Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vinyl-Box der Krautrock-Band Harmonia: Eine späte Ehrung
> Verschroben und gelassen – so klang die Musik des Krautrock-Trios
> Harmonia. Jetzt wird sie mit einer Werkschau-Box gewürdigt.
Bild: Eintracht unterm Sonnenschirm: Harmonia posiert fürs Foto (v.l.n.r. Hans…
„Immer wieder rauf und runter / Einmal drauf und einmal drunter / Immer
wieder hin und her / Kreuz und quer, mal leicht, mal schwer.“ Wer in diesen
Zeilen aus dem Song „Deluxe (immer wieder)“ der Band Harmonia von ihrem
Album „Deluxe“ etwas Unanständiges herauszuhören meint, liegt vermutlich
nicht ganz falsch. Doch immerhin haben es Harmonia in den siebziger Jahren
damit sogar in die Kindersendung „Sesamstraße“ geschafft, als Soundtrack zu
einem der Beiträge aus Deutschland. Heute wäre das wohl kaum denkbar.
Harmonia waren seinerzeit die „wichtigste Rockgruppe der Welt“. So
zumindest die Einschätzung des Kollegen Brian Eno, dessen Urteil insofern
mit Vorsicht zu genießen ist, als er selbst vorübergehend bei Harmonia
mitspielte. Andererseits hat der Ambient-Pionier Eno mit seinen Prognosen
oft richtig gelegen.
Wenn man bedenkt, dass die Band – von der „Sesamstraße“ einmal abgesehen…
in Deutschland lange Zeit eher unbekannt geblieben ist, kann man sich mit
ihm freuen, dass sich dies inzwischen geändert hat. Mit der vor Kurzem
erschienenen Vinyl-Box „Complete Works“ adelt das Label Grönland Harmonia
hierzulande jetzt endgültig.
Ein bisschen ironisch ist daran, dass ausgerechnet die
„Krautrock-Supergroup“ Harmonia so einen weiten Weg bis zur Aufnahme in den
hiesigen Popkanon zurücklegen musste. Immerhin setzte sie sich aus dem
Elektronik-Duo Cluster – Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius – und
einer Hälfte des Krautrock-Duos Neu! – dem Gitarristen Michael Rother –
zusammen. Beide Bands haben für sich genommen international anhaltende
Strahlkraft entfaltet.
In England und den USA war man schon viel früher auf diese Bands aufmerksam
geworden – sonst hätte Brian Eno wohl kaum von ihnen erfahren. In
Deutschland aber stieß das Wirken der Kommune auf einem alten Bauernhof in
Forst im Weserbergland auf geringe Resonanz. Der Krautrock und die
sogenannte Kosmische Musik hat seit jeher mehrheitlich Fans im
angelsächsischen Raum und in Japan gefunden.
## Elektronische Kauzigkeit
Dabei hatten Harmonia, die lediglich von 1973 bis zu ihrer Auflösung 1976
existierten, spätestens im Jahr 1975 mit „Deluxe“ ihren Pop-Moment. Sie
spielten eingängige Melodien, sangen gelegentlich dazu und integrierten
ihre diversen Verschrobenheiten in pastoral-gelassene Klanggemälde, die
auch mal sacht hymnisch abhoben, diskret verstärkt vom
Guru-Guru-Schlagzeuger Mani Neumeier.
Die Mischung aus zurückgelehnter Kontemplation, spröde-motorischer Rhythmik
und elektronischer Kauzigkeit war das stärkste Kennzeichen von Harmonia.
Das war in perfekter Balance schon auf ihrem Debütalbum, „Musik von
Harmonia“, 1974 zu hören.
Neben diesen zwei „offiziellen“ Alben ist in der Box auch das 1976
gemeinsam mit Eno im Weserbergland aufgenommene, pastoral-zirpige „Tracks
and Traces“ enthalten, ebenso der robuste Konzertmitschnitt „Harmonia live
1974“. Zusätzlich wartet die Box mit einer kleinen Exklusivbeigabe auf, den
bisher unveröffentlichten „Documents 1975“, die den Übergang vom ersten z…
zweiten Album dokumentieren, unter anderem mit einer Vorfassung des anfangs
erwähnten „Deluxe (immer wieder)“.
## Aufmerksamkeit verdient
Selbst wenn das Material keinen völlig neuen Blick auf die Band bieten mag,
kann man diese Würdigung in schöner Aufmachung nur begrüßen. Die sechs
Schallplatten der Box – „Tracks and Traces“ ist eine Doppel-LP – schaff…
allemal zusätzliche Aufmerksamkeit, die Harmonia mehr als verdient haben.
Und hoffentlich auch bekommen.
Traurig bloß, dass Dieter Moebius das Erscheinen nicht mehr erleben konnte.
Er starb diesen Sommer am 20. Juli.
29 Nov 2015
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Krautrock
Fehlfarben
Vinyl
Musik
Free Jazz
Musikfest Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berlin Atonal Festival: Nummer 316-16 lebt
Pyrolator spielt bei Der Plan und den Fehlfarben – nun ist er mit Material
des Elektronikpioniers Conrad Schnitzler live zu erleben.
Kalifornischer Indie-Plattenladen Amoeba: „MP3s klingen einfach scheiße“
Vor 25 Jahren eröffnete der erste Amoeba Store in Kalifornien. Mitgründer
Marc Weinstein über Schatzsuchen, iTunes und die Liebe zum Vinyl.
Michel Serres Roman „Musik“: Kraftvoll ausgedehnter Sinn
Der französische Philosoph Michel Serres erforscht in seinem neuen Roman
die Musik. Sie ist für ihn die Quelle aller denkbaren Erfindungen.
Pianist Keith Tippett beim Jazzfest Berlin: Perfektionist ohne Berührungsängs…
Zwischen freier Form, Prog-Rock und Soundtracks: Der Pianist Keith Tippett
ist eine prägende Figur des britischen Jazz.
Musikfest Berlin 2015: Warum Schönberg super ist
Das Musikfest Berlin feiert den Komponisten Arnold Schönberg. Der Begründer
der Zwölftonmusik gilt zu Unrecht als Zahlenmensch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.