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# taz.de -- Tagung der Münchner Kammerspiele: Schleuser als geschätzte Dienst…
> In den Münchner Kammerspielen diskutierten auf der Internationalen
> Schlepper- und Schleusertagung Fachleute über die Rolle des
> Fluchthelfers.
Bild: Grenzkontrolle Mitte September an der A8.
Ein Fest für Aktivisten und Flüchtlinge, ein Forum für alle, die sich nicht
mit manipulativen oder halbgaren Informationen abfinden wollen, war der
Open Border Kongress zu Flucht, Ankunft und Asyl. Intendant Matthias
Lilienthal hat am Wochenende alle Bühnen der Münchner Kammerspiele
geöffnet. Performances, Filme, Panels, Lesungen und Vorträge in dichter
Folge interpretierten, gaben Auskunft, verstörten auch.
Der Künstler und Medienaktivist Ralf Homann mokierte sich mit
Glitzervorhang, Luftballons und überspießigem Mobiliar über
Branchenverbandsästhetik und bemühte Emotionalität. Kann man machen. Aber
was schon auf Konzern-Events doof aussieht, kommt als Satire nicht viel
besser. Als bekannt wurde, dass eine Internationale Schlepper- und
Schleusertagung (ISS) Herzstück der Veranstaltung sein sollte, gab es ein
bisschen mediale Irritation.
Die drei Panels der ISS waren hochkarätig mit Wissenschaftlern, versierten
Journalisten, Juristen und „anerkannten“ Fluchthelfern besetzt; die
thematische Gliederung im Dreiklang Historie, Praxis und Kriminalisierung
beschrieb den problematischen Spagat zwischen romantisch konnotiertem
Fluchthelfer und kriminalisiertem Schlepper, zwischen strafbarer
Fluchthilfe und der unverzichtbaren Arbeit des Schleusers.
An den Beispielen der heldenhaften Fluchthelfer im „Dritten Reich“ und zu
DDR-Zeiten wurde der Perspektivwechsel des Begriffs deutlich. Die
politisch-moralische Sichtweise, egal ob seinerzeit Geld floss oder nicht,
exkulpierte den Schleuser automatisch. Heute ist es mehr als anstößig, wenn
eine derartige Hilfeleistung mit Geld verknüpft ist. Das ist scheinheilig
und verkennt die politische wie die juristische Situation total.
Dazu ist die irrige Annahme, man müsse nur den Schleppern das Handwerk
legen und das Frontex-Grenzregime stärken, um Flüchtlinge fernzuhalten,
fatal, hochgradig inhuman – und kann nicht funktionieren. Problematisch ist
auch, laut Afrikaexperte und Autor Giampaolo Musumeci, dass aufgrund der
undurchdringlichen europäischen Außengrenzen zwischen drei und zehn
Milliarden Euro Schwarzgeld erwirtschaftet werden, von denen keiner weiß,
aber jeder ahnt, wohin sie gehen könnten.
## Hohe Erfolgsquote
Schleuser sind überlebensnotwendige, geschätzte Dienstleister, die, wie der
Journalist Sammy Khamis ausführte, hauptsächlich und sehr professionell
über Facebook und WhatsApp agieren und dort ihre, übrigens je nach Komfort
und Geschwindigkeit gestaffelten Routen und Preise offerieren. Sie sind
sehr gut organisiert und kooperieren miteinander.
Eine hohe Erfolgsquote gehört naturgemäß zu ihrem Geschäftsmodell. Was
nicht dazugehört, sind die „damned bastards“ (Giampaolo Musumeci), die es
in diesem Geschäft auch gibt und die von Politik, Justiz und Medien benutzt
werden um ein einst legales, heute kriminalisiertes Gewerbe als
„fehlgeleitet“ (bayerischer Innenminister Joachim Herrmann) zu bezeichnen.
19 Oct 2015
## AUTOREN
Annegret Erhard
## TAGS
Flüchtlingshilfe
Schwerpunkt Flucht
Schlepper
Münchner Kammerspiele
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