| # taz.de -- Musikschulen in Berlin: Zugaben gefordert | |
| > Lange Wartelisten, wenig fest angestelltes Personal: Der Musikschulbeirat | |
| > und ein Bündnis wollen den Bezirken die Verantwortung für die | |
| > Musikschulen entziehen. | |
| Bild: Wer hat noch was übrig für die künftigen Musikstars? | |
| Die eingerüstete Fassade der Musikschule Fanny Hensel in Moabit gibt | |
| derzeit ein schönes Bild ab für die Lage der Musikschulen: eine einzige | |
| Baustelle. Zwölf landeseigene Musikschulen gibt es in Berlin, jeder Bezirk | |
| unterhält eine. Alle haben das gleiche Problem: zu wenig Geld für zu wenige | |
| fest angestellte Lehrkräfte für zu viele potenzielle SchülerInnen. | |
| „Berlinweit haben wir etwa 10.000 auf der Warteliste“, sagt Hubert Kolland, | |
| Präsident des Berliner Landesmusikrats, der die Senatsverwaltung für | |
| Bildung in Sachen Musikschulen berät. | |
| Nun will der Musikschulbeirat, das zweite Beratungsgremium von | |
| Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), den Bezirken die Verantwortung für | |
| die Musikschulen entziehen. Man denke über das Modell einer | |
| „überbezirklichen Geschäftsstelle“ nach, heißt es in einer Pressemitteil… | |
| – also eine Art Landesmusikschule mit Zweigstellen in den Bezirken. Eine | |
| der Kernaufgaben einer solchen „Zentrale“ könnte laut Beiratsmitglied | |
| Regine Kittler die Verwaltung eines gemeinsamen Etats für Personal sein. | |
| „Derzeit kocht da jeder Bezirk sein eigenes Süppchen – auch weil | |
| Landesmittel nicht zweckgebunden für Personal bewilligt werden“, sagt | |
| Kittler, die auch bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion ist. | |
| Rund 20 Prozent Festanstellungen an den Musikschulen will der Beirat durch | |
| die Umstrukturierung der Musikschulen erreichen – derzeit sind es gerade | |
| mal die Hälfte. Zum Vergleich: Bundesweit arbeiten an den landeseigenen | |
| Musikschulen im Schnitt 72 Prozent Festangestellte. | |
| Berlin spart seit den 90er Jahren insbesondere im öffentlichen Dienst hart. | |
| Zwar gibt es angesichts steigender Bevölkerungszahlen ab und an mal ein | |
| paar zusätzliche MitarbeiterInnen für die Verwaltungen, wie die am Dienstag | |
| vom Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) angekündigten 500 neuen | |
| Stellen – die aber, auch wegen der steigenden Flüchtlingszahlen, in der | |
| Verwaltung gebraucht werden: in den Bürgerämtern, in den Jugend- und | |
| Sozialämtern. | |
| Also arbeiten die landeseigenen Musikschulen inzwischen vor allem mit | |
| freiberuflichen Honorarkräften. An der Pankower Musikschule Béla Bartók | |
| haben von 230 Angestellten über 200 nur Honorarverträge, sagt Schulleiter | |
| Chris Berghäuser. „Sicherlich sind wir in der Lage, auf diese Weise ein | |
| gewisses Basisangebot zu stemmen“, sagt Berghäuser. Tatsächlich sieht das | |
| Angebot auf der Webseite recht ansprechend aus: Es gibt | |
| Instrumentalunterricht, Chorangebote, Musik für Kinder. „Aber auch das geht | |
| nur, weil viele Honorarkräfte gewillt sind, mehr zu arbeiten, als sie | |
| vertraglich bezahlt bekommen“, sagt Berghäuser, der an der Béla Bártok | |
| selbst Klavier unterrichtet. | |
| Schwieriger werde es da schon bei allem, was über normalen Unterricht | |
| hinausgehe, sagt der Musikschulleiter. Etwa Kooperationen mit Schulen und | |
| Kitas, die laut einem Grundsatzpapier zu den Berliner Musikschulen, das | |
| 2009 von allen Abgeordnetenhausfraktionen beschlossen wurde, ebenfalls eine | |
| zentrale Aufgabe der Musikschulen sind. „Da können wir derzeit kaum | |
| Langfristiges auf die Beine stellen, sondern höchstens mal ein Projekt | |
| anstoßen“, berichtet Berghäuser. Auch Kolland vom Landesmusikrat sagt: | |
| Musikangebote in den Schulen, Begabtenförderung, „das fällt zu oft hinten | |
| runter“. | |
| Konzepte denken, Kooperationen koordinieren: Das kostet Zeit. „Aber dafür | |
| bekommen freie Honorarkräfte kein Geld, lediglich für die Vor- und | |
| Nachbereitung der Unterrichtsstunde gibt es eine Pauschale“, sagt | |
| Berghäuser. | |
| Zwar bekamen die Musikschulen in diesem und im vergangenen Jahr jeweils 2,5 | |
| Millionen Euro aus Landesmitteln zugewiesen. Doch das Geld konnten die | |
| Musikschulen erst im Sommer 2014 abrufen – und einen Großteil der Mittel | |
| deshalb gar nicht nutzen. Denn bis Stellen im öffentlichen Dienst besetzt | |
| sind, kann es aufgrund des langwierigen Ausschreibungsprozederes Monate | |
| dauern. Insgesamt hätten die Bezirke für 2014 nur rund 800.000 Euro | |
| abgerufen, sagt Abgeordnete Kittler. Das rächt sich im kommenden Jahr, wenn | |
| die Ausgaben von 2014 für die Haushaltskasse der Bezirke zugrunde gelegt | |
| werden: Die im laufenden Jahr fleißig eingestellten Honorarkräfte können | |
| nächstes Jahr nicht mehr alle bezahlt werden. | |
| ## Zwölf Baustellen weniger | |
| Rund 100.000 Euro fehlen der Pankower Musikschule deshalb 2016, sagt | |
| Berghäuser. „Das sind 100 Schülerplätze.“ Schon jetzt ist die Warteliste… | |
| der Béla Bartók beeindruckend: Bis zu zwei Jahren warten 3.000 SchülerInnen | |
| auf einen Platz für die begehrten Instrumente Klavier, Geige, Cello und | |
| Schlagzeug. | |
| Vom Senat werde das Vorhaben Landesmusikschule bisher nicht gerade | |
| vorangetrieben, sagt Kittler: „Still ruht der See.“ Die Senatsverwaltung | |
| für Bildung verweist ihrerseits auf die Beantwortung einer Grünen-Anfrage | |
| vom August: Man warte derzeit noch auf Rückmeldung aus den Bezirken, was | |
| die davon halten, dass sie die Musikschulen bald los sein könnten. | |
| Wahrscheinlich gar nicht so wenig: zwölf Baustellen weniger. | |
| 21 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
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