# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Das Spiel mit den Grenzen | |
> China versucht das Team aus Hongkong rassistisch zu diskreditieren. Als | |
> Revanche wird die chinesische Nationalhymne ausgebuht. | |
Bild: Grimmig stehen sich die beiden Mannschaften gegenüber | |
Das klingt nicht schlecht: „China gegen Hongkong“. Diese Ansetzung eines | |
WM-Qualifikationsspiels hat sogar einen besseren Sound als, um irgendein | |
Beispiel zu wählen: „Deutschland vs. DDR“. Gut, könnte man einwenden, den | |
einen Fußballgegner gibt’s ja nicht mehr. Aber: Hongkong existiert sehr | |
wohl! Es ist so eine „Sonderverwaltungszone“ der Volksrepublik, wie, sagen | |
wir, der Mitteldeutsche Rundfunk eine Sonderfernsehzone der Bundesrepublik | |
ist. | |
Jüngst trafen also die Auswahlmannschaften aus Hongkong und China | |
aufeinander. Das Spiel im Hongkong-Stadion endete 0:0, was einer der | |
größten Erfolge der jüngeren Hongkonger Fußballgeschichte sein dürfte. (Vom | |
sensationellen 2:1 über China in Peking am 19. Mai 1985 mal ganz | |
abgesehen.) | |
Doch nicht das Ergebnis sorgte für Aufregung, sondern dass Hongkonger Fans | |
die chinesische (also, irgendwie, ihre eigene) Hymne ausgebuht hatten und | |
dass Transparente mit den englisch formulierten Slogans „Hong Kong is not | |
China“ hochgehalten wurden. | |
Die Hongkonger Tageszeitung South China Morning Post schrieb, das Spiel sei | |
eine Möglichkeit gewesen, „im Angesicht des bestimmenden und immer | |
einflussreicheren Festlands den Stolz Hongkongs zu verteidigen“. Dies mache | |
das Spiel zu einem „klassischen Beispiel für die Verbindung von Sport, | |
Politik und Identität“. Gewiss. Aber ist das nicht immer so im Fußball? Im | |
Hongkong der vergangenen Jahre jedenfalls war es mal so und mal so. Als | |
2002 bei der WM China auf Brasilien traf (und 0:4 verlor), waren 26.000 | |
Fans ins Hongkong-Stadion gekommen, um – wenn auch nur vor einem riesigen | |
Bildschirm – „ihr“ Team anzufeuern. Die Hymne wurde auch gesungen. | |
Eine Fußballnationalmannschaft hat Hongkong schon seit dem Ende der | |
Vierzigerjahre. Die ganze Kronkoloniezeit über kickte der Stadtstaat | |
international mit, 1956 wurde er bei den Asienmeisterschaften sogar | |
Dritter, und auch mit dem Abzug der Briten im Jahr 1997 ging es weiter: Bei | |
der Ostasienmeisterschaft 2010 etwa holte das Team einen guten vierten | |
Platz. | |
## Offiziell geförderter Rassismus | |
Dass Hongkong auch nach Ende der Kronkolonie eine eigene Nationalmannschaft | |
hat, ist fußballerisches Abbild der chinesischen Politik des „Ein Land, | |
zwei Systeme“. Das erklärt aber nicht, warum es 2002 zum nationalen | |
Zusammenhalt, 2015 hingegen zum Riss kommt. | |
Der Ball mag rund sein, aber eine Partie hat immer zwei Parteien: Die BBC | |
berichtet, dass der chinesische Fußballverband vor dem Spiel gegen Hongkong | |
ein Poster verbreitet habe, das drei Spieler zeigt, dazu den Spruch: „Diese | |
Mannschaft hat Spieler mit schwarzer, mit gelber und mit weißer Hautfarbe. | |
Seid auf der Hut vor einem so vielschichtigen Team!“ | |
Offiziell geförderter Rassismus also, der von der Fifa nicht bemerkt wurde. | |
(Der Weltfußballverband ermittelt stattdessen wegen Ausbuhens der Hymne.) | |
Innergesellschaftliche Probleme lassen anscheinend die Volksrepublik auf | |
die Rassismuskarte setzen, womit der ungeliebte, aber erfolgreiche | |
kapitalistische Teilstaat Hongkong diskreditiert werden soll. Es gibt in | |
Peking ja auch schon Forderungen, Hongkong seinen Sonderstatus | |
aufzukündigen. | |
Der Fußball, lässt sich aus diesem WM-Qualifikationsspiel lernen, markiert | |
mehr als jede Staatenkonferenz politische Grenzen: Wie weit das chinesische | |
Territorium geht, entscheidet sich auf dem Fußballplatz – nämlich nicht bis | |
nach Hongkong. Was das für „Deutschland/DDR“ bedeutet, ist nicht ganz klar: | |
Aber dass kein ostdeutscher Klub derzeit in der Bundesliga vertreten ist, | |
kann man genauso erwähnen wie, dass kein Hongkonger Verein in der ersten | |
chinesischen Liga spielt. | |
9 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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