# taz.de -- Pegida in Dresden: Wachstum und Widerstand | |
> Pegida wächst wieder – es regt sich aber auch Widerstand gegen die | |
> radikaler agierenden Demonstranten. Wegen Bedrohungen wird ermittelt. | |
Bild: Auf dem Weg zum Montagshass | |
DRESDEN dpa | „Ich bin Dresdner und ich gehe nicht zu Pegida“ – diese | |
Aussage treffen derzeit viele Einwohner der sächsischen Landeshauptstadt im | |
Internet. Unter dem Hashtag [1][#IchBinDresden] stehen auch zahlreiche | |
Prominente und Politiker auf Twitter für Weltoffenheit und Toleranz ein | |
kurz vor dem ersten Jahrestag der Demonstrationen des islam- und | |
fremdenfeindlichen Bündnisses. So hält etwa Dresdens Oberbürgermeister Dirk | |
Hilbert (FDP) auf einem Foto ein handgeschriebenes Schild mit der | |
Aufschrift „Ich bin Dresdner! Ich gehe nicht zu Pegida“. | |
Angesichts der überregionalen Mobilisierung unter Anhängern und Gegnern von | |
Pegida bereitet sich Dresdens Polizei auf einen Großeinsatz am Montag vor. | |
Angemeldet sind eine Versammlung zum ersten Jahrestag des islam- und | |
fremdenfeindlichen Bündnisses sowie mehrere Aufzüge und Kundgebungen eines | |
Netzwerkes gegen Pegida, wie die Behörde am Freitag mitteilte. Sie rechnet | |
mit Zehntausenden Demonstranten in der Innenstadt. Polizeipräsident Dieter | |
Kroll forderte alle auf, durch Besonnenheit und eigenes Beispiel dafür zu | |
sorgen, „dass der Montag gewaltfrei bleibt“. Kommunikationsteams sollten | |
deeskalierend wirken. | |
Die Morddrohung gegen einen Dresdner Staatsanwalt im Zusammenhang mit einer | |
Galgenattrappe bei einer Pegida-Demonstration am vergangenen Montag | |
beschäftigt nun das Operative Abwehrzentrum (OAZ) der sächsischen Polizei. | |
„Die Ermittlungen laufen, zum Sachverhalt äußern wir uns nicht“, sagte ei… | |
Sprecherin am Freitag in Leipzig. Gegenstand sei die E-Mail eines noch | |
Unbekannten. Bei der Dresdner Staatsanwaltschaft waren am Mittwoch mehrere | |
Mails mit anonymen Absendern eingegangen, sie hatte ein Verfahren wegen | |
Bedrohung eingeleitet. | |
Unter anderem war dem Staatsanwalt, der am Vortag über Ermittlungen zum | |
Pegida-Galgen informiert hatte, mit „Erschießen“ und dem „Tag der | |
Abrechnung“ gedroht worden. Der Demonstrant, der die für Bundeskanzlerin | |
Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) | |
„reservierte“ Galgenattrappe zur Schau gestellt hatte, ist laut Polizei | |
bisher nicht identifiziert. Der Fall löste bundesweit Empörung aus. | |
## Ein Blick zurück | |
Die Pegida-Demonstrationen waren bis zum letzten Jahreswechsel immer weiter | |
angewachsen. „Wir haben wirklich von Woche zu Woche – ohne zu übertreiben … | |
immer verdoppelt. Wegen der politischen Entwicklung und, auch das muss ich | |
ehrlich sagen, die Medien und die Politik haben uns auch in die Karten | |
gespielt“, erinnert sich René Jahn, der damals zusammen mit Lutz Bachmann, | |
Kathrin Oertel und neun weiteren Bekannten das sogenannte Orga-Team | |
bildete. | |
„Wir haben uns als Team wirklich gut ergänzt, ohne es vorher zu wissen. | |
Natürlich gab es Leute, die polarisiert haben wie Bachmann. Dann die Leute, | |
die gemacht haben – Facebook-Aufrufe und so. Und es gab Leute für die | |
Sicherheit. Kathrin und ich haben uns um die mediale Außendarstellung | |
gekümmert. Also es war klar strukturiert“, sagt der 50-Jährige, der | |
zusammen mit seiner Frau in Dresden einen Hausmeisterdienst betreibt. | |
„In der Außendarstellung war Pegida von Anfang an islamfeindlich, auch als | |
ich noch dabei war.“ Und die Bewegung hatte Erfolg: Mehr als 25.000 | |
Demonstranten sind es am 12. Januar. Der absolute Höhepunkt. Kurz darauf | |
muss eine Demo wegen Terrordrohungen gegen Bachmann abgesagt werden. Dann | |
kommen seine ausländerverachtenden Facebook-Postings ans Licht, und ein | |
Hitler-Selfie des 42-Jährigen macht die Runde. | |
Wie schon ein paar Wochen zuvor, als seine kriminelle Vergangenheit als | |
verurteilter Drogendealer und Einbrecher bekanntwurde, kündigt Bachmann | |
seinen Rückzug an – und hält sich wieder nicht an sein Wort. | |
## „Hetzerischer Charakter“ | |
„Der Lutz hatte ja gesagt, er geht raus. Und bei der nächsten Demo ist er | |
dann ja auch nicht dabei gewesen. Also es gab schon einen Rückzug. Und dann | |
kam aber die Rolle rückwärts“, sagt Jahn. Er und fünf weitere | |
Orga-Teammitglieder verlassen die Pegida-Führung. Mit Kathrin Oertel an der | |
Spitze versuchen sie sich als gemäßigte Alternative im Verein Direkte | |
Demokratie für Europa (DDfE), der allerdings kaum Zuspruch findet. Auch bei | |
Pegida geht die Zahl der Demoteilnehmer in der Folge auf teils nur noch gut | |
1000 zurück. | |
Für Frank Richter, den Leiter der sächsischen Landeszentrale für politische | |
Bildung, setzt nach der Spaltung eine Stabilisierungs- und | |
Radikalisierungsphase ein. „Zwei Hauptthemen kristallisierten sich heraus, | |
nämlich Asylfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit“, sagt Richter, der schon | |
früh versucht hatte, einen Dialog mit Pegida-Anhängern aufzunehmen. „Wie | |
diese Themen von den Rednern vorgetragen werden, hat oft hetzerischen | |
Charakter.“ | |
Die Verschärfung des Tons geht auch mit dem Eintritt der früheren Hamburger | |
AfD-Politikerin Tatjana Festerling in die Pegida-Führung einher, die nach | |
der Spaltung vom Oertel-Lager als Dauerrednerin bei den Montagsdemos | |
auftritt. Als Kandidatin der Pegida bei der Oberbürgermeisterwahl im Sommer | |
in Dresden holt sie beachtliche 9,6 Prozent der Stimmen. | |
## Entscheidende Phase | |
„Die Radikalisierung ist gefährlich“, sagt Richter auch mit Blick auf die | |
im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise wieder steigende Zahl der | |
Pegida-Demonstranten. „Gleichwohl beteiligen sich nach wie vor Menschen, | |
die Gewalt ablehnen und die ernste Sorgen und elementar wichtige politische | |
Fragen auf die Straße tragen.“ Die Zahl der Demonstranten steigt | |
kontinuierlich in den letzten Wochen. Am vergangenen Montag waren es | |
geschätzt wieder bis zu 9000 Menschen. | |
Der Politikwissenschaftler Hans Vorländer, der an der TU Dresden lehrt, | |
sieht die Entwicklung in einer entscheidenden Phase angelangt. „Es wird | |
sich in diesen Wochen herausstellen, ob Ostdeutschland – und insbesondere | |
Thüringen und Sachsen – vielleicht doch ganz besonders sind und von hier | |
aus so etwas wie eine rechtspopulistische Grundströmung entsteht, die dann | |
in irgendeiner Weise über den Status einer Bewegung hinaus in den | |
politischen Raum hineinstrahlt.“ | |
16 Oct 2015 | |
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