# taz.de -- Parlamentswahl in Portugal: Regierung verliert absolute Mehrheit | |
> In Portugal bleibt die Partei von Regierungschef Coelho stärkste Kraft. | |
> Sie wird es aber schwer haben, sein Sparprogramm fortzusetzen. | |
Bild: Müssen sich stützen: Premierminister Pedro Passos Coelho und Koalitions… | |
Lissabon dpa | Nach der Parlamentswahl in Portugal stehen das konservative | |
Regierungsbündnis und dessen strenge Sparpolitik vor einer ungewissen | |
Zukunft. Die Zwei-Parteien-Allianz „Portugal à Frente“ (PàF/Portugal vora… | |
von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho ging zwar aus der Abstimmung am | |
Sonntag erneut als stärkste Kraft hervor – es verlor aber die absolute | |
Mehrheit im Parlament. Die drei linken Oppositionsparteien, die die | |
Sanierungspolitik beenden wollen, errangen zusammen mehr als die Hälfte | |
aller Sitze in der Lissabonner „Assembleia da República“. | |
Passos bezeichnete seine Allianz dennoch als „Siegerin“ und kündigte in | |
Lissabon unter dem Jubel von Parteifreunden und Anhängern den Versuch einer | |
Regierungsbildung an: „Wir werden dem Präsidenten der Republik sagen, dass | |
wir zum Regieren bereit stehen.“ Es wäre komisch, fügte er an, wenn der | |
Wahlsieger „nicht regieren dürfte“. Das Sparprogramm will er 2016 zwar | |
fortsetzen, Passos gab aber auch bekannt, dass er die Gehaltskürzungen im | |
öffentlichen Dienst graduell zurücknehmen wolle. | |
Der Spitzenkandidat der Sozialisten (PS) interpretierte das Ergebnis der | |
Wahl anders als Passos. Der Wähler habe sich für einen Regierungswechsel | |
ausgesprochen, sagte António Costa. Sowohl die PS als auch die beiden | |
anderen Linksparteien, die den Einzug ins Parlament schafften, ließen | |
wissen, dass man eine konservative Regierung nicht mittragen und auch den | |
von Passos als „oberste Priorität“ bezeichneten Haushalt für 2016 nicht | |
absegnen werde. | |
Nach übereinstimmender Einschätzung von Medienbeobachtern steht Portugal | |
vor einer schwierigen Regierungsbildung. Es sei davon auszugehen, dass das | |
Staatsoberhaupt Anibal Cavaco Silva zunächst die stärkste Fraktion mit der | |
Regierungsbildung beauftragen werde. | |
## Konservative verlieren absolute Mehrheit | |
Nachdem gut 50 Prozent der Stimmen im Jahr 2011 mussten sich die | |
Konservativen diesmal mit 38,8 Prozent begnügen. Nach Auszählung von knapp | |
100 Prozent der Stimmen kamen die Sozialisten nur auf 32,4 Prozent. Die | |
CDU, ein Bündnis aus Kommunisten und Grünen, lag bei 10,2, der marxistische | |
Linksblock (BE) bei 8,3 Prozent. | |
Nach der Vergabe von 226 der insgesamt 230 Parlamentssitze bekam PàF in der | |
Nacht zum Montag nur 104 (2011: 132). Die drei linken Parteien brachten es | |
unterdessen zusammen auf 121. Zur Möglichkeit einer linken | |
Regierungskoalition sagten die Oppositionsparteien vorerst allerdings | |
nichts Konkretes. | |
Die Tierschutzpartei PAN wird erstmals in der Geschichte einen Abgeordneten | |
stellen. Die restlichen vier Parlamentssitze werden später, eventuell erst | |
in den nächsten Tagen nach Auszählung der Stimmen der im Ausland lebenden | |
Portugiesen vergeben, wie die Wahlbehörde CNE mitteilte. Die | |
Wahlbeteiligung habe mit 56,93 Prozent auf einem historischen Tiefstand | |
gelegen. | |
Die Wahl galt auch als Abstimmung über den harten und umstrittenen Sparkurs | |
von Passos. Der 51-jährige gelernte Ökonom hatte zwar verhindert, dass | |
Portugal zu einem „zweiten Griechenland“ wurde, war aber im Land wegen der | |
starken Kürzungen und Steuererhöhungen und einer „zunehmenden Verarmung der | |
Bevölkerung“ (Costa) scharf kritisiert worden. Im Wahlkampf hatte Passos | |
vor „Chaos“ im Falle einer linken Regierung gewarnt. | |
Portugal war 2011 von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) | |
mit 78 Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrt worden. Nach drei Jahren | |
unter dem EU-Rettungsschirm steht das Land seit Mai 2014 finanziell wieder | |
auf eigenen Beinen. 2014 wurde nach drei Rezessionsjahren in Serie ein | |
Wachstum von 0,9 Prozent erreicht. | |
5 Oct 2015 | |
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