Buch zur Sternwarte veröffentlicht. Der Blick von hier oben ist
beeindruckend, unter uns befindet sich ein riesiges Wolkenmeer, die
Teleskope ragen wie riesenhafte Champignons aus der surreal anmutenden
Landschaft.
## Gesetz zum Schutz des Nachthimmels
„Über den Wolken gibt es keine Luftwirbel, daher haben wir hier auf La
Palma optimale Bedingungen für die Sternbobachtung“, erklärt Sheila. Im
Jahr 1988, nur vier Jahre nach Gründung des Observatoriums, wurde ein
Gesetz zum Schutz des Nachthimmels erlassen. Es soll die
Lichtverschmutzungen durch Straßenbeleuchtung und Flugzeuge auf ein Minimum
reduzieren.
Die Tourismusmanager haben inzwischen erkannt, welche Möglichkeiten diese
Branche birgt, das neue Stichwort auf La Palma heißt Astrotourismus. „Wir
haben viel mehr zu bieten als nur spektakuläre Wanderwege,
Bananenplantagen, Laurisilva-Wälder, verwunschene Dörfer und Drachenbäume“,
so Mariano Fernández, der für Sport zuständige Inselminister. Und so öffnet
das früher nur Wissenschaftlern vorbehaltene Observatorium mittlerweile
seine Pforten für Besucher. Zweimal am Tag gibt es deutsch-, englisch- oder
spanischsprachige Führungen, maximal 25 Teilnehmer darf eine Besuchergruppe
haben, in Kürze soll sogar ein Visitors Center gebaut werden. Drei
Observatorien sind bisher für Touristen zugänglich.
Der Besuch startet bei den Magic-Teleskopen, die die hochenergetische
Gammastrahlung messen. Danach gibt es noch ein weiteres Teleskop zur Wahl,
am beliebtesten ist das Gran Telescopio Canarias (GTC), kurz Grantecan
genannt. Es ist das größte Spiegelteleskop der Welt und ermöglicht die
Beobachtung ferner Galaxien. „Der Spiegeldurchmesser beträgt 10,4 Meter und
sammelt so viel Licht ein wie vier Millionen menschlicher Augenpaare“, sagt
Sheila.
## Eine Art Zauber
Das GTC ist auch das Lieblingsteleskop von Sheila, die unablässig den
Queens-Song „It’s a kind of magic“ vor sich hin trällert, eine Hommage an
Brian May, der 2007 zur Einweihung kam. Der Gitarrist der legendären
Rockgruppe kam einst als Astrophysik-Student auf die Kanaren und schrieb
hier sogar seine Doktorarbeit.
Beliebt ist auch das Galileo-Teleskop, von Sheila als „italienische
Kaffeekanne“ bezeichnet. Von den rund zwölf Planeten außerhalb des
Sonnensystems, die bislang entdeckt worden, gehen drei auf das Konto dieses
von Italienern geführten Teleskops. „Wenn ein Planet vor der Sonne
durchgeht, geht die Helligkeit des Sterns kurz runter, das ist eine der
Möglichkeiten, einen neuen Planeten ausfindig zu machen“, sagt
Forschungsleiter Emilio Molinari.
Hoffnungen, eine zweite Erde, die für Menschen bewohnbar wäre, zu finden,
macht der Wissenschaftler allerdings schnell zunichte. „Die sind alle
mehrere tausend Grad heiß. Das sind keine anderen Welten, sondern höchstens
andere Höllen“, sagt er und lacht. Man muss freilich nicht unbedingt auf
den höchsten Berg der Insel fahren, um Sterne zu gucken. Denn in jeder der
16 Gemeinden von La Palma wurden Aussichtspunkte für den Nachthimmel
geschaffen, mit Informationstafeln zu den Gestirnen, die man hier je nach
Jahreszeit beobachten kann.
Sheilas Lieblingsstelle heißt Llano del Jable. Der 1.340 Meter hoch
gelegene Punkt bietet auch bei Tag eine spektakuläre Aussicht über das Tal.
Ein Pfeil zeigt in Richtung Polarstern, darauf steht, wie weit er entfernt
ist: 4.077.487.653.167.800 Kilometer, auf der anderen Seite die Entfernung
in Lichtjahren: 430, also nicht gerade zum Greifen nah. An die
Aussichtspunkte kommen auch gerne Einheimische wie der einstige
Tabakfabrikant Manuel Concepción, der uns seine Lebensgeschichte erzählt.
## Blick in die Sterne
Seine Familie besaß lange die renommierte Tabakfirma Gloria Palmera,
gegründet von seinem Urgroßvater im Jahr 1914. Er war ein „Indiano“, so
nennen die Menschen hier diejenigen, die einst in die Kolonien aus Übersee,
meist nach Kuba, auswanderten und reich in die Heimat zurückkehrten. Viele
davon gründeten Tabakfirmen auf der Insel, weil sie das Knowhow von Kuba
mitbrachten, Gloria Palmera ist nur eine davon.
„Ich hatte einst 60 Leute beschäftigt, aber 2001 machte ich die Fabrik zu.
Inzwischen erinnert ein Museum in San Pedro nahe der Hauptstadt der Insel
an die glorreiche Tabakkultur von La Palma. „Wenn ich in der Lotterie
gewinne, pflanze ich noch einmal Tabak an“, sagt Manuel. Dann fügt er
scherzhaft hinzu. „Ob es klappt, steht in den Sternen, deshalb bin ich
hierher gekommen.“
25 Dec 2015
## AUTOREN
Ute Müller
## TAGS
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