Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bayrische Folk-Musik: Die Alpen sind offen
> Das Münchener Volksmusikkollektiv G. Rag & die Landlergschwister eignet
> sich bayerische Volksmusik an – und mischt Country und Folk dazu.
Bild: Höchste Zeit, den bayerischen Folk zu entdecken.
Es ist eine Seltenheit, dass auf diesen Seiten ein Album mit bayerischer
Blasmusik vorgestellt wird. Das Münchener Volksmusik-Kollektiv G. Rag & die
Landlergschwister aber hat so viel für die Rehabilitierung dieses arg
geschundenen Genres getan, dass man sagen möchte: Höchste Zeit, den
bayerischen Folk zu entdecken.
Auch auf dem vierten Werk des Ensembles ist meist eine maximal
runtergestrippte Form von Volksmusik zu hören. Auf dem Album mit dem
sprechenden Titel „Schwung“ schmettern Klarinetten, Tubas und Posaunen,
Polka, Walzer und Landler (ein langsamer Walzer) werden angestimmt.
Standesgemäß hat die bis zu 16-köpfige Kapelle vor Kurzem auch beim
Oktoberfest gespielt – allerdings auf der „Oide Wiesn“, dem alternativen
Oktoberfest.
Denn – Überraschung – mit dem tümelnden Marianne-und-Michael-Kosmos haben
Andreas Staebler alias G. Rag und seine Band absolut nichts gemein. Ihr
Ziel ist es vielmehr, Volksmusik in andere Kontexte zu integrieren, um
jenen Hörern diese Musik näherzubringen, für die derartige Klänge bislang
tabu waren. Wie zuvor schon Bands wie das österreichische Duo Attwenger
füllen die Münchener die Musik mit Inhalten, bei denen „Volksmusik“ eher …
Sinne von wildwüchsigen US-„Folk“ verstanden werden will.
Dieser Ansatz zeigt sich etwa, wenn der durch ein Megaphon verzerrte Gesang
G. Rags countryesk oder slackerartig klingt und an Tom Waits erinnert – und
die Texte, abgesehen von einer Coverversion, auf Englisch verfasst sind.
Wie schon auf den Vorgängerveröffentlichungen interpretiert die Gruppe
zudem erneut ein Hank-Williams-Stück, „Lost on the River“, zum
Dahinschmelzen schön gesungen von Manu Rzytki von der befreundeten Band
Parasyte Woman, auch Reminiszenzen an den singenden Eisenbahnschaffner
Jimmie Rodgers finden sich auf „Schwung“. Ebenso gibt es in „Poem for the
Viking from 42nd Street“ eine Hommage an den nomadischen Straßenkomponisten
Moondog.
Es geht der Band nicht darum, Blasmusik zu parodieren, sondern sie ernst zu
nehmen, sie sich wiederanzueignen – als eine weltgewandte Form der
Heimatmusik. Dabei sind einige Neuinterpretationen zu hören: Dem im
Original bereits toll groovenden Song „The Liquidator“ (ein Hit aus den
60ern von den Harry J Allstars) wird ein klein wenig Reggae und Rocksteady
weggenommen und dank ordentlichem Quetschn-Sound eine Portion Zausel
hinzugefügt.
## Lust zu tanzen
Und dann wäre da noch das mit Tuba und Bass pumpende Cover des queeren
Wave-Klassikers „Der Räuber und der Prinz“ (D.A.F.) – ein Highlight. Sel…
die Stücke, die noch am meisten nach Parodie klingen, wie eine völlig
überdrehte Speedpolka („Fischerpolka“), machen einfach nur Lust auf dieser
Art von Musik, Lust auf Tanzen.
G. Rag, Namensgeber der Band und Münchener Szenefossil, hat dabei mit G.Rag
y los Hermanos Patchekos, G. Rag/Zelig Implosion und der Punkband Analstahl
noch weitere Projekte, bei denen er Genres in Frage stellt. Zudem betreibt
er einen Plattenladen in München (Gutfeeling), während Wegbegleiter Daniel
Kappla das gleichnamige Label betreibt, auf dem nun auch „Schwung“
erscheint.
Auf dem Album gelingt es der Band, den Alpen-Folk – nach Balkan, Cumbia,
Calypso und was sonst noch so war – in den Pop zu überführen. Dass die
Band, bei der auch The-Notwist-Bassist Micha Acher mitwirkt, dabei bislang
ein regionales Phänomen bleibt, ist bedauerlich.
Es gibt ein Video, in dem die Band in diesem Sommer im Stadtzentrum von
Freising „Der Räuber und der Prinz“ spielt. Die Fans: ältere
Dirndlträgerinnen, die neben Jüngeren im Kleid wippen, Menschen in
Lederhosen neben Jungs mit Käppis und schnieken Typen im Hemd. Irgendwann
grölen alle den Song mit. Vielleicht ist ja diese Art von Blasmusik der
beste Streetpunk, den man heute spielen kann.
7 Nov 2015
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
München
Orchester
Bayern
Folk
Volksmusik
Jazz
Theater
## ARTIKEL ZUM THEMA
Funky Blasorchester: Die Welt ist groovy
Kosmopolitisch statt krachledern: die freigeistige Münchner Express Brass
Band und ihr zwischen allen Stilen angesiedeltes Album „We Have Come“.
Musiker über Kleistvertonung: „Wir haben Holz gehackt“
Musiker Lars Rudolph über Stoßgebete, psychedelische Erfahrungen mit
Kleists Novelle „Die heilige Cäcilie“ und das Stigma des Rhythmus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.