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# taz.de -- Fluchtwege in die EU: Ein Desaster für die Flüchtlinge
> Nach den Grenzschließungen in der EU weichen Flüchtlinge auf
> gefährlichere Wege aus. Die Türkei steuert auf eine Katastrophe zu.
Bild: Ein syrischer Flüchtling landet auf Lesbos. Seine Zukunft ist ungewiss
Istanbul taz | Seit Anfang vergangener Woche haben türkische Polizei,
Gendarmerie und Küstenwache begonnen, Flüchtlinge daran zu hindern, von der
türkischen Küste auf griechische Inseln zu gelangen. Sicherheitskräfte
greifen an den zuvor am meisten frequentierten Stränden alle Flüchtlinge,
derer sie habhaft werden können, auf und transportieren sie ins
Landesinnere zurück.
Erstmals wurden auch Schlepper in nennenswerter Größenordnung verhaftet.
Türkische Medien berichten von 36 festgenommenen Menschenschmugglern in den
letzten drei Tagen. Doch was für die EU-Regierungschefs eine Woche nach dem
Gipfel mit der Türkei als großer Erfolg gelten mag, ist für die Flüchtlinge
ein Desaster.
Die meisten der jetzt Aufgegriffenen haben schon eine Menge Geld in ihre
Flucht investiert. Wenn man sie jetzt in Istanbul oder gar in der
Zentraltürkei absetzt, müssen sie schlecht bezahlte, illegale Jobs suchen,
um Geld für einen erneuten Versuch nach Europa zu gelangen zu verdienen.
Schlimmer noch: Wenn die Passagen, auf denen die Bootsfahrt bislang am
wenigsten gefährlich war, gesperrt sind, bleiben nur solche, die bislang
als zu gefährlich vermieden wurden. Die türkische Ägäisküste ist ca. 2.000
Kilometer lang. Fast das ganze Jahr über weht starker Nordwind. Die
griechischen Inseln Lesbos und Kos wurden bislang angesteuert, weil man von
der türkischen Seite mit dem Nordwind im Rücken dorthin übersetzen konnte.
Jetzt wird es vermehrt Versuche an Stellen geben, wo Wind und Strömungen
viel ungünstiger sind. Daher werden mehr Flüchtlinge ihren Versuch, nach
Europa zu gelangen, mit dem Leben bezahlen.
## Aufstand im Abschiebeknast
Zudem gibt es bereits erste Hinweise darauf, dass der Grenzfluss
Evros/Meric im Norden der türkisch-griechischen Grenze von den Schleppern
wieder mehr angefahren wird. Den Grenzfluss zu überqueren ist, zumal im
Winter, ebenfalls sehr gefährlich.
Während die Türkei ganz offensichtlich ihre beim Gipfel mit der EU
eingegangenen Verpflichtungen umsetzt, ist von den Absichtserklärungen der
EU, das Leben der Flüchtlinge in der Türkei soweit zu erleichtern, dass
diese nicht mehr nach Europa kommen wollen, noch nichts zu spüren. Die
Türkei wiederum ist nicht darauf vorbereitet, die Flüchtlinge, die nun an
der Fahrt nach Griechenland gehindert werden, zusätzlich zu den 2,5
Millionen, die schon im Land sind, unterzubringen.
Im Westen der Türkei gibt es so gut wie keine Lager, wo die Leute
untergebracht und versorgt werden können. Die wenigen „Rückführungszentren…
entsprechen eher Abschiebegefängnissen. Dort werden nun mehr und mehr
Flüchtlinge eingesperrt.
Am Wochenende kam es im Istanbuler Abschiebegefängnis zu einem Aufstand
gegen die katastrophale Unterbringung. Wenn die EU sich nun nicht sehr
schnell engagiert, steuert die Türkei auf eine Flüchtlingskatastrophe zu.
6 Dec 2015
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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Schwerpunkt Türkei
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Flüchtlinge
Griechenland
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