| # taz.de -- Tricksereien im Parlament: Ablehnen und abschreiben | |
| > Am heutigen Mittwoch fegt die SPD den CDU-Antrag zur Bildung von | |
| > Flüchtlingen vom Tisch, um später einen ähnlichen Antrag vorzulegen. | |
| Bild: Objekte parlamentarischer Begierde: Flüchtlingskinder im Unterrricht | |
| HAMBURG taz | Dass Sabine Boeddinghaus und Karin Prien sich einig sind, | |
| kommt selten vor. Normalerweise trennen die Fraktionsvorsitzende der Linken | |
| und die bildungspolitische Sprecherin der CDU Welten. Was aber beide gerade | |
| vereint, ist der Zorn auf die regierende rot-grüne Koalition. Der Grund: | |
| Für die Bürgerschaftsdebatte am heutigen Mittwoch hat die CDU einen | |
| umfassenden Antrag zur Beschulung von Flüchtlingskindern vorgelegt, den | |
| auch Boeddinghaus als „diskussionswürdig und in Teilen zustimmungsfähig“ | |
| bezeichnet. SPD und Grüne aber werden den Antrag nicht in den zuständigen | |
| Schulausschuss überweisen, sondern sofort ablehnen – und seine weitere | |
| Diskussion damit verhindern. Ein Vorgehen, das die SPD dem Vernehmen nach | |
| gegen den zarten Grünen-Widerstand durchsetzte: Demnach wollte der kleine | |
| Koalitionär sowohl einen Antrag der Linken wie auch den der CDU an den | |
| Ausschuss überweisen. | |
| „Erledigt durch eigenes Handeln“: So begründet SPD-Fraktionssprecher Claas | |
| Ricker das Nein zum Weiterreichen des CDU-Papiers. Tatsächlich formulierte | |
| die SPD in Abstimmung mit den Grünen einen eigenen Antrag, der Ende | |
| November in die Bürgerschaft kommt – und der, so Prien, „teilidentisch mit | |
| unserem Vorstoß ist“. | |
| Erst ablehnen, dann abschreiben, das sei bei der SPD üblich, sagt auch | |
| Boeddinghaus: „Mit unserem Antrag zur Beschulung von Flüchtlingskindern | |
| haben sie es genauso gemacht.“ Eine Folge sei, „dass Konzepte der | |
| Opposition nicht mehr beraten werden und wir im Ausschuss Däumchen drehen“, | |
| klagt Prien: „Ich ärgere mich maßlos über dieses Verhalten der | |
| Regierungsfraktionen.“ Stefanie von Berg, bildungspolitische Sprecherin der | |
| Grünen, hält dagegen: „Wir haben nicht abgeschrieben, sondern nur etwas | |
| länger gebraucht und sind so ins Hintertreffen geraten.“ | |
| ## Einigkeit mit der Opposition | |
| In dem CDU-Antrag, dem die Linke in großen Teilen zustimmen wird, geht es | |
| darum, dass Kinder in Flüchtlings-Erstaufnahmen schneller beschult werden, | |
| und das in kleineren Gruppen. Um das zu gewährleisten, soll der auf | |
| Spracherwerb ausgerichtete Unterricht nicht in den Erstaufnahmelagern | |
| selbst stattfinden, sondern in nahen Schulgebäuden. Dieser Forderung | |
| schließen sich SPD und Grüne nun an. Ebenso übernimmt der Antrag der | |
| Regierungsfraktionen die CDU-Idee, Flüchtlingskinder nicht sofort in | |
| Regelklassen zu stecken, sondern ihnen zuerst in Integrationsklassen | |
| Deutschkenntnisse zu vermitteln. Auch hier unterscheiden sich die | |
| Formulierungen von Schwarz und Rot/Grün kaum. | |
| Doch es gibt auch Differenzen, die im Ausschuss nun nicht anhand | |
| verschiedener Antragsvorlagen debattiert werden. Anders als die SPD fordert | |
| die CDU etwa spezielle KoordinatorInnen für die Integration von | |
| Flüchtlingen an den Schulen. Auch will sich nicht alle Flüchtlinge so | |
| wohnortnah wie möglich unterrichten lassen, erklärtermaßen um zu | |
| verhindern, dass Schulen in der Nähe von Unterkünften über Gebühr belastet | |
| werden. „Werte, Normen und demokratische Grundprinzipien im Sinne des | |
| Grundgesetzes“ möchte die CDU Flüchtlingskindern von Anfang an nahe | |
| gebracht wissen. Dagegen hält die SPD die Vermittlung dessen, was in | |
| CDU-Kreisen gern als „Leitkultur“ bezeichnet wird, nicht für vorrangig. | |
| Der Linken fehlt es im christdemokratischen Antrag „an Substanz“, aber auch | |
| „an vernünftigen Finanzierungsvorschlägen“: Die CDU „rekuriert ständig… | |
| die Schuldenbremse, fordert dann aber alles und jedes“, sagt Boeddinghaus. | |
| So viel Abgrenzung muss sein. | |
| 10 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
| ## TAGS | |
| Hamburgische Bürgerschaft | |
| Bildung | |
| Flüchtlingshilfe | |
| Hamburger Bürgerschaft | |
| Schule | |
| Flüchtlinge | |
| Flüchtlinge | |
| Hamburg | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Streit um Lehrerbildung: Schulsenator spart Burnout-Prophylaxe ein | |
| Junge Lehrer werden ab 2016 nicht mehr für den Austausch mit | |
| Berufseinsteigern freigestellt. Schulverbände protestieren. | |
| Kommentar Föderalismusdebatte und SPD: Aufmucken im Bildungsbereich | |
| Die SPD fordert in einem Papier eine „bildungspolitische Wende“. Damit | |
| macht sie Wahlkampf auf dem Rücken der Flüchtlinge. | |
| Protokoll aus einer Willkommensklasse: Der lange Weg zur Ausbildung | |
| Khaleel kam Anfang des Jahres aus Syrien nach Berlin. Nach langem Warten | |
| besucht er nun ein Gymnasium und will danach studieren. | |
| Herausforderung fürs Bildungssystem: Schülerboom durch Flüchtlinge | |
| 30.000 Flüchtlinge heißt auch mehr Flüchtlingskinder in Hamburgs Schulen. | |
| Die SchülerInnenzahl wächst zum neuen Schuljahr so stark wie nie. | |
| Es fehlt an Bildung: Keine Schule für Flüchtlinge | |
| In Gifhorn können Flüchtlingskinder nicht zur Schule gehen, weil die | |
| Kapazitäten erschöpft sind. Der Landkreis setzt auf Umverteilung |