# taz.de -- Parlamentswahl in Ägypten: Präsident al-Sisi lässt wählen | |
> Am Sonntag beginnt die mehrfach verschobene Parlamentswahl in Ägypten. | |
> Eine wirkliche Opposition gibt es allerdings nicht. | |
Bild: Es ist eine Wahl ohne wirkliche Wahl. Präsident al-Sisi braucht nicht um… | |
KAIRO taz | Wenn man über die 6.-Oktober-Brücke fährt, eine Schnellstraße | |
durch Kairo, lächeln auf großen Plakaten vereinzelt Gesichter von | |
Kandidaten, die am Wochenende bei der ersten Etappe der Parlamentswahl | |
antreten. Ab und zu fährt ein Kampagnenbus des lokalen Kandidaten mit | |
lauter Musik vorbei, aber im Großen und Ganzen scheint dieses Ereignis an | |
den sonst so enthusiastischen Ägyptern vorbeizugehen. | |
Das liegt auch daran, dass es keine ernsthafte Konkurrenz zum politischen | |
Lager von Präsident Adel Fattah al-Sisi gibt. Die Muslimbrüder, die den von | |
al-Sisi abgesetzen Präsident Mohammed Mursi stellten, sind verboten und | |
werden als Terroristen verfolgt. Daher wird mit einer geringen | |
Wahlbeteiligung gerechnet. | |
Auch viele junge Ägypter haben die Politik längst als etwas abgeschrieben, | |
das nur dem Machterhalt der Herrschenden dient. „Um die Opposition ist es | |
stumm geworden, sie haben alle Angst“, sagt Mustafa*, ein junger Ägypter. | |
Die Regierung ging in den vergangenen beiden Jahren nicht nur verstärkt | |
gegen Muslimbrüder, sondern auch gegen andere oppositionelle Gruppen vor. | |
„Die Regierung hat jegliche Hoffnung, die wir damals hatten, zerstört und | |
die Opposition bewusst zerschlagen“, sagt Mustafa in Anspielung auf 2011. | |
Für ihn und viele seiner Generation ist die Wahl nur eine Show, bei der | |
feststeht, wer gewinnt: die Befürworter der Regierung. | |
Es ist die erste Parlamentswahl seit drei Jahren. Nachdem Exmilitärchef | |
al-Sisi 2014 zum Präsidenten gewählt wurde, war die Wahl immer wieder | |
verschoben worden. Al-Sisi regiert praktisch mit uneingeschränkter Macht. | |
Die erste Runde der Wahl, aufgeteilt nach Regionen, findet am 17. und 18. | |
Oktober statt, die zweite am 22. und 23. November. | |
## Parteienbündnis „Wegen der Liebe zu Ägypten“ | |
Von den 596 Parlamentssitzen gehen 448 per Direktwahl an „unabhängige“ | |
Kandidaten und 120 Sitze an Parteien nach dem Mehrheitswahlrecht. Weitere | |
28 Sitze werden vom Präsidenten vergeben. Kritiker sagen, das Wahlsystem | |
bevorzuge größere Parteien und wohlhabende Kandidaten. Unter den | |
Direktkandidaten sind etwa 30 Prozent ehemalige Abgeordnete aus der Zeit | |
des 2011 gestürzten Präsidenten Husni Mubarak sowie bekannte | |
Geschäftsleute. | |
Dem Parteienbündnis „Wegen der Liebe zu Ägypten“ werden die besten Chancen | |
ausgerechnet. Es gilt als Unterstützer al-Sisis. Sameh Seif al-Yazl, | |
ehemaliger General und Direktor des Bündnisses, sagte kürzlich im | |
Fernsehen: „ ‘Wegen der Liebe zu Ägypten‘ unterstützt die Regierung und | |
wird das Parlament anleiten, die Macht des Parlaments zu begrenzen.“ | |
## Keine wirkliche Opposition | |
Die Nur-Partei tritt als einzige islamistische Gruppierung an. Die „Partei | |
des Lichts“ hatte beim Sturz Mursis das Militär unterstützt und kooperiert | |
lieber mit der Regierung, als in Opposition zu gehen und das Schicksal der | |
Muslimbruderschaft zu erleiden, deren Mitglieder heute zu großen Teilen im | |
Gefängnis sitzen. | |
Einige liberale oppositionelle Parteien boykottieren die Wahl oder traten | |
wegen bürokratischer Hindernisse wie der teuren Erneuerung eines | |
Gesundheitstests gar nicht erst an. | |
„Das Parlament gibt Präsident al-Sisi ein Instrument in die Hand, das der | |
westlichen Welt zeigen soll, dass Ägypten ein demokratisches Regime ist“, | |
sagte Mohamed Soliman, Leiter des politischen Büros der liberalen | |
Oppositionspartei al-Dostour, die 2012 von Mohammed ElBaradei gegründet | |
wurde. „Aber de facto wird das Parlament hauptsächlich aus Sisi-Anhängern | |
bestehen. Unter diesen Umständen wird es keine wirkliche Opposition geben.“ | |
* Name geändert | |
17 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Ruth Rilinger | |
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