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# taz.de -- Militärhistoriker über Armeen: „Krieg soll weniger grausam werd…
> Braucht es die Armee noch? Der Militärhistoriker Wolfram Wette sagt: Ohne
> geht es nicht. Wie sich die Armee gewandelt hat.
Bild: „Die Bundeswehr will der Bevölkerung das Gewalthandeln in einem positi…
taz.am wochenende: Herr Wette, die Bundeswehr versucht heute, wie ein
ziviler Konzern und Arbeitgeber aufzutreten. Ist das eine ganz neue
Entwicklung?
Wolfram Wette: Es gibt schon seit einer Weile eine gewisse Angleichung
zwischen dem zivilen wirtschaftlichen Leben und dem Leben in dieser
Gewaltorganisation Bundeswehr. In beiden Fällen ist technische Kompetenz
gefragt. Nur qualifizierte Leute können im modernen Maschinenkrieg
überhaupt etwas ausrichten. Was das Denken und Handeln in technischen
Effizienzkategorien angeht, gibt es eine Angleichung zwischen dem zivilen
Ingenieur und dem Offizier von heute. Weil der Arbeitsmarkt an guten Leuten
leer gefegt ist, tritt die Armee hier auch in Konkurrenz zur
Privatwirtschaft. Deswegen auch die camouflierende Propaganda für das
Militär.
Sie spielen auf die Nachwuchswerbekampagne der Bundeswehr an, über die
gerade viel diskutiert wird.
Damit will die Bundeswehr auch der eigenen Bevölkerung das Gewalthandeln
in einem positiven Gewand verkaufen. Diese Werbung im Sinne von „Wir sind
die Guten, wir sind die eigentliche Friedensbewegung“, die hat in den
frühen 1990er Jahren begonnen. Das Militär soll man nicht mehr mit Gewalt
und mit dem Tod in Verbindung bringen, sondern mit lauter positiv besetzten
Werten. Das hat einerseits mit dem Nachwuchsmangel zu tun, aber auch damit,
dass die Bevölkerung unserer Republik aus den beiden Weltkriegen im Grunde
eines gelernt hat: Nie wieder Krieg! Unsere Verfassungsväter haben nicht
umsonst ins Grundgesetz einige Pflöcke eingerammt, die sich dahingehend
zusammenfassen lassen, dass nur noch die Erhaltung des Friedens das
angestrebte Ziel ist.
Versuche, dem Krieg das Barbarische zu nehmen, gab es schon vorher.
Schon lange galt das Völkergewohnheitsrecht mit der Maßgabe, dass jemand,
der gefangen wird, nicht getötet werden darf. Durch die technischen
Innovationen im Industriezeitalter dämmerte es dann den Staatsmännern, dass
es Flugzeuge und Panzer geben würde, dass der Krieg verwüstete Landschaften
hinterlässt. Daher folgte man dem Angebot des russischen Zaren Nikolaus
II., über die Thematik zu sprechen. Die großen Haager Konferenzen von 1899
und 1907 hatten ursprünglich den Zweck, den Krieg in Europa zu verbieten.
Nachdem das nicht gelang, hat man dann zumindest ein paar
Kriegsführungsregeln geschaffen, die heute noch gültig sind. Sie sollen den
Krieg weniger grausam machen. So wurde etwa die Beschießung unverteidigter
Orte verboten. Wenn der Krieg im Gange ist, werden die Regeln aber ganz
häufig verletzt. Insbesondere im Falle der Wehrmacht kann man sehen, dass
die internationalen Regelsysteme mit irgendwelchen faulen Ausreden
weitgehend außer Kraft gesetzt worden sind.
Das Militär benutzt ständig neue Technologien. Können die überhaupt von
einmal aufgestellten Regeln erfasst werden?
Das Militär war schon immer bestrebt, am wissenschaftlichen Fortschritt
teilzunehmen. Es hat sich alle möglichen Erfindungen nutzbar gemacht, um
die Qualität der militärischen Kampfkraft zu steigern, und sei es durch
Giftgas. Dafür sind die beiden Weltkriege ein einziges großes Beispiel.
Dann dauerte es immer 10, 20, 30 Jahre, bis die grausame Innovation durch
ein Regelsystem eingefangen werden konnte. So hat etwa der Internationale
Gerichtshof die Abschreckung mit Atomwaffen als völkerrechtswidrig
beurteilt. Das geschah aber erst, nachdem man 50 Jahre unter der
Atomkriegsgefahr gelebt hatte.
Inwieweit hat sich mit dem Wandel der Armee auch die Rolle des Soldaten in
der Gesellschaft gewandelt?
Um 1900 war der deutsche Offizier der angesehenste Mann im Lande, er hatte
das größte Prestige aller Berufe. Das wurde dadurch symbolisiert, dass an
der kaiserlichen Tafel die Offiziere direkt neben dem Kaiser saßen, während
die zivilen Politiker weiter entfernt Platz nahmen. Auch nach ihrem eigenen
Selbstverständnis waren sie die tragende Säule des Staates. Das hat sich
auch in der Weimarer Zeit noch ein ganzes Stück gehalten. Erst nach 1945
hat sich das geändert. Im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik hat sich
die Gesellschaft in großem Maße zivilisiert und gelernt, dass sich Frieden
lohnt. Im Zuge dieser Entwicklung ist das Ansehen des Militärs in der
Gesellschaft gesunken. Das Militär spielt keine herausragende Rolle mehr
und sollte sie meiner Ansicht nach auch nicht spielen.
Hat die Armee in unserer heutigen Gesellschaft dann überhaupt noch einen
Platz?
Eine Armee funktioniert nach anderen Gesetzen als eine Demokratie, das wird
auch immer so bleiben. Eine Armee tickt nach Befehl und Gehorsam, nach Sieg
oder Niederlage. Im Gegensatz dazu spielt bei der Polizei die
Verhältnismäßigkeit der Mittel eine große Rolle. Diese Unterschiede werden
bleiben. Es geht nur darum, welche Rolle die Organisation Militär innerhalb
einer demokratischen Gesellschaft spielt und welche Rolle die deutsche
Politik dem Militär zuordnet. Es wird wahrscheinlich nie gelingen, das
Militär ganz abzuschaffen. Eine große Nation wie Deutschland wird auch
bereit sein müssen, von Zeit zu Zeit internationale Truppen zu stellen,
wenn im Auftrag der UNO irgendwo auf robuste Weise Frieden hergestellt
werden soll. Das heißt aber noch lange nicht, dass die deutsche
Außenpolitik zu beliebigen Zwecken das Militär einsetzen kann.
28 Nov 2015
## AUTOREN
Sebastian Erb
## TAGS
Bundeswehr
Geschichte
Krieg
Außenpolitik
Militär
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt 9/11
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