# taz.de -- Minderheiten in Polen: Kein Litauisch bei Behörden | |
> Präsident Andrzej Duda belegt ein Sprachgesetz mit einem Veto. Angeblich | |
> seien zweisprachige Formulare zu teuer. Kritiker finden das absurd. | |
Bild: Kein Freund von Minderheiten: Polens Präsident Andrzej Duda bei der Stim… | |
Warschau taz | Bei Polens Minderheiten ist der erst im Mai dieses Jahres | |
gewählte Präsident Andrzej Duda unten durch. Dabei ging es nur um ein | |
kleines Gesetz. In Landkreisen, in denen nationale oder ethnische | |
Minderheiten mehr als 20 Prozent der Bevölkerung stellen, sollten Behörden | |
zweisprachige Formulare zur Verfügung stellen und einen | |
Minderheiten-Beauftragten ernennen können. | |
Dazu wird es nicht kommen. Mit einem Veto gegen das Sprachengesetz machte | |
Polens Präsident die Hoffnung der Kaschuben in Nordwestpolen sowie der | |
litauischen und weißrussischen Minderheit im Osten des Landes auf ein | |
bisschen mehr Normalität zunichte. | |
Angeblich hätten die Abgeordneten und Senatoren die jährlichen Kosten mit | |
10.000 Zlotys (umgerechnet 2.300 Euro) pro Sprache und Landkreis zu niedrig | |
eingeschätzt, begründete Andrzej Duda sein Veto, legte aber keinerlei | |
eigenen Berechnungen vor. „Das ist völlig absurd“, meinen Vertreter der | |
deutschen und der kaschubischen Minderheit. | |
Ryszard Galla, der für die deutschen Minderheit im Sejm, dem polnischen | |
Abgeordnetenhaus sitzt und das Gesetzesprojekt betreute, sagt: „Das | |
Minderheitengesetz gibt es nun schon seit zehn Jahren und hat sich im | |
Großen und Ganzen bewährt. Wir wollten nun nur ein paar kleine | |
Verbesserungen einbringen.“ | |
## Von den Kommunisten diskriminiert | |
Bislang funktioniere es nur auf Gemeindeebene. Gerade für die Kaschuben, | |
die über viele Jahrzehnte von den Kommunisten in der Volksrepublik Polen | |
diskriminiert worden seien, sei der Gebrauch der eigenen Sprache auch über | |
die Gemeindegrenze hinaus wichtig. | |
„Die deutsche Minderheit ist von dem Gesetz gar nicht betroffen. Wir | |
stellen in keinem Landkreis mehr als 20 Prozent der Bevölkerung“, so Galla. | |
Insgesamt sei es nur um vier Landkreise gegangen - zwei mit kaschubischer | |
Minderheit, ein Landkreis mit weißrussischer und ein weiterer mit | |
litauischer Minderheit. | |
Auch Lukasz Grzedzicki, der Vorsitzende der kaschubisch-pommerschen | |
Vereinigung, hält das Kostenargument des polnischen Staatpräsidenten für | |
absurd. Das Gesetz sei in enger Zusammenarbeit mit den vier Landkreisen | |
entstanden. Das Staatsbudget werde durch das Gesetz gar nicht belastet. | |
Das Veto werde wie ein Bumerang zum Präsidenten zurückehren, prophezeit der | |
enttäuschte Grzedzicki. „Mit der Gesetzesnovelle hätte Duda eine starke | |
Karte in den Hand gehabt, wenn er in anderen Ländern für die Rechte der | |
polnischen Minderheit eintreten will.“ Das könne er nun vergessen. „Übera… | |
wird man ihm sein Veto vorhalten und ihn fragen, was er denn für die | |
Minderheiten im eigenen Lande getan habe“. | |
## Schlechtes Signal | |
Algirdas Vaicekauskas, Vorsitzender der Gesellschaft der Litauer und | |
Mitglied der Gemeinsamen Kommission der Regierung und der nationalen und | |
ethnischen Minderheiten in Polen ist noch immer fassungslos: „Da ist etwas | |
ganz Schlechtes passiert“, sagt er. Für die Identität der Minderheiten sei | |
die eigene Sprache am wichtigsten. Sie müsse vor negativen Erfahrungen | |
durch die Mehrheit im Lande geschützt werden. Das Veto von Präsident Duda | |
sei ein schlechtes Signal. | |
Der Weißrusse Eugeniusz Czykwin, der bislang für die Linksallianz (SLD) im | |
Sejm saß und versuchte, sowohl die Interessen der weißrussischen Minderheit | |
als auch der russisch-orthodoxen Gläubigen in Polen zu vertreten, verwies | |
auf die ohnehin so „toleranten Mitbürger“, die verhindert hätten, dass im | |
Grenzgebiet zu Weißrussland auch zweisprachige Ortsschilder aufgestellt | |
worden seien. „Das Veto weckt Misstrauen und Angst.“ | |
30 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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