# taz.de -- NS-Geschichte: Die späte Ehre für Ida Jauch | |
> In einem Rias-Sendesaal ehrt die Gedenkstätte Jad Vaschem 71 Jahre nach | |
> ihrem Tod die Frau, der der spätere Entertainer Hans Rosenthal sein Leben | |
> verdankte. | |
Bild: Jauchs Großneffe Manfred Jahn (r.) nimmt für Ida Jauch die Auszeichnung… | |
Wir wissen nicht, wie die Frau ausgesehen hat, die Hans Rosenthal das Leben | |
rettete. Es gibt kein Foto von Ida Jauch. Sie muss eher klein gewesen sein. | |
Und sie war sehr bibeltreu. Was aber alle Teilnehmer des Festaktes am | |
Montag im Saal des Deutschlandradios, die zu ihren Ehren gekommen sind, mit | |
Sicherheit wissen, ist: Ida Jauch war eine unglaublich mutige Frau. | |
Auch Manfred Jahn hat Ida Jauch nicht mehr erleben können. Der ältere Herr | |
nimmt die Medaille und die Urkunde, die seine Großtante als „Gerechte unter | |
den Völkern“ ehrt, für die Familie entgegen. Als die 1885 geborene Ida | |
Jauch 1944 starb, war Jahn gerade erst geboren worden. Jahn bedankt sich | |
für die „wundervolle Ehrung“ und verweist von der Nazi-Zeit auf heute: Man | |
müsse sich „gegen Rassismus und Antisemitismus immer öffentlich | |
positionieren“, sagt er. | |
Die israelische Gedenkstätte Jad Vaschem hat zur posthumen Ehrung von Jauch | |
als Retterin des damals 18-jährigen Juden Hans Rosenthal geladen. Es komme | |
nicht so häufig vor, dass der gewählte Ort der Erinnerung an ein gerettetes | |
Menschenleben denselben Namen trägt wie der Gerettete, merkt Sandra Witte | |
als Vertreterin der Botschaft Israels in Berlin an. | |
Dieses Mal ist es so – man trifft sich am Hans-Rosenthal-Platz in einem | |
ehemaligen Rias-Sendesaal, dem Ort, in dem Rosenthal als Moderator und | |
Entertainer nach dem Krieg mit Rundfunksendungen wie „Spaß muss sein“ | |
bekannt geworden ist, lange vor „Dalli Dalli“ im ZDF. | |
Im Nationalsozialismus hatten die Weisen Hans Rosenthal und seiner kleiner | |
Bruder Gert zu den Menschen gehört, deren Ermordung geplant war. Beide | |
lebten sie 1941 im jüdischen Auerbach’schen Waisenhaus an der Schönhauser | |
Straße. Hans verließ das Heim, wurde zur Zwangsarbeit eingeteilt. Gert ist | |
im Oktober 1942 nach Riga deportiert und ermordet worden. Hans entschloss | |
sich 1943 unterzutauchen. | |
Seine Lebensretterin wurde Ida Jauch. Sie versteckte den Jungen in ihrer | |
kleinen Laube in der Kolonie „Dreieinigkeit“ in Lichtenberg hinter einer | |
Tapetentür, teilte mit ihm die kargen Lebensmittelrationen, hoffte mit ihm | |
auf ein Ende der Nazi-Herrschaft. | |
## „Ida Jauch hat alles geteilt“ | |
Der 1987 verstorbene Rosenthal erzählt die Geschichte seiner Rettung am | |
Montag selbst – in einem Film, der in den 1980ern in Ostberlin gedreht | |
worden ist: „Ida Jauch hat alles geteilt.“ | |
Und dann war da noch Emma Harndt, eine Nachbarin in der Laubenkolonie. Von | |
ihr erhielt Rosenthal täglich die Berliner Morgenpost und konnte sich so | |
über den Kriegsverlauf informieren. Mittels eins primitiven Radios hörte er | |
ab und zu den deutschen Dienst der BBC ab; der Beginn seiner lebenslangen | |
Liebesaffäre mit dem Rundfunk. | |
Als Ida Jauch 1944 nach kurzer Krankheit starb, übernahm es die Nachbarin | |
Maria Schönebeck, Rosenthal zu verstecken. Er verbrachte mehr als zwei | |
Jahre in der Laubenkolonie – bis zur Befreiung 1945. | |
Rosenthals Sohn Gert, der am Montag für die Familie von Hans Rosenthal | |
spricht, sagt: „Hans hätte sich unglaublich über die Ehrung von Ida Jauch | |
gefreut – er hätte es Spitze gefunden!“ Ohne Ida Jauch wäre sein Vater wo… | |
in einem Konzentrationslager ermordet worden, „so wie sein Bruder, nach dem | |
ich benannt worden bin.“ | |
Zum Schluss sprich Walter Frankenstein, Jahrgang 1924, im holzgetäfelten | |
Saal im vierten Stock des Rias. Er erinnert an seine Freundschaft mit Hans, | |
als sie beide im Waisenhaus lebten. Und Frankenstein, der mit seiner | |
Familie selbst die NS-Zeit in Deutschland untergetaucht überlebt hat, zieht | |
einen Bogen zum Jahr 2015. Er sagt: Menschen sollen Menschen in Not helfen | |
– egal ob es Juden oder Muslime sind.“ | |
26 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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