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# taz.de -- Kommentar Gekauftes Sommermärchen: Warum sollte der DFB sauber sei…
> Das ganze Land ist schockiert, weil die Fußball-WM gekauft wurde. Aber
> das ist die Norm – und nicht die Ausnahme. Kein Grund zur Aufregung.
Bild: Fan-Fest 2006 in Berlin: So schön kann Fußball sein
Was ist eigentlich passiert? Ein Verband, der die Fußball-WM austragen
wollte, hat sich ein paar Stimmen gekauft, um die Abstimmung im
Exekutivkomitee der Fifa zu gewinnen. So ist das eben. Und doch ist ganz
Fußballland in Aufruhr, seit der Verdacht formuliert worden ist, auch der
Deutsche Fußballbund habe Funktionäre geschmiert.
Es ist eine absurde Aufregung, die sich da Luft macht. Und so mancher, der
jetzt seine Fassungslosigkeit oder sein Entsetzen zum Ausdruck bringt,
sollte sich fragen, ob es je irgendeinen Anhaltspunkt dafür gegeben hat,
dass der DFB sauberer als andere Verbände sein könnte.
Wie gern ist in den vergangenen Jahren mit dem Finger auf Fifa-Präsident
Sepp Blatter gezeigt worden. Im DFB hat man dem Vizepräsidenten Reinhard
Rauball die Rolle als Blatter-Kritikus zugewiesen, damit sich Präsident
Wolfgang Niersbach nur ja nicht aus dem Fenster lehnen muss.
Man will sich ja in die Augen sehen können, wenn man am Tisch der
Fifa-Regierung in Zürich zusammensitzt. Mit einem kolonialistischen
Gutsherrenblick zeigt man von Deutschland aus gerne auch auf die korrupten
Fußballführer aus Afrika oder der Karibik. Die kühne Behauptung, der DFB
sei der Gute im Haufen lauter mieser Mafiosi, wurde von viel zu vielen
hierzulande viel zu lange nur zu allzu gerne geglaubt.
## Politiker aller Parteien
Zu nennen sind hier vor allem Politiker aller Parteien, die es nicht lassen
können, sich bei einem wichtigen Fußballspiel neben den Präsidenten des DFB
zu setzen, die sich freuen, wenn sie mit der nun hoffentlich endgültig
erlöschenden Lichtgestalt des deutschen Fußballs, Franz Beckenbauer,
abgelichtet werden.
Es sind nicht nur die ganz hohen Würdenträger, die sich mit jedem
Handschlag, den sie mit Leuten wie Niersbach oder Beckenbauer austauschen,
beschmutzen. Es sind auch die gewählten Regional- und Lokalfürsten, die
Stadien subventionieren, Steuergelder in den Profifußball leiten oder den
Marketingetat kommunaler Unternehmen in das Überleben eines kommerziellen
Fußballprojekts stecken.
Nur allzu gerne sonnen sich Volksvertreter im Licht des Glanzes, der vom
Profifußball ausgeht. Und wenn es gilt, ein internationales Sportereignis
nach Deutschland zu holen, da wird flugs eine Steuerbefreiung für das
Business beschlossen, von dem niemand sagen würde, dass es unter Geldmangel
leidet. Beinahe schon absolutistisch regiert König Fußball das Land.
Kritische Nachfragen werden da nur allzu gern als Majestätsbeleidigung
angesehen.
## Zwanzigers mögliche Motive
Kein Wunder, dass am Tag nach den Enthüllungen des Spiegels die Frage, wer
dem Nachrichtenmagazin zu den Enthüllungen verholfen hat, ins Zentrum der
Berichterstattung gerückt ist. Da wird diskutiert, ob Niersbachs
Amtsvorgänger Theo Zwanziger seinen Nachfolger anschwärzen wollte, und
statt über die Machenschaften des DFB zu sprechen, werden Zwanzigers
mögliche Motive hierfür ventiliert.
Und Ex-Innenminister Otto Schily, der im Aufsichtsrat des
Organisationskomitees der WM 2006 saß, weiß auch schon, was das Wichtigste
im Umgang mit dem Skandal ist. Er spricht von „Gerüchteproduktion“ und
fürchtet um das Ansehen Deutschlands. Um Himmels willen! Es ist lange genug
weggeschaut worden.
Wer Schily folgt, wird auch glauben, dass der Zeitpunkt der Bewilligung
eines Waffendeals mit Saudi-Arabien durch den Bundessicherheitsrat
unmittelbar vor der WM-Vergabe, über die auch ein saudischer Prinz
entscheiden durfte, reiner Zufall war.
## Niersbachs Erinnerungslücken
Jetzt, da deutlich wird, dass der DFB Geldtransfers in Millionenhöhe
getätigt hat, die er sich selbst nicht recht erklären kann und die er
intern überprüfen lassen will, obwohl er behauptet, dass sie korrekt
gewesen seien, wird das kaum mehr einer denken. Die Story vom Waffendeal
als Teil eines Sportdeals wird noch oft zu lesen sein. Gut so!
Wolfgang Ich-kann-mich-nicht-erinnern Niersbach, der sich vielleicht vor
ein paar Tagen noch als möglicher Chef der Uefa gesehen hat, wird wohl
nicht weiter Karriere machen im Fußall. Das sogenannte Sommermärchen, das
viele jetzt als beschmutzt bezeichnen, lässt sich indes nicht ungeschehen
machen.
Wenn der DFB wirklich sauber geblieben wäre, der angeblich so unverkrampfte
Nationalrausch in Schwarz-Rot-Gold wäre uns erspart geblieben – ein
bitterer Nebenaspekt in diesem Fall.
18 Oct 2015
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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